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Typ-1-Diabetes: Dresdner Ärzte arbeiten am Insulin-Reaktor

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Experimentelle Therapie Dresdner Forscher arbeiten am Insulin-Reaktor für Diabetiker

Etwa 300.000 Typ-1-Diabetiker müssen oft ab frühester Kindheit mit ihrer Erkrankung klarkommen. Das heißt regelmäßig den Blutzuckerspiegel messen und das Hormon Insulin spritzen. Trotzdem können lebensgefährliche Situationen und Folgekrankheiten auftreten. Neue Therapieansätze könnten das künftig vermeiden.

Hamburg - Insulin ist für den Körper lebenswichtig. Ohne diesen Botenstoff können menschliche Zellen den Blutzucker nicht aufnehmen, aus dem sie Energie gewinnen. Beim Typ-1-Diabetes fehlt das Hormon, weil das Immunsystem die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört, in denen das Hormon gebildet wird. Deswegen sind Typ-1-Diabetiker auf Insulinspritzen angewiesen.

Derzeit testen Mediziner neue Therapien, mit denen wenigstens ein Teil der Insulinproduktion im Körper wiederhergestellt werden soll. Eine Heilung des Typ-1-Diabetes wird dadurch zwar nicht möglich sein, doch für einen Teil der Betroffenen versprechen die Verfahren Erleichterungen im Alltag und mehr Sicherheit.

Ausweg für schwer betroffene Patienten

Am Dresdner Universitätsklinikum arbeiten Experten seit einigen Jahren daran, insulinproduzierende Inselzellen zu transplantieren, dabei konnten sie auch schon erste Erfolge feiern, zum Beispiel bei einem Unfallopfer, dem sie eigene Inselzellen aus der zerstörten Bauchspeicheldrüse in die Leber verpflanzten. Ähnlich wie in diesem Fall sollen auch schwerkranken Typ-1-Diabetikern, bei denen es trotz intensiver Behandlung immer wieder zu lebensgefährlichen Unterzuckerungen kommt, Inselzellen in die Leber transplantiert werden.

Die Inseltransplantation kann für diese Patienten ein Ausweg sein. "Die Inseln aus einer für die Kompletttransplantation ungeeigneten Bauchspeicheldrüse werden ohne Operation in die gut durchblutete Leber eingebracht. Dort starten sie schon bald die Insulinproduktion", berichtet Barbara Ludwig, die in Dresden seit sechs Jahren das einzige deutsche Inseltransplantationsprogramm aufbaut. "Ziel ist es, eine gewisse Eigenproduktion an Insulin sicherzustellen, den Stoffwechsel dadurch stabiler zu machen und künftige lebensgefährliche Unterzuckerungen zu vermeiden."

Lebenslange Immuntherapie

Da die Inselzellen normalerweise von einem fremden Spender stammen, müssen die Patienten lebenslang Medikamente einnehmen, die das Immunsystem in Schach halten. Sonst würde die Körperabwehr die als fremd erkannten Zellen bekämpfen. Diese Medikamente erhöhen das Risiko für Infektionen und Krebs. Auch das ist ein Grund, weshalb die Methode nicht für alle Typ-1-Diabetiker in Frage kommt.

In Dresden beträgt die Erfolgsquote laut Ludwig bislang 100 Prozent, weltweit sind es etwa 80 Prozent. Ein Transplantat hält nicht ein Leben lang: Nach fünf Jahren funktioniert es noch ausreichend, die Patienten benötigen etwas mehr als die Hälfte der sonst üblichen Insulinmenge zusätzlich zu der vom Transplantat produzierten. "Unserer erste Patientin erhielt vor fünfeinhalb Jahren ein Inseltransplantat, das immer noch bestens arbeitet", freut sich Ludwig.

Zusätzliches Insulin schont die Zellen

Den Erfolg führt Ludwig auch darauf zurück, dass die Patienten zusätzlich Insulin spritzen, um die transplantierten Inselzellen zu schonen: "Das hält sie länger fit. Teure Garderobe schont man ja auch, um möglichst lange etwas davon zu haben." Zudem bekommen die Patienten entzündungshemmende Medikamente, um Schäden am Transplantat zu verhindern.

Die Inselzelltransplantation ist eine neue Methode, die sich noch im Experimentierstadium befindet. Weltweit erhielten in etwa 60 Zentren 1200 bis 1500 Menschen ein Transplantat, in Dresden sind es insgesamt 18 Patienten. Wobei knapp die Hälfte der in Dresden Behandelten gar keine Typ-1-Diabetiker sind, sondern wegen Unfällen oder einer chronisch entzündeten Bauchspeicheldrüse das insulinproduzierende Organ verloren haben. Da diese acht Patienten die eigenen Inselzellen transplantiert bekamen, benötigen sie auch keine Immuntherapie. "Entsprechend gut sind die Ergebnisse. Etwa 80 Prozent kommen völlig ohne zusätzliches Insulin aus. Und in ihrem Fall sind die Zellen so fit, dass sie nicht durch zusätzlich gespritztes Insulin geschont werden müssen", so Ludwig.

Externe Insulinproduktion im Reaktor

Barbara Ludwig arbeitet gemeinsam mit Kollegen daran, dass irgendwann auch die Typ-1-Diabetiker keine Immuntherapie mehr benötigen. Sie wollen eine künstliche Bauchspeicheldrüse schaffen. Nach jahrelanger Vorarbeit haben die Dresdner Mediziner vor einem Jahr einem Typ-1-Diabetiker eine Art Bioreaktor mit menschlichen Inselzellen implantiert. Die Inselzellen im Reaktor arbeiten bis heute und sichern dem Patienten eine gewisse Eigenproduktion an Insulin, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "PNAS" .

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Der in den Bauch implantierte Bioreaktor enthält insulinproduzierende Inselzellen. Insulin kann durch eine Membran aus dem Reaktor freigesetzt werden, die für die Inselzellen gefährlichen Antikörper des Patienten können aber nicht eindringen. Täglich muss der Patient den Reaktor mit Sauerstoff betanken, denn auch der kann durch die Membran nicht zu den Inselzellen gelangen. "Diese eingebaute kontrollierte Sauerstoffversorgung ist das Ei des Kolumbus", sagt Stefan Bornstein vom Dresdner Universitätsklinikum.

Das Verfahren muss sich in klinischen Studien bewähren. Parallel arbeiten die Dresdner Forscher daran, Affen einen mit insulinproduzierenden Schweinezellen befüllten Reaktor einzusetzen. Wenn das Immunsystem die Zellen in der Dose nicht angreifen kann, so die Überlegung, müsste es auch möglich sein, Schweinezellen das Hormon produzieren zu lassen; Menschen vertragen Schweineinsulin sehr gut. Klappt das Experiment, wäre es auch vorstellbar, dass Diabetiker in einigen Jahren Schweinezellen im Bioreaktor bei sich tragen.

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