Beipackzettel Was genau heißt "auf nüchternen Magen"?

Verwirrung durch den Beipackzettel: Experten raten, das Gespräch mit einem Experten zu suchen
Foto: Benjamin Nolte/ TMN"Lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker." Diesen Ratschlag hat man im Leben vermutlich genauso oft gehört wie ignoriert. Denn das Gespräch mit Arzt oder Apotheker mag noch hilfreich sein. Doch der Beipackzettel vieler Medikamente ist oft eher Rätselheft als leichte Lektüre.
Das ist schade, denn der Zettel beantwortet viele wichtige Fragen: Wer darf das Medikament nehmen, wann und wie oft? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Doch viele dieser Infos schaffen es einfach nicht zum Empfänger, sagt Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. Er vermutet, dass neun von zehn Patienten den Beipackzettel nicht lesen.
Zwischen Vorschrift und Nutzerfreundlichkeit
Kleine Schrift, Bandwurmsätze, Fachausdrücke: "Die Beipackzettel in ihrer heutigen Form überfordern die Patienten oftmals", sagt Ingrid Dänschel aus dem Vorstand des Deutschen Hausärzteverbands . Grund dafür sei der Versuch der Hersteller, sich juristisch abzusichern.
Tatsächlich gibt es zahlreiche Vorschriften, an die sich Pharmafirmen beim Verfassen halten müssen. "Es ist gesetzlich festgelegt, was in den Beipackzetteln drinstehen muss", erklärt Rose Schraitle vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). "Die Angaben müssen auf Deutsch verfasst und die Schrift muss gut lesbar sein."
Auch die Reihenfolge der Informationen sei vorgeschrieben. Patienten mit Beipackzettel-Erfahrung sollen sich so schneller zurechtfinden. "Und es muss verständlich sein", sagt Schraitle. Sowohl Sprache als auch Schriftgröße seien aber für die meisten Patienten problematisch.
Zwei Beispiele:
- "Auf nüchternen Magen" etwa heißt, dass Patienten vier Stunden nichts gegessen und nur Wasser getrunken haben sollten, wie der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erklärt.
- Und "mit viel Flüssigkeit zu sich nehmen" bezieht sich ausdrücklich auf kaltes oder lauwarmes Wasser, nicht auf heiße oder koffeinhaltige Getränke.
Der Zettel verrät auch, in welchem Rhythmus Patienten wie viel von einem Medikament nehmen sollen. Entscheidend ist dies beispielsweise bei Antibiotika: "Wenn da drei Mal am Tag, alle acht Stunden steht, sollte ich das auch so nehmen", sagt Siemsen. 30 Minuten mehr oder weniger dürften es zwar mal sein, aber keine viel größeren Abweichungen.
Arzt oder Apotheker können weiterhelfen, wenn es Fragen zu den Nebenwirkungen gibt - ein Punkt, der oft einen größeren Teil des Beipackzettels ausmacht. Selbst wenn nur vermutet wird, dass sie auf das Arzneimittel zurückzuführen sind, sind die Hersteller verpflichtet, alle jemals beobachteten Nebenwirkungen eines Medikaments aufzuführen, sagt BAH-Expertin Schraitle.
Das hat Vor- und Nachteile: Einerseits weiß der Patient, worauf er sich einlässt. Andererseits können vermeintliche Gefahren auch verunsichern. Manchmal wollten Patienten aus Angst vor Nebenwirkungen ein Mittel nicht nehmen, sagt Siemsen.
Er empfiehlt in solchen Fällen, sich die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung bewusst zu machen - die steht im Beipackzettel. "Sehr häufig" zum Beispiel bedeutet, dass die Nebenwirkung bei einem von zehn Behandelten aufgetreten sind. Steht dort "sehr selten", war es dagegen nur einer von 10.000.
Auf Beratung nicht verzichten
Etwas kniffliger wird es bei den Wechselwirkungen. Diese sind für Patienten kaum überschaubar - und können auch Ärzten entgehen, wenn diese unabhängig voneinander Medikamente verschrieben. "Deshalb ist es wichtig, dass es da den Hausarzt gibt, der den Überblick behält", sagt Siemsen.
Der muss auch die rezeptfreien Mittel kennen, die ein Patient kauft und nimmt, sagt Hausärztin Dänschel: "Denn auch diese haben unter Umständen Neben- oder Wechselwirkungen - das Johanniskraut zum Beispiel." Gerade bei pflanzlichen Mitteln dächten viele Patienten, dass es keine Risiken oder Wechselwirkungen gebe - doch das Gegenteil ist der Fall.