Unabhängige Patientenberatung Privater Dienstleister erhält den Zuschlag

Das Unternehmen Sanvartis wird wohl die Unabhängige Patientenberatung Deutschland ab 2016 übernehmen. Kritiker fürchten, dass das Angebot damit seine Unabhängigkeit verliert.
Mitarbeiterin im Callcenter: Hilfe für Rat suchende Patienten

Mitarbeiterin im Callcenter: Hilfe für Rat suchende Patienten

Foto: A3250 Oliver Berg/ dpa

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) wird ab 2016 aller Voraussicht nach vom privaten Gesundheitsdienstleister Sanvartis übernommen. Die Vergabekammer des Bundes bestätigte eine entsprechende Entscheidung der Krankenkassen, wie am Freitag bekannt wurde. Die bisherigen Träger verzichten auf weitere Rechtsmittel.

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), erklärte, Unabhängigkeit bleibe auch künftig die Basis der Patientenberatung. Sanvartis sicherte ebenfalls Neutralität zu.

Die UPD  ist Anlaufstelle für Rat suchende Patienten im Konflikt mit Ärzten, Krankenkassen oder Kliniken. Finanziert wird das Angebot von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen, die gleichzeitig auch alle paar Jahre darüber entscheiden, wer die Mittel erhält. Die Fördermittel liegen bei neun Millionen Euro jährlich.

Träger sind bislang der Sozialverband VdK, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung. Weil der Vertrag zum Jahresende ausläuft, wurde die Vergabe neu ausgeschrieben.

Vertrag für die kommenden sieben Jahre

Ab kommendem Jahr soll Sanvartis für sieben Jahre die Beratung übernehmen. Der Duisburger Gesundheitsdienstleister betreibt nach eigenen Angaben das größte medizinische Callcenter Deutschlands und arbeitet auch mit Kassen und Pharmakonzernen zusammen. Kritiker sehen deshalb die Unabhängigkeit der Patientenberatung künftig nicht mehr gewährleistet. Sie befürchten Interessenkonflikte, bei denen am Ende der Patient zu kurz kommen könnte.

Die derzeitigen Träger kritisieren, dass künftig ein "privatwirtschaftlich gewinnorientiertes Unternehmen" und bisheriger Kassen-Dienstleister Patientenberatung anbieten darf. "Das Wort unabhängig ist nicht mehr angebracht", meint Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

Die Vergabekammer wies am Donnerstag den Nachprüfungsantrag eines anderen Bieters wegen der Entscheidung für Sanvartis allerdings als unbegründet zurück. Sanvartis erfülle die "vorgeschriebene Neutralität und Unabhängigkeit", hieß es in der Begründung. Zudem seien im Angebot der bisherigen Träger selbst Mängel aufgetaucht, die möglicherweise einen Ausschluss nach sich gezogen hätten.

Die bisherigen Träger bedauerten die Entscheidung. Damit gingen "funktionierende Strukturen, hohe Qualitätsstandards und langjährige Erfahrung nun verloren". Sie kündigten an, auf eine Beschwerde gegen die Entscheidung beim Oberlandesgericht zu verzichten. Der Kassenverband muss Sanvartis noch offiziell den Zuschlag erteilen.

Mahnung zu mehr Sachlichkeit

Der Patientenbeauftrage Laumann mahnte zu mehr Sachlichkeit in der Debatte. "Ich kann es nicht oft genug betonen: Die Garantie der Unabhängigkeit und Neutralität war, ist und wird auch weiterhin zwingende Voraussetzung sein", erklärte er. "Da darf es keine Abstriche geben."

Sanvartis kritisierte, in den vergangenen Wochen seien "falsche Tatsachen in den Raum gestellt worden", die zu einer erheblichen Verunsicherung in der Bevölkerung geführt hätten. In einer Erklärung versicherte das Unternehmen, die Mitarbeiter garantierten "in jedem Gespräch die inhaltliche Unabhängigkeit und Neutralität".

Die Sanvartis GmbH werde "keinen Zugriff auf die UPD, deren Geschäftsführer und Mitarbeiter oder deren Daten und das IT-System haben". Die Beratung werde auch nicht durch ungelernte Callcenter-Mitarbeiter vorgenommen, sondern durch Ärzte, Rechtsanwälte, medizinische Fachangestellte und weitere Experten.

Das Konzept des Dienstleisters sieht vor, dass sich künftig jährlich rund 120.000 Patienten rund um die Uhr telefonisch Rat holen können. Bisher bearbeitete die UPD 80.000 Anfragen. Bundesweit sind zudem 30 Beratungsstellen vorgesehen, bisher sind es 21.

wbr/AFP/dpa
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