Patientenversorgung akut gefährdet Krebszentren warnen vor Triage

Die Triage könne wegen der Omikron-Welle bald zum Klinikalltag werden, warnen Krebsexperten. Denn: »Die Versorgungskapazitäten sind nahezu ausgeschöpft.« Schon jetzt werden dringende Operationen verschoben.
Behandlungszimmer für Strahlentherapie: Schon jetzt werden dringende Operationen verschoben

Behandlungszimmer für Strahlentherapie: Schon jetzt werden dringende Operationen verschoben

Foto: Sebastian Gollnow / picture alliance / dpa

Deutsche Krebsforscherinnen und Krebsforscher sehen die Versorgung von Patientinnen und Patienten akut gefährdet. Schon jetzt hätten zwei Drittel der befragten Krebszentren keine Kapazitäten mehr, um weitere Betroffene aufzunehmen, teilten das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft am Dienstag gemeinsam mit. Abgefragt wurde demnach die Lage an 18 großen universitären Krebszentren.

»Die Versorgungskapazitäten der Zentren sind nahezu ausgeschöpft, das Personal arbeitet unter maximaler Belastung«, heißt es in der Mitteilung. Wenn die Corona-Infektionszahlen erneut steigen, wie es wegen der Ausbreitung der Omikron-Variante befürchtet wird, »müssen wir mit einem erneuten Anstieg an Patienten rechnen, die intensivmedizinisch betreut werden müssen«, warnte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums, Michael Baumann.

Die »stille Triage«

»Die Intensivstationen können aber schlichtweg niemanden mehr aufnehmen – das gilt sowohl für Coronapatienten als auch für Menschen mit anderen schweren Erkrankungen«, fügte er hinzu. »Tritt dies ein, wird die Triage zum Klinikalltag.« Es sei wichtiger als je zuvor, entsprechende Versorgungskapazitäten in den Kliniken und Krankenhäusern, insbesondere in den Krebszentren, für Krebspatienten sicherzustellen.

Der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft und Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin an der Uniklinik Ulm, Thomas Seufferlein, verwies auf Erfahrungen aus seinem Arbeitsalltag. »Als ärztlicher Direktor einer universitären Klinik bin ich täglich damit konfrontiert, dass aufgrund des enormen Betreuungsaufwands von Covid-19-Erkrankten personelle Engpässe in der stationären Krebsversorgung entstehen, auch dringende Operationen verschoben werden  oder Patientinnen und Patienten nach einer Krebs-OP frühzeitig die Intensivstation verlassen müssen, weil ihr Bett dringend gebraucht wird.«

»Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass überfüllte Intensivstationen wegen Covid-19 zu einer ungewollten Priorisierung der zu behandelnden Patientinnen und Patienten – und damit zu einer stillen Triage – führen«, führte Seufferlein hinzu.

Die drei Organisationen appellierten an die Bevölkerung: »Bitte lassen Sie sich impfen, egal ob es die erste, zweite oder dritte Impfung ist.« Auch die Kontaktbeschränkungen und andere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie müssten eingehalten werden – »gerade jetzt im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage«. Die Zahl der Neuinfektionen müsse unbedingt sinken, »um alle schwer kranken Patienten adäquat versorgen zu können«, mahnte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven.

hei/AFP
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