Transplantationen Bahr macht Organspendeskandal zur Chefsache

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr: "Wir werden über Konsequenzen beraten"
Foto: dapdBerlin - Der Organspendeskandal von Göttingen und Regensburg hat jetzt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf den Plan gerufen. Bei einem Krisentreffen will er Konsequenzen aus dem Organspendeskandal erörtern. "Ich erwarte Vorschläge, wie künftig Manipulationen und andere Verstöße besser zu verhindern sind", sagte Bahr laut einer Mitteilung vom Freitag in Berlin. "Neben der lückenlosen Aufklärung der Vorfälle werden wir zusammen über die Konsequenzen beraten."
Zu dem Termin am 27. August sind sämtliche Behörden und Beteiligten eingeladen, die in Sachen Transplantation etwas zu sagen haben: der Kassen-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die Stiftung Eurotransplant, die Deutsche Transplantationsgesellschaft, die Bundesärztekammer, die ständige Kommission Organtransplantation sowie die Überwachungs- und Prüfungskommission bei der Bundesärztekammer.
"Ethisch in höchstem Maße verwerflich"
Über die Vorfälle in Göttingen und Regensburg zeigte sich der Minister "zutiefst erschüttert". Erste Erkenntnisse zeigten, dass in den Transplantationszentren Göttingen und Regensburg "Spenderorgane in vielen Fällen nicht nach medizinischer Notwendigkeit und Dringlichkeit vergeben wurden. Sollte das zutreffen, wäre dies gesetzeswidrig und ethisch in höchstem Maße verwerflich", sagte Bahr.
Am Freitag wurde bekannt, dass möglicherweise noch mehr Ärzte als bisher gedacht in der Organspende-Affäre verwickelt sein könnten: Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, sei der verdächtige Oberarzt an der Uni-Klinik Regensburg möglicherweise kein Einzeltäter gewesen. Den Verdacht stützt das Blatt auf die Anzahl der Lebertransplantationen an dem Universitätsklinikum. Auch nachdem der verdächtige Oberarzt das Klinikum im Jahr 2008 verlassen hatte, schnellte die Anzahl der Lebertransplantationen demnach drastisch in die Höhe.
Die Staatsanwaltschaft hat dafür aber noch keine konkreten Anhaltspunkte. Die Prüfungen stünden noch am Anfang, sagte der stellvertretende Sprecher der Staatsanwaltschaft Regensburg, Markus Pfaller, am Freitag. "Wir können das zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen. Wir können keine Vermutungen und Spekulationen anstellen."
Für Bundesärtzekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery stehen die Schuldigen des Organspendeskandals bereits fest: In einem Zeitungsinterview sagte er, die bayerischen Behörden hätten nicht das geringste Interesse daran gehabt, einen bereits 2005 entdeckten Manipulationsvorfall in Regensburg aufzuklären. Angesichts der Ausweitung des Skandals forderte Montgomery schärfere Kontrollen bei Transplantationen - und mehr Geld für zusätzliche Prüfer sowie harte Sanktionen gegen Ärzte, die den Bestimmungen zuwider handeln.
Zugleich zog er den Sinn staatlicher Kontrolle der Ärzte in Zweifel: "Ich halte überhaupt nichts von einer staatlichen Aufsicht oder von staatlichen Gremien", sagte er in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt". Im rbb-Inforadio sagte er, der verdächtige Oberarzt aus Regensburg sei schon 2005 ins Visier der Ermittler geraten. "In Bayern haben gerade die staatlichen Gremien versagt, denn wir haben damals mit der Selbstverwaltung diesen Fall aufgedeckt."
Das sieht der FDP-Gesundheitsexperte im bayerischen Landtag, Otto Bertermann, jedoch ganz anders: "Der Staat ist sehr wohl in der Verantwortung, Montgomery ist auf dem Holzweg." Eine Schwächung der staatlichen Aufsicht hält Bertermann für keine Lösung. "Dann muss der Staat handeln, wenn die ärztliche Selbstverwaltung dazu nicht in der Lage ist."
Nur eine Ordnungswidrigkeit?
Nach Angaben des Regensburger Uni-Klinikums waren 2005 verbotenerweise jordanische Patienten auf eine Warteliste für europäische Transplantationspatienten gelangt. Außerdem war illegalerweise eine Leber in Jordanien transplantiert worden. Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl hatte am Donnerstag erklärt, nach den damaligen Ermittlungen sei das Verhalten des Arztes nicht strafbar gewesen, sondern möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit. Es habe keinen Anlass für weitere Ermittlungen gegeben.
Gleichwohl bleibt die Frage, wer bei der Kontrolle in der Regensburger Klinik versagt hat. Die erste und unmittelbare Aufsicht über Doktor O. hatte in Regensburg Hans Schlitt, der seit Donnerstag beurlaubte Direktor der chirurgischen Klinik. Schlitt ist eine international anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin, er hatte den Oberarzt selbst nach Regensburg geholt. Nun wird geprüft, ob Schlitt seine Aufsichtspflicht verletzte.
Der Skandal um die Zuteilung von Organspenden war vor zwei Wochen aufgekommen, weil der als Doktor O. bekannte Oberarzt zuerst in Regensburg und später im Göttinger Uniklinikum Krankenakten gefälscht haben soll. Dabei soll er die Krankheit auf dem Papier verschlimmert haben, damit den betreffenden Patienten schneller eine neue Leber implantiert wurde - obwohl andere sie vielleicht nötiger gehabt hätten. Der Arzt, der seit November vom Dienst suspendiert ist, bestreitet nach Angaben der Göttinger Klinik die Vorwürfe.
Auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn verlangt nun harte Strafen für die Verantwortlichen des Skandals. "Ich finde es jetzt ganz, ganz wichtig, dass es durch drastische Strafen zu einer Abschreckung kommt", sagte Spahn. Es müsse mit Berufsverboten oder Strafen bis zu Gefängnis durchgegriffen werden. Nur dann könne man auch das Vertrauen in die Organspende wieder stärken.