Verengte Gefäße
Bypass übertrifft Stents in schweren Fällen
Sind die Herzkranzgefäße verengt, wird der Herzmuskel nicht mehr ausreichend durchblutet, ein Herzinfarkt droht. Dann ist ein Bypass oder ein Stent nötig. Eine aktuelle Studie kann helfen, für Patienten die richtige Behandlungsmethode zu finden - allerdings mit Einschränkungen.
Stent (Archivbild): Bei weniger komplexen Problemen ist ein Stent oft ausreichend
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Heiko Gärtner* hatte auf den Urlaub in den Bergen hingefiebert. Doch bei der ersten Wanderung mit seiner Frau in gut 2000 Metern Höhe überkamen ihn plötzlich Schmerzen und ein Engegefühl in der Brust. Der 58-Jährige musste auf halber Strecke umdrehen und zur Mittelstation zurückkehren. Schon in den Monaten zuvor hatte er beim Treppensteigen immer wieder eine leichte Enge in der Brust gespürt. Mitunter kam ein Brennen hinzu, das er allerdings auf sein gelegentliches Sodbrennen schob.
Diesmal ging er auf Drängen seiner Frau hin zum Arzt - zum Glück. Plaques aus Cholesterin und Fett verengten drei seiner Herzkranzgefäße. Die Koronararterien zweigen von der Hauptschlagader ab und versorgen den Herzmuskel mit sauerstoffreichem Blut. Verstopfen sie, droht ein Herzinfarkt.
Heiko Gärtner ist mit seinem Problem nicht allein. Die Arteriosklerose, bei der die Arterien zunehmend verengen, gehört in den Industrieländern zu den häufigsten Todesursachen. Neben dem Herzinfarkt kann ein Schlaganfall die Folge sein. Um die Gefäßverengungen zu beseitigen, gibt es zwei Möglichkeiten: einen Stent oder einen Bypass. Eine kürzlich abgeschlossene Untersuchung, die Syntax-Studie, kann dabei helfen, zwischen den beiden Behandlungen zu entscheiden. Demnach übertrifft ein Bypass den Stent deutlich, wenn Verkalkungen in besonders großem Ausmaß auftreten. Damit ist eine intensive Diskussion zwischen Herzchirurgen und Kardiologen vorübergehend beendet.
STENT UND BYPASS
Bei einem Stent handelt es sich um ein mit Medikamenten beschichtetes Röhrchen, das als Gefäßstütze die Arterie offen halten soll. Ein Bypass hingegen erfordert eine größere OP: Ein gesundes Blutgefäß muss aus dem Bein oder der Brustwand entnommen werden. Im Brustkorb eingesetzt bietet es eine Umleitung, dank der das Blut den blockierten Arterienabschnitt umgehen kann.
An der Syntax-Untersuchung nahmen insgesamt 1800 Patienten mit einem Durchschnittssalter von 65 Jahren teil, bei denen drei Hauptarterien der Herzkranzgefäße oder der linke Hauptstamm verengt waren. Alle Patienten erhielten entweder einen Stent oder einen Bypass. In den folgenden fünf Jahren dokumentierten die Forscher, wie häufig es trotzdem noch zu einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall kam, beziehungsweise wie häufig ein weiterer Eingriff notwendig war.
Um das Ausmaß der Ablagerungen in den Gefäßen des jeweiligen Patienten dokumentieren zu können, führten die Studienautoren einen neuen Punktwert ein, den Syntax-Score. Dieser verbessere die Aussagekraft der Studie, sagt Herzchirurg Rüdiger Lange vom Deutschen Herzzentrum in München: "Die Angabe Dreigefäßerkrankung allein macht nicht wirklich eine Aussage darüber, wie stark und an wie vielen Stellen ein Gefäß verengt ist."
Ergebnis: Je komplexer die Krankheit, desto besser ist ein Bypass
Laut dem Ergebnis reicht ein Stent bei Patienten wie Heiko Gärtner, der nur eine verhältnismäßig leichte Arteriosklerose hat, aus. Bei Gefäßen mit vielen und an ungünstigen Stellen gelegenen Ablagerungen hingegen ist der Bypass dem Stent deutlich überlegen. Mit der Gefäßumleitung kommt es seltener zu einem Herzinfarkt, auch ist ein erneuter Eingriff an den Herzkranzarterien nicht so oft nötig wie mit einem implantierten Stent.
"Je komplexer das Ausmaß der Erkrankung ist, desto besser schneidet der Bypass ab. Das gilt zumindest im Vergleich zu dem in der Syntax-Studie verwendeten Medikamentenbeschichteten Stent der ersten Generation", fasst der Kardiologe Steffen Massberg von der LMU München das Ergebnis zusammen. "Bei akuten Herzinfarktpatienten ist aufgrund der verletzten Gefäßwand der Stent dem Bypass dagegen überlegen", sagt Massberg.
Es gibt allerdings zwei Kritikpunkte an der Studie: Zum einen berücksichtigt der Syntax-Score keine weiteren Erkrankungen der Patienten. "Die Patienten, die wir in der Klinik normalerweise sehen, sind im Durchschnitt 10 Jahre älter als jene in der Studie und haben zumeist noch irgendwelche anderen Erkrankungen. Bei ihnen ist eine Bypass-Operation mit entsprechend höheren Risiken verbunden", sagt Kardiologe Massberg. Kardiologe und Herzchirurg sollten den Patienten als Ganzes sehen und dürften nicht nur dem Syntax-Score vertrauen, warnt er.
Insbesondere bei den Stents gab es in den letzten fünf Jahren außerdem enorme Fortschritte. Die in der Syntax-Studie eingesetzten Medikamentenbeschichteten Stents der ersten Generation werden heutzutage kaum noch verwendet, so der Münchener Kardiologe. Die inzwischen verfügbaren modernen Stents sind laut Massberg den ersten Stents deutlich überlegen. Darüber hinaus gibt es inzwischen auch Stents aus Zuckermolekülen, die sich nach zwei Jahren im Gefäß auflösen. "Ohne den Wert der Syntax-Ergebnisse schmälern zu wollen, vermute ich, dass das Studienergebnis mit diesen topmodernen Stents anders wäre", so Massberg.
Heiko Gärtner hatte Glück im Unglück. Dank seiner Beschwerden wurde er auf seine Herzkrankheit aufmerksam. Vor allem Diabetiker sollten noch vorsichtiger sein. Die Betroffenen spürten häufig trotz mehrerer Verengungen keine Beschwerden, sagt Herzchirurg Lange. Ihre Nerven sind durch ihre Diabeteserkrankung so geschädigt, dass sie die Schmerzsignale nicht mehr weiterleiten können. Oft bemerken sie erst beim Herzinfarkt, dass etwas nicht stimmt.