Honorare, Reisen, Fortbildungen So finden Sie Pharmaverbindungen Ihres Arztes

54 Pharmafirmen haben Zahlungen an Mediziner offengelegt - allerdings nur, wenn diese damit einverstanden waren. Ihr Arzt ist nicht dabei? Diese Quellen können Ihnen weiterhelfen.
Foto: Tobias Hase/ picture-alliance/ dpa

Weit mehr als Hundert Millionen Euro zahlen Pharmafirmen Jahr für Jahr an Ärzte: für Reisen, für die Durchführung von Studien, für Beratungen. Jetzt haben 54 Unternehmen erstmals einen Teil ihrer Zahlungen offengelegt, SPIEGEL ONLINE und das Recherchezentrum "Correctiv"  haben die Daten zusammengetragen und ausgewertet.

Das Problem: Die Unternehmen nannten ausschließlich die Namen von Medizinern, die der Veröffentlichung zugestimmt hatten. Dieses Einverständnis gaben jedoch nur 28 Prozent - etwas mehr als 20.000 von mehr als 71.000 Ärzten und Fachkreisangehörigen, die Geld von den Unternehmen erhalten hatten.

Nachfragen oder recherchieren

Findet sich ein Mediziner nicht in den Veröffentlichungen des Transparenzkodex (hier geht es zu einer durchsuchbaren Datenbank), hat das also kaum eine Aussage. Möglicherweise hat er tatsächlich keine Verbindungen. Möglicherweise hat er aber auch eine Veröffentlichung der Daten abgelehnt. Oder er erhält Zahlungen von einer Firma, die sich nicht am Transparenzkodex beteiligt.

Wer dem nachgehen möchte, kann einen einfachen Weg verfolgen: bei seinem Arzt nachfragen.

Daneben gibt es jedoch noch eine zweite Möglichkeit, bei der vor allem Ärzte auftauchen, die nebenher noch forschen: die Recherche. Ärzte sind heute verpflichtet, bei vielen Veröffentlichungen Interessenkonflikte anzugeben. Vier Ansatzpunkte.

1. Leitlinien: Für viele Krankheiten existiert eine medizinische Leitlinie mit Behandlungsempfehlungen. Die Verfasser haben somit einen großen Einfluss auf die Verschreibungspraxis in Deutschland. Aus diesem Grund fordert die zuständige Arbeitsgemeinschaft (AWMF) sie seit 2010 dazu auf, Interessenkonflikte offenzulegen. Alle Leitlinien sind frei zugänglich und können über eine Suchfunktion nach Namen durchforstet werden.

Ein Beispiel für eine Interessenkonfliktserklärung aus einer Leitlinie können Sie sich hier anschauen . Sie gehört zu den Behandlungsempfehlungen für Kopfschmerzen, die durch einen zu hohen Gebrauch von Schmerzmitteln verursacht wurden. Der darin genannte Essener Neurologe Hans Christoph Diener ist mit mehr als 200.000 Euro der Bestverdiener unter den Medizinern, die im Rahmen des Transparenzkodex der Veröffentlichung ihres Namens zugestimmt haben. Hier geht es zur Leitlinien-Suche. 

2. Internationale Fachzeitschriften: Wollen Mediziner in der Forschungswelt anerkannt werden, müssen sie Studien in internationalen Fachzeitschriften veröffentlichen. Viele der Journals fordern von ihren Autoren, Interessenkonflikte anzugeben. Die beste Suchmöglichkeit bietet Pubmed, die Onlinebibliothek der amerikanischen National Institutes of Health. Dort ist es möglich, sich bei der Recherche direkt auf Autorennamen zu konzentrieren. In der linken Spalte lassen sich die Suchergebnisse zudem auf frei zugängliche Studien begrenzen.

Bei einer Suche nach dem Neurologen Diener etwa stößt man so als Erstes auf diese aktuelle Studie aus dem renommierten Fachblatt "The Lancet" . Noch vor den Literaturangaben sind am Ende der Studie umfassende Interessenkonflikte offengelegt. Hier geht es zur Pubmed-Suche. 

3. Deutsches Ärzteblatt: Die Zeitschrift der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung enthält Beiträge vieler deutschsprachiger Mediziner und ist thematisch breit aufgestellt. Seit 2011 verpflichtet sie ihre Autoren dazu, Interessenkonflikte offenzulegen. Die Daten sind auch ohne Anmeldung unter den Texten abrufbar, das Archiv lässt sich bei der erweiterten Suche direkt nach Autorennamen durchforsten. Für ein Beispiel scrollen Sie in diesem - willkürlich gewählten - Artikel  nach ganz unten. Hier geht es zum Ärzteblatt-Archiv. 

4. Suchmaschinen: Arbeiten Mediziner etwa als Referenten für die Pharmaindustrie, bringt das öffentliche Auftritte mit sich. Aus diesem Grund kann sich auch eine einfache Recherche in einer Suchmaschine auszahlen, zum Beispiel mit dem Namen des Mediziners in Kombination mit Begriffen wie "Interessenkonflikt", "Symposium", "Referent" oder "Offenlegung". Eine weitere Suche mit englischen Begriffen kann die Chancen noch weiter steigern.

Die Bedeutung von Interessenkonflikten

Sind Sie fündig geworden? Dann sprechen Sie Ihren Arzt im Zweifel darauf an. Dass er mit Pharmaunternehmen kooperiert, muss nicht heißen, dass er ein schlechter Mediziner ist. Fast alle renommierten Ärzte besitzen Verbindungen mit der Industrie, um Unternehmen unter anderem bei der Entwicklung neuer Medikamente zu beraten.

Daneben gibt es jedoch auch umstrittenere Verbindungen - etwa wenn Ärzte als Referenten bei einer Tagung auftreten und das neue Medikament einer Firma präsentieren.

Egal was der Anlass ist, bergen alle Verstrickungen ein ähnliches Risiko: Es kann passieren, dass sich die Mediziner mit dem Unternehmen verbunden fühlen und nicht mehr unvoreingenommen urteilen können. Deshalb ist es so wichtig, alle Verbindungen zwischen Industrie und Ärzten auf ihre Notwendigkeit zu hinterfragen. Dazu können auch Patienten einen Teil beitragen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren