Wir machen uns mal frei Superman statt Hodenkrebs

Für Frauen gibt es beim Gynäkologen Programme zur Früherkennung von Brust- und Gebärmutterhalskrebs - aber wer untersucht Männer regelmäßig auf Hodentumoren? Höchste Zeit für mehr Gleichberechtigung und einen Männerarzt, meint Frederik Jötten.
Männergespräch beim Arzt: "Mit der Manneskraft alles okay?"

Männergespräch beim Arzt: "Mit der Manneskraft alles okay?"

Foto: Corbis

Lance Armstrong macht mich fertig. Jedes Mal, wenn ich seinen Namen höre - und das war verdammt oft in letzter Zeit - spüre ich ein Ziehen in meinen Hoden. Wer es schon vergessen hat: Bevor der US-Radprofi zum König der Doper wurde, hatte er Hodenkrebs - mit 28! Eine Erkrankung, die nicht nur einen sehr sensiblen Teil des männlichen Körpers betrifft, sondern auch noch tödlich sein kann.

Ich bin einige Jahre älter als Armstrong, damit voll in der Gefahrenzone. Noch nie hat ein Arzt meine Hoden abgetastet, warum eigentlich nicht? Frauen haben ihren Frauenarzt, der Brust und Gebärmutter regelmäßig auf krankhafte Veränderungen untersucht - und was haben wir Männer? Nichts! Wo bleibt da die Gleichberechtigung? In unseren Geschlechtsteilen könnte also der Krebs wuchern, ohne dass das irgendjemand merken würde! Bei diesem Gedankengang wird aus dem leichten Hodenziehen ein stechender Schmerz. Ich muss schnell zum Arzt und zwar zum Männerarzt. Ich habe mir diese Fachrichtung nicht ausgedacht, es gibt sie wirklich, auch wenn sie nicht sehr bekannt ist. Die Mediziner dieser Sparte nennen sich Andrologen.

Ich suche einen im Internet und vereinbare einen Termin. Bei der Anmeldung habe ich das Gefühl, dass die Sprechstundenhilfen süffisant lächeln. Wahrscheinlich denken sie, dass ich Potenzprobleme habe. Als ich zum Arzt ins Zimmer komme, macht er das mulmige Gefühl gleich wieder wett. Er blickt auf meine Karteikarte, dann mir ins Gesicht. "Guten Tag, stimmt das Geburtsdatum hier?", sagt er. "Sie sehen zehn Jahre jünger aus." Die charmante Begrüßung gehört wohl dazu bei einem Männerarzt, und ich muss sagen: Sie tut mir sehr gut, ich vergesse sogar kurz mein Hodenreißen.

So positiv kann ein Arztbesuch sein

"Womit kann ich Ihnen helfen?", fragt er. "Ich habe da so ein Ziehen im Hoden, ich wollte einfach mal zur Kontrolle kommen", antworte ich. "Immerhin hatte Lance Armstrong in meinem Alter schon Hodenkrebs." Ich ziehe mich aus, er tastet meine Hoden ab. "Alles in Ordnung", sagte er. Ich bin sehr erleichtert. Unvermittelt trifft mich seine nächste Frage: "Mit der Manneskraft alles okay?" Erschreckt antworte ich: "Ja!" Wahrscheinlich zu erschreckt, denn zwei Minuten später, während ich mich für einen Ultraschall der Blase auf die Pritsche lege, fragt er: "Mit der Potenz alles klar?" Langsam kommen mir schon Zweifel, ob bei mir wirklich alles okay ist. "Damit ist alles in Ordnung", sage ich mit betont fester Stimme. Endlich wirkt es, er glaubt mir.

"Ja, Sie sind doch so ein Frauentyp", sagt er. Ich lächle verlegen. Wann macht ein Arzt einem solche Komplimente? Hat er das Gefühl, mich aufbauen zu müssen? Es gibt viele Studien, die beweisen, wie wichtig die Kommunikation des Mediziners mit dem Patienten ist. Zum ersten Mal merke ich, wie positiv ein Arztbesuch sein kann. Kein Gedanke mehr an Hodenkrebs, ich fühle mich auf einmal wie Superman!

Nachdem der Arzt mich mit diesem Hochgefühl ausgestattet hat, nutzt er die Zeit noch für eine unpopuläre Botschaft. "Alles in Ordnung bei Ihnen, trotzdem sollten Sie, gerade in diesen kalten Tagen, ein bisschen auf Ihr Urogenitalsystem aufpassen", sagt er. "Auch wenn das in Ihrer Generation nicht sehr beliebt ist: Ziehen Sie lange Unterhosen an, man verkühlt sich schnell die Blase - da sind wir Männer empfindlich." Auf dem Nachhauseweg wundere ich mich, dass mich, Superman, statt zehn Frauen nicht eine einzige anspricht. Aber vielleicht fehlen mir dafür einfach die langen Unterhosen.

Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter
Foto: Corbis

Wie entdecken Ärzte eine falsch eingenistete Eizelle?Welche Gefahren drohen?Was kann man tun?

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