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HIV-Selbsttest: Gute Alternative zum Gang zum Arzt

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Studie HIV-Selbsttests bewähren sich in der Praxis

Viele Menschen möchten sich lieber zu Hause auf HIV testen, statt zum Arzt oder Gesundheitsamt zu gehen. Eine Studie bestätigt jetzt, dass Selbsttests vor Diskriminierung schützen und die Verbreitung des Virus eindämmen können. Deutsche Experten bleiben dennoch skeptisch.

Montreal/Frankfurt am Main - Eine HIV-Infektion sollte möglichst früh erkannt werden. Nur so ist es möglich, andere vor einer Ansteckung zu schützen und wenn nötig mit einer Behandlung zu beginnen. Manche Betroffenen allerdings trauen sich mit ihren Bedenken nicht in eine medizinische Einrichtung. Sie haben Angst vor mangelnder Diskretion, vor einer Stigmatisierung und wollen ihre Befürchtungen mit niemandem teilen müssen - auch nicht mit einem Arzt.

Für die Betroffenen ist ein HIV-Selbsttest für zu Hause eine gute Alternative, hat eine erste systematische Überprüfung von 21 weltweit durchgeführten Studien ergeben. Die HIV-Selbsttests können die Betroffenen demnach vor einer Diskriminierung schützen und ihnen einen großen Teil ihrer Angst nehmen. Sie führen dazu, dass mehr Menschen von ihrem HIV-Status erfahren und die Verbreitung des Virus eindämmen. Das schreiben die Forscher im Fachmagazin "PLOS Medicine" .

Von den analysierten Studien hatten sich 14 mit insgesamt 4890 Versuchsteilnehmern HIV-Selbsttests gewidmet, die von Gesundheitsexperten betreut wurden. Sieben weitere Studien mit insgesamt 7512 Menschen bezogen sich auf HIV-Heimtests, bei denen es keine Supervision gab, aber per Telefon oder Internet ein Berater kontaktiert werden konnte. Die Studien waren unter anderem in den USA, in Kanada, Spanien, den Niederlanden, aber auch in Kenia oder Indien durchgeführt worden.

Lieber Speicheltests als ein Tropfen Blut

Die HIV-Tests seien sehr gut akzeptiert worden, schreiben die Forscher. Von den Menschen, die angaben, dass sie sich selbst testen möchten, führten 74 bis 96 Prozent den Test tatsächlich durch. Mindestens 80 Prozent der Versuchsteilnehmer befürworteten den Heimtest auch für ihren Partner. Generell bevorzugten die Versuchsteilnehmer einfache Tests, bei denen nur etwas Speichel notwendig ist und nicht erst ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe gedrückt werden muss. Bei beiden Varianten dauert es nur wenige Minuten, bis das Testergebnis klar ist.

Die Selbsttests seien recht präzise, schreiben die Forscher weiter. Von den Menschen, die nicht mit dem Immunschwächevirus infiziert waren, bekam höchstens jeder 500. fälschlicherweise ein positives Testergebnis. Allerdings waren die Selbsttests bei den tatsächlich HIV-Infizierten weniger treffsicher. Besonders häufig ging es bei den Testern schief, die keinen Betreuer an ihrer Seite hatten. Egal ob der Test positiv oder negativ ausfällt - nur einmal durchgeführt bietet er somit keine Gewissheit.

Wer ein positives Testergebnis hat, sollte umgehend einen Arzt aufsuchen, sich dort beraten lassen und sich erneut auf HIV testen lassen. Doch auch ein negatives Testergebnis bedeutet nicht automatisch Entwarnung. Zur Fehlerquote kommt bei Speicheltests noch ein weiteres Problem hinzu: Sie untersuchen den Speichel in der Regel auf HIV-Antikörper. Diese können allerdings erst drei Monate nach einer Ansteckung sicher nachgewiesen werden.

Jeder Zweite weltweit weiß nichts von seiner Infektion

Neben der Deutung der Ergebnisse benötigen manche Menschen nach dem Test auch psychologische Unterstützung. Aus den untersuchten Studien ging allerdings nicht hervor, wie häufig die Betroffenen das Angebot der Experten-Hotlines nutzten. Deswegen appellieren die Forscher, noch mehr Daten zu erheben. "Ein solcher Appell steht häufig am Ende einer Fachpublikation, doch ist er in diesem Kontext wirklich angebracht und sinnvoll, weil die Datenmenge und die Qualität der Studien limitiert waren", sagte Holger Rabenau vom Nationalen Referenzzentrum für Retroviren in Frankfurt, das sich unter anderem mit HIV-Diagnostik beschäftigt.

Schätzungen zufolge weiß etwa jeder Zweite weltweit nicht, ob er oder sie mit HIV infiziert ist - mitunter, weil die Menschen Angst vor dem Ergebnis und möglichen Konsequenzen haben oder weil sie es gar nicht wissen wollen. Rabenau ist skeptisch, ob Selbsttests diese Lücke schließen können. Eva Jägel-Guedes, die in München als Allgemeinmedizinerin mit dem Schwerpunkt HIV arbeitet, bewertet die Selbsttests positiver: "Ich sehe in meiner Praxis immer wieder Patienten, die jahrelang mit einer HIV-Infektion rumlaufen und sich nicht getraut haben, sich testen zu lassen", sagte sie bei der Einführung eines HIV-Selbsttest im vergangenen Juli in den USA. "Für solche Menschen kann es von Vorteil sein, einen Test zu Hause durchführen zu dürfen."

In Deutschland ist der Verkauf von HIV-Schnelltests an Privatpersonen noch nicht erlaubt. Über das Internet lassen sich jedoch Tests aus dem Ausland beziehen. Die Deutsche Aidshilfe rät davon mit Nachdruck ab. Auch Rabenau warnt davor: "Bei solchen Tests ist die Qualität und damit die Sicherheit möglicherweise nicht so zuverlässig." Außerdem seien die Selbsttests in Deutschland sowieso nicht sinnvoll: "Wir haben ein gutausgebautes Gesundheitssystem, wo man sich für wenig Geld oder sogar kostenlos und gegebenenfalls auch anonym testen lassen kann, zum Beispiel bei den Gesundheitsämtern", sagt er.

Antiretrovirale HIV-Therapie
Foto: Corbis

Wie schützen HIV-Medikamente vor einer Weitergabe des Virus?Warum sollte man trotzdem nicht einfach das Kondom weglassen?Wirken die Medikamente auch bei HIV-infizierten Schwangeren?

irb/dpa

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