Psychischer Druck Warum wir von Dauerstress Bauchschmerzen bekommen

Hektik im Job schlägt auf den Magen. Aber warum eigentlich? Bauch und Kopf haben doch eigentlich wenig miteinander zu tun. Und gerade darin liegt das Problem.
Schmerzender Bauch: Bei Dauerstress ist die Magenschleimhaut schlechter durchblutet

Schmerzender Bauch: Bei Dauerstress ist die Magenschleimhaut schlechter durchblutet

Foto: Corbis

In der richtigen Dosierung wirkt Stress besser als Kaffee. Kaum etwas belebt so sehr wie ein näherrückender Abgabetermin. Trägheit verfliegt, die Gedanken werden klar. Leider kommt Stress oft in einer Überdosis vor. Die Folgen: Gerädert am Morgen nach durchwachten Nächten, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen - und Bauchschmerzen.

Bauchschmerzen? Warum eigentlich? Angenommen, man wäre ein Urmensch. Statt des Abgabetermins naht ein Urzeitmonster. Stresshormone bringen den Kreislauf auf Touren und sorgen für Spannung in den Muskeln, damit man rennen oder kämpfen kann. Da der Mensch von heute meist weder rennt noch kämpft, führt die Anspannung, die sich körperlich nicht entlädt, nach einer Weile zu Schmerzen in den Muskeln, zum Beispiel im Rücken. Bis zu diesem Punkt macht alles Sinn. Den Bauch aber braucht weder der Mensch von damals noch der von heute, um auf Stress zu reagieren. Hätte uns die Evolution also nicht wenigstens die Krise im Zentrum ersparen können?

"Das ist ganz falsch gedacht", sagt Paul Enck, Professor für Medizinische Psychologie an der Universität Tübingen. "Gerade weil der Magen-Darm-Trakt bei der Stressreaktion nicht gebraucht wird, sinkt in diesem Bereich die Aktivität." Konkret passiert Folgendes: Der Sympathikus, ein Teil des vegetativen Nervensystems, regt den Kreislauf an. Wenn dies geschieht, geht von dessen Gegenspieler, dem Parasympathikus, weniger Aktivität aus. Folglich tut sich im Magen-Darm-Bereich, der vom Parasympathikus gesteuert wird, nicht mehr viel.

"Aus evolutionsbiologischer Perspektive macht das Sinn, weil die Verdauung extrem viel Energie benötigt. Dazu fließt viel Blut in die Gefäße, die den Magen-Darm-Trakt versorgen", sagt Enck. Das will der Körper bei der Stressreaktion verhindern. Schließlich braucht er das Blut anderswo, etwa in der Muskulatur. Den Magen-Darm-Trakt beurlaubt er deshalb vorübergehend. Bei manchen entleert sich der Körper deshalb in heftigen Stresssituationen wie vor einer Prüfung in die eine oder andere Richtung. Andere haben vor Aufregung erst gar keinen Hunger.

Nach der Flucht beziehungsweise der Prüfung wird das Verdauungssystem wieder aktiviert, man hat Hunger, der Körper kommt mit der Nahrungsaufnahme wieder klar. Hält der Stress allerdings lange an, kann es zum Problem werden, dass Magen und Darm nur träge arbeiten. Die Magenschleimhaut wird dann dauerhaft schlecht durchblutet und durchlässig für die aggressive Magensäure, die die Magenmuskulatur angreift. Dadurch kann sich diese sich sogar entzünden. Die Darmwand, die normalerweise nur Nährstoffe in den Körper weiterleitet und alles andere abschirmt, kann durchlässig für Bakterien werden, was manchmal zu Darmentzündungen führt. Und das tut weh.

Könnte der Mensch dann im weiteren Lauf der Evolution für die neue Art von Stressbelastung optimiert werden? "Das ist ja wieder ganz falsch gedacht", sagt Paul Enck. "Ich glaube nicht, dass es das Ziel sein sollte, dass der Mensch sich an Dauerstress anpasst. Da sollten wir lieber die Lebensumstände verändern."

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