Wespenplage im Sommer "Sie holen Verstärkung und greifen an"

Wespen auf dem Kuchen können schon nervig sein
Foto: Jens Büttner/ dpaSPIEGEL ONLINE: Sind Wespen in den letzten Jahren aggressiver geworden?
Oehlke: Es wandern zwar neue Arten aus dem Mittelmeerraum ein, aber diejenigen, die Menschen Probleme bereiten, sind seit langem die gleichen.
SPIEGEL ONLINE: Haben sich Wespen selbst verändert, ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich früher auf Fleisch und Fisch gestürzt haben?
Oehlke: Nein, das hat sich nicht geändert. Wespen nehmen einerseits Süßes zu sich, um ihren Energieverbrauch zu decken. Andererseits suchen die ausschwärmenden Arbeiterinnen auch proteinreiche Nahrung für ihre Larven. Die Wespen, die uns Menschen stören, sind soziale Arten, das heißt, sie leben in Völkern und füttern jede Larve einzeln. Die brauchen Eiweiß, deshalb fliegen sie auf Käse oder Fleisch.
SPIEGEL ONLINE: Zu der Zeit, zu der die Brut gefüttert wird, ist der Fleischhunger größer?
Oehlke: Ja. Die meisten der sozial lebenden Arten haben zwei Generationen im Jahr, manchmal noch eine dritte sehr spät. Der Juli ist der Sommermonat, in dem sie am wenigsten auftreten. Aber jetzt wird die zweite Generation gefüttert.
SPIEGEL ONLINE: Wie lange noch?
Oehlke: Noch 14 Tage bis drei Wochen, das richtet sich nach diesen Bedingungen. Mitte September sollte es überstanden sein.
SPIEGEL ONLINE: Können Wespen, die sich auf Essen setzen, Krankheiten übertragen?
Oehlke: Theoretisch schon. Die häufigsten Arten setzen sich auch auf Kot und auf Mist - nicht, um davon zu fressen, aber um andere Insekten zu fangen.
SPIEGEL ONLINE: Das heißt, auch Sie als Wespenforscher haben nichts dagegen einzuwenden, Wespen umzubringen?
Oehlke: Ich muss betonen, dass es sehr viele Wespenarten gibt und nur sehr wenige, die für den Menschen gefährlich sind. Jene Arten werden durch die menschliche Zivilisation gefördert und pflanzen sich deshalb stark fort. Wir haben viel Nahrung herumstehen, die Reste unserer Lebensmittel werden weggeworfen, auf den Komposthaufen und dergleichen - und die Wespen fressen ja quasi alles. Da ist es berechtigt, dass man die Nester entfernt.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man im Garten oder im Park von Wespen attackiert wird, ist es zu spät, nach dem Wespennest zu suchen. Ist es sinnvoll, eine Falle zu bauen - mit Zuckerwasser, das man in eine Flasche füllt?
Oehlke: Das kann man machen, aber für eine wirkungsvolle Bekämpfung wird das nicht reichen, es werden nur sehr wenige Tiere in die Flasche stürzen.
SPIEGEL ONLINE: Hilft es, mit Nelken gespickte Zitronenviertel auf den Tisch zu legen?
Oehlke: Der Duft ist sehr stark, Wespen können sich dann eventuell nicht mehr so gut orientieren und davon ferngehalten werden. Aber ob das sicher wirkt, kann ich nicht sagen.
SPIEGEL ONLINE: Wie sollte man sich verhalten, wenn Wespen einen umschwirren?
Oehlke: Nicht nach ihnen schlagen, denn dann werden sie aggressiv. Sie holen Verstärkung und greifen gemeinsam an.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man heranfliegende Wespen sanft mit der Hand wegdrückt - werten sie das schon als Angriff?
Oehlke: Die meisten Menschen reagieren sehr hektisch und schlagen um sich. Wenn Sie Wespen dagegen vorsichtig, mit einer ruhigen Bewegung wegdrücken, wird nichts passieren.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man nicht nach Wespen schlägt, stechen sie garantiert nicht?
Oehlke: Es kann vorkommen, dass sie sich auf die Haut setzen, man zuckt zusammen, die Wespe sieht das als Gefahr und sticht zu. Ich persönlich lasse Wespen auf meiner Haut sitzen, das kümmert mich nicht. Bei uns sind die Wespen gar nicht mal so aggressiv wie in anderen Weltregionen. In Afrika und Südamerika habe ich es schon erlebt, dass mich ganze Schwärme gezielt attackiert haben.
SPIEGEL ONLINE: Wir haben also noch Glück gehabt! Kann man unsere heimischen Wespen ohne Gefahr mit der Hand töten?
Oehlke: Ja, aber besser geht es mit der Fliegenklatsche. Damit kann man sie auch vertreiben. Wichtig ist, dass ich sie nicht mutwillig anlocke. Wenn ich im Garten sitze, dann muss ich in dieser Jahreszeit Speisen gut abdecken.
SPIEGEL ONLINE: Sind Wespen eigentlich zu irgendwas nütze?
Oehlke: Die Wespen dezimieren andere Insekten, besonders verschiedene Fliegenarten - und Blattläuse.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Interviews war zu lesen, dass man Wespennester selbst entfernen könnte. Da verschiedene Wespenarten nach der Bundesartenschutzverordnung geschützt sind und das Bundesnaturschutzgesetz das Entfernen dieser Arten verbietet, sollte man sich an Experten für Wespenumsiedlungen wenden. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.