Wir machen uns mal frei Die Walkie-Talkie-Methode

Telefonierende Geschäftsleute: Handys lassen uns krank aussehen
Foto: CorbisEs gibt Menschen, die sicher sind, dass Handys krank machen. Das ist umstritten. Sicher ist allerdings: Sie lassen uns krank aussehen. Oft begegnete ich am Wochenende, wenn ich mit der letzten oder ersten U-Bahn nach Hause fuhr, auffällig viele niedergeschlagene Menschen, vornübergebeugt, den Kopf zum Boden gerichtet. Wie fertig müssen diese Leute sein, wo ich doch schon ziemlich kaputt war, aber immerhin noch geradeaus blicken konnte?
Dann bemerkte ich, dass diese niedergeschlagenen Menschen immerhin noch so fit waren, Kurznachrichten zu schreiben. Als ich mein Spiegelbild später kurz in der Fensterscheibe sah, saß ich genauso zusammengekauert in der U-Bahn. Leider, denn was ich am frühen Morgen mit dem Handy abschickte, bereute ich meistens am nächsten Tag.
Mikrowelle für die grauen Zellen
Irgendwann sah ich Männer im Anzug wild gestikulierend, redend durch die Straßen gehen und dachte: Elegant gekleideter Psychopath! Bis mir auffiel, dass die Herren mit einem Headset telefonierten. Natürlich legte ich mir auch das zu und laufe seitdem psychopathisch durch die Straßen. Ich bekomme nämlich vom Telefonieren mit meinem Handy einen pochenden Schmerz unter der Stirn.
Ich spüre förmlich wie die elektromagnetischen Strahlen mein Gehirn kochen. Da wirke ich doch lieber wie ein Wahnsinniger. Allerdings: Den Kopfhörer immer im Anschlag zu haben, ist ziemlich umständlich und sieht beknackt aus.
Eine Zeitlang versuchte ich also, das Headset-Kabel erst bei einem Anruf ins Handy zu stecken. Natürlich war es nie aufzufinden, wenn ich es gebraucht hätte. Dann wickelte ich es ums Handy - aber wenn es klingelte, schaffte ich es meistens nicht, das Kabel rechtzeitig zum Annehmen des Anrufs zu entwirren, so dass die Anrufer wieder auflegten.
Mobilfunk: Frequenzen, Strahlung und Wärme
Das Wort sorgt zuweilen für Beunruhigung, vor allem unter Physik-Unkundigen. Mobiltelefone (und die zugehörigen Sendemasten) bauen hochfrequente gepulste elektromagnetische Felder auf. In Deutschland werden in GSM-Handynetzen Frequenzen um 900 und 1800 Megahertz verwendet. Mobiltelefonie ist nicht die einzige Technologie, die solche Felder erzeugt. Auch schnurlose (DECT-)Telefone tun das.
Über mögliche gesundheitliche Folgen der Mobilfunktechnik wird unter Laien viel gestritten. Tausende wissenschaftliche Studien beschäftigen sich damit - bislang ohne einen Beleg für eine Schadwirkung liefern zu können. Hinlänglich bekannt ist jedoch, dass Handys für eine leichte Erwärmung von wenigen Grad Celsius am Kopf sorgen können. Unter Insidern ist dies auch als Wollmützeneffekt" bekannt.
Der Messwert SAR beschreibt, wieviel Energie in einem elektromagnetischen Feld übertragen wird. Die Abkürzung steht für "spezifische Absorptionsrate". Anhand dieser Einheit kann man leicht nachvollziehen, welche Messwerte hier miteinander verbunden werden: W/kg steht für Watt pro Kilogramm. Die Energie (in Watt) wird im Körpergewebe (in Kilogramm) vor allem in Wärme umgewandelt.
Die spezifische Absorptionsrate wird bestimmt, indem man sechs Minuten lang die Erwärmung des Körpergewebes misst und einen Mittelwert bildet. Man geht davon aus, dass nach längerer Zeit ein Gleichgewicht zwischen Wärmezufuhr und -abgabe entsteht.
Die Hersteller von Mobiltelefonen geben als SAR-Wert für die jeweiligen Modelle die Maximalwerte an. In den vergangenen Jahren ist der SAR-Wert von Handys kontinuierlich gesunken.
Entsprechend einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission liegt in Deutschland der Grenzwert für die SAR eines Handys bei 2 W/kg. Das basiert auf einer Leitlinie der Internationalen Kommission zum Schutz vor Nichtionisierender Strahlung (ICNIRP).
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) aus Salzgitter listet auf seiner Website mehr als tausend Mobiltelefone auf. Alle liegen unter dem gesetzlichen SAR-Wert von 2 W/kg. Bei den 1470 aktuell produzierten Handys (Stand Juli 2012) liegen die SAR-Werte laut BfS zwischen 0,102 W/kg und 1,71 W/kg am Kopf bzw. 0,003 W/kg und 1,85 W/kg am Körper. Mehr als ein Drittel der aktuellen Modelle liegen unter 0,6 W/kg und erfüllen demnach das Kriterium für das Umweltzeichen "Blauer Engel".
Dänische Wissenschaftler gaben Ende 2011 weitgehend Entwarnung: Sie konnten in einer Langzeitstudie keinen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und dem Risiko ausmachen, an einem Hirntumor zu erkranken. Für die Untersuchung, die im "British Medical Journal" veröffentlicht wurde, hatte sie die Daten von 358.000 Handy-Nutzern über 18 Jahre hinweg ausgewertet. Ein "leichtes bis mittleres Risiko" könne bei extremen Vieltelefonierern oder Menschen, die bereits seit mehr als 15 Jahren mit dem Handy kommunizieren, aber nicht ausgeschlossen werden.
Auch in der internationalen Interphone-Studie, für die Wissenschaftler Hunderttausende Menschen in ganz Europa beobachtet haben, zeigte sich kein Zusammenhang zwischen Telefoniergewohnheiten und Krebs.
Zum Glück sah ich neulich einen jungen Mann, tätowiert, gebräunt, Bodybuilder-Arme, der sein Telefon wie ein Funkgerät benutzte: Er hielt es vor den Mund, als er sagte: "Ich fahre da jetzt vorbei und checke das ab!" Sein Gesprächspartner krächzte aus dem integrierten Lautsprecher: die Freisprechanlage! Jetzt telefoniere ich auch mit der Walkie-Talkie-Methode. Das ist auf jeden Fall gesünder als das Handy am Ohr zu halten - und sieht immerhin nur nach der Wichtigtuer-Krankheit aus.