Golferleiden Yips Rätselhafter Schluckauf beim Putten

Putten: Die Ursachen des Yips-Syndroms sind noch nicht genau geklärt
Foto: MARWAN NAAMANI/ AFPBernhard Langer konnte einem leidtun. Der deutsche Golfer stand auf dem Grün, die kleine weiße Kugel lag vielleicht einen knappen Meter vom 17. Loch entfernt. Normalerweise hätte ein Profi mit Langers Qualitäten aus dieser Distanz selbst mit einem Vorschlaghammer locker eingelocht.
Diesmal aber brauchte er fünf Schläge aus kürzester Distanz, dann erst lag der Ball im Loch. In diesem Augenblick wusste er: Das rätselhafte Zucken ist zurück.
Was 1988 bei den British Open in seinem Körper genau passierte, ist bis heute ein Rätsel. Fest steht nur, dass er wieder unter Yips litt - einem merkwürdigen Schluckauf in der Feinmotorik, den er zuvor schon einmal überwunden hatte. "In meiner ganzen Karriere habe ich versucht, dieses Problem unter Kontrolle zu bekommen. Oft dachte ich ans Aufhören", zitiert thegoal.com Langer .
Das Fehlschlag-Syndrom
Die rätselhaften Probleme trieben nicht nur Langer zur Verzweiflung. Der dreifache Major-Sieger Tommy Armour musste seine Laufbahn aufgrund des Leidens beenden, er prägte auch den Begriff - Yips. Die körperlichen Aussetzer entstehen bei besonders geführten und kontrollierten Bewegungen, die Symptome reichen vom Krampf bis zum Zittern: Beim Freezing etwa kann der Spieler nicht mehr mit seinem Schläger ausholen. Beim Jerk gibt er dem Ball im Treffmoment oder kurz davor ruckartig eine zu hohe Beschleunigung mit auf den Weg. Auch das Zittern der Hand ist ein Symptom.
Forscher dachten lange, dass Yips vor allem bei erfahrenen, leistungsstarken Spielern auftritt. Heute wissen sie es besser: "Circa 35 bis 40 Prozent der deutschen Golfer sind betroffen", sagt Babett Lobinger von der Deutschen Sporthochschule in Köln, die Yips in einer dreijährigen Studie untersucht hat. Auch bei anderen Präzisionssportarten wie Snooker, Dart, Tischtennis oder Sportschießen treten die Probleme auf.
Psychische Ursache in Verdacht
Was zu Yips führt, ist nicht im Detail erforscht. Wissenschaftler gehen in einigen wenigen Fällen von einer neurologischen Ursache aus, einer sogenannten fokalen Dystonie. Bei den meisten Betroffenen aber vermuten sie psychische Auslöser, neuerdings werden auch motorische Ursachen angenommen.
Unter Wettkampfbedingungen ist aus vielen Sportarten bekannt, dass Sportler hochgradig eingeübte Bewegungen nicht mehr fehlerfrei abrufen können. Experten sprechen von "Choking under Pressure". Der Sportler zweifelt plötzlich an seinem Können oder hat Angst vorm Gewinnen. "Der Druck kann durch finanzielle Aspekte wie das Preisgeld oder auch das Prestige entstehen, das mit einem erfolgreichen Schlag verbunden ist", sagt Lobinger.
Die Psychologin und Sportwissenschaftlerin vermutet außerdem, dass Bewegungsmuster aus anderen Schlägersportarten mit Bewegungen im Golf kollidieren können. Wer früher Tennis oder Hockey gespielt hat, kann demnach Probleme bekommen, weil die ähnlichen Bewegungsabläufe seinen Körper verwirren.
"Vermutlich ist es bei einem Großteil der Yipper eine Mischung aus psychologischer und motorischer Ursache", sagt Lobinger. "Das ist ein Teufelskreis: Wenn man erst mal Yips hat, kommt die psychische Komponente dazu. Wenn ein Golfer weiß, dass er plötzlich schlecht puttet, setzt ihn das natürlich unter Druck."
"Ziel ist es, den Sportler zu entspannen"
Yippern kann geholfen werden. Viele Profis bekämpfen die Beschwerden mit speziellen Grifftechniken oder verwenden einen Besenstiel-Putter, einen Schläger mit sehr langem Schaft. Auch Langer überwand die Störung mit neuer Technik und neuem Schläger. Anderen helfen spezielle Atemtechniken und progressive Muskelentspannung.
"Yips kann man auch wieder abtrainieren", sagt Bernd Gerland, der das Phänomen erforscht und ein Interventionstraining für Betroffene anbietet. Für jeden Yipper sucht er so lange nach einer Übung, bis dieser nicht mehr zuckt. Dabei müssen die Betroffenen zum Beispiel gegen einen am Boden fixierten Ball putten, häufig stimmt dann die Bewegung.
"Es geht darum, die Bedingungen zu verfremden", sagt Gerland. "Wenn der Golfer das Putten unter völlig anderen Voraussetzungen plötzlich richtig macht, merkt er, dass er es doch noch kann." Bis sich die Beschwerden legen, vergehen nach seinen Erfahrungen etwa drei Monate.
Yips ist ein Tabuthema
Trotz der weiten Verbreitung sei Yips noch immer ein Tabuthema, sagt Lobinger. Interviews der Deutschen Sporthochschule mit Yips-Geschädigten ergaben, dass viele Angst vorm Putten haben und die Störung ihr Selbstvertrauen stark gesenkt hat.
Darüber reden wollen nur wenige - zu groß ist offenbar die Angst, mit psychischen Problemen in Verbindung gebracht zu werden. Das gilt vermutlich auch für Profis. Bernhard Langer, der immer noch als Golfer aktiv ist, wollte sich für ein Interview mit SPIEGEL ONLINE jedenfalls keine Zeit nehmen.
Was passiert bei einer fokalen Dystonie?Was sind die Ursachen und wie häufig kommt sie vor?Wie sieht die Therapie aus?