Kieferbeschwerden Was gegen Zähneknirschen hilft

Viele Menschen knirschen nachts mit den Zähnen, die Folgen machen sich tagsüber bemerkbar: Verspannungen, Kopfschmerz oder sogar Tinnitus. Ist das Mahlen als Ursache erkannt, gibt es gute Therapiemöglichkeiten.
Termin beim Zahnarzt: Knirschen hinterlässt deutliche Schäden am Gebiss

Termin beim Zahnarzt: Knirschen hinterlässt deutliche Schäden am Gebiss

Foto: TMN/ Markus Scholz

"Ich bin oft morgens mit verkrampftem Kiefer und Nacken und häufig auch mit Kopfschmerzen aufgewacht", erinnert sich Christine Vogel, die viele Jahre nachts mit den Zähnen geknirscht hat. Nach Angaben der Bundesärztekammer mahlt jeder zehnte Deutsche so sehr im Schlaf mit seinen Zähnen, dass er zum Arzt geht.

Beim Knirschen beißt man unbewusst mit den Zähnen hin und her. Andere beißen im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne zusammen, pressen mit der Zunge gegen die Zahnreihen oder saugen ihre Wangen ein und beißen auf den Innenseiten herum.

All das hinterlässt Spuren: "Die Zähne werden kürzer, es gibt kein Fissurenrelief mehr, die oberste Schicht wird auf Dauer weggerieben", sagt Thomas Wolf vom Bundesvorstand des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte in Bonn. Wenn die oberste Schicht weggeschmirgelt ist, liegt das Dentin frei. Darin sind Nervenweiterleitungen, so dass die Zähne immer empfindlicher werden. "Je mehr man knirscht oder presst, desto mehr nähert man sich dem Nerv", ergänzt Wolf. Im schlimmsten Fall kann sich der Kieferknochen verändern, die Zähne können sich lockern - und ausfallen. Wer die Zähne aufeinanderpresst, kann sie zerbröseln.

Sowohl Knirschen als auch Pressen geschieht mit einem hohen Druck, wodurch die Muskulatur im Gesicht - vor allem im Kiefer - aber auch im Nacken, in der Schulter bis weiter den Rücken hinunter verhärtet. "Der Kiefermuskel ist einer der stärksten Muskeln im Körper", sagt Dagmar Schlaubitz vom Deutschen Verband für Physiotherapie. Sie hat sich auf die Behandlung von Zähneknirschern und -pressern spezialisiert.

Durch die verhärteten Muskeln kommt es oft zu Kopfschmerzen, zu Tinnitus und Sichtfeldeinschränkungen. Nicht zuletzt bekommen Betroffene den Mund nur mit Schmerzen und Knacken weiter geöffnet, das Kiefergelenk wird geschädigt.

Die Ursache kann eine Zahn- oder Kieferfehlstellung sein, etwa wenn das Kiefergelenk nicht richtig steht, so Wolf. "Auch kann ein ungleiches Verhältnis der Muskeln und Bänder vorliegen, zum Beispiel, wenn man immer nur auf einer Seite kaut."

Oft hat das Knirschen mit den Lebensumständen zu tun: Wer privat und beruflich unter Stress steht, knirscht eher.

Was gegen das Knirschen hilft

Um die Zähne zu schützen, lässt der Zahnarzt eine Aufbissschiene anfertigen. "Es gibt auch spezielle Schienen, die die Schiefstellung vom Kiefergelenk korrigieren oder es besser positionieren", erklärt Wolf. "Die Schienen sollten alle halbe Jahr überprüft werden."

Physiotherapie ist geeignet, die akuten Schmerzen zu lindern. "Es geht zunächst darum, die Spannung herauszuholen und den Muskel zu lockern", sagt Schlaubitz. Doch die Ursache ist damit nicht behoben. Jeder Zähneknirscher oder -presser braucht auf Dauer Möglichkeiten zum Abschalten und Loslassen.

Außerdem sollte man seine Wahrnehmung schärfen und beobachten, wann auch tagsüber die Zähne aufeinanderliegen. Eigentlich haben Zähne nur beim Essen miteinander Kontakt. Im entspannten Zustand nie.

Wolf behandelt seine Patienten mit der Hypnotherapie, also Hypnose. "Es geht darum, zu sehen, wann es mit dem Knirschen losging und was zu der Zeit im Leben passiert ist", so der Zahnarzt. Vielen hilft auch der Austausch mit einem Psychotherapeuten.

"Man glaubt ja gar nicht, wie gut wir Knirscher verdrängen können", stellt Christine Vogel fest. "In unangenehmen Situationen sagte ich mir 'Das macht doch nichts-#, aber eigentlich war ich sauer, aufgewühlt, wütend, gab es aber vor mir selbst nicht zu."

Mehrmals am Tag sollte man sich die Frage stellen, wie es einem gerade geht, um Gefühle wahrzunehmen statt sie zu verdrängen, rät Vogel. Ebenso hilft es herausfinden, was einen wann unter Druck setzt. "Dann muss man einen Weg finden, mit den Situationen oder Menschen anders umzugehen. Bloß nicht weiter runterschlucken."

Auch mit einigen einfachen Übungen kann man dem Knirschen etwas entgegensetzen. Beispielsweise hilft es, den Mund mehrmals am Tag weit zu öffnen und damit die Muskulatur zu dehnen. Schlaubitz empfiehlt, sich Übungen vom Physiotherapeuten zeigen zu lassen, um die Muskulatur zu dehnen und zu kräftigen.

Je eher sich jemand, der sich mit verspanntem Nacken und Kopfweh plagt, an einen Zahnarzt wendet, desto besser. Christine Vogel knirscht heute noch bei extremer Belastung und setzt dann ihre Beißschiene ein. "Beschwerden wie Tinnitus, Kopf- und Nackenschmerzen und schlechter Schlaf sind bei mir verschwunden."

Alexandra Bülow, dpa

Mehr lesen über

Verwandte Artikel

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten