Tropisches Virus Warum wir uns wegen Zika keine Sorge machen müssen

Aedes Mücke: Überträger des Virus
Foto: MARVIN RECINOS/ AFP
Aedes Mücke: Überträger des Virus
Foto: MARVIN RECINOS/ AFPFür die meisten Menschen ist es harmlos - aber Schwangere müssen aufpassen. Denn das Zika-Virus steht im Verdacht, bei Neugeborenen eine Schädeldeformation zu verursachen, die oft mit geistigen Entwicklungsstörungen verbunden ist, die sogenannte Mikrozephalie. Von Brasilien ausgehend hat sich das Virus sehr schnell in Süd- und Mittelamerika ausgebreitet.
Dennoch sehen Experten für Deutschland nahezu keine Gefahr - obwohl eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Freitag offiziell fünf Fälle bestätigt hat.
"Das Zika-Virus wird sich nicht in Deutschland ansiedeln", sagt der Bonner Virologe Christian Drosten von der Gesellschaft für Virologie (GfV). Es gebe derzeit "keinerlei Anzeichen" dafür, dass das Virus künftig über in Deutschland vorkommende Moskitos übertragen werden könnte. Die wenigen hierzulande bekannten Zika-Infektionen wurden alle eingeschleppt. "Wären die Bedingungen in Deutschland ganzjährig gegeben, wäre Deutschland längst ein Verbreitungsgebiet des Dengue-Fiebers, das sich seit Jahren sehr viel stärker ausbreitet als das Zika-Virus", erklärte der GfV-Experte Drosten.
Ähnlich hatten sich zuvor bereits das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) und Tropenmediziner geäußert, die die Gefahr für Deutschland als gering einschätzen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin (DTG) und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg erwarten keine Verbreitung des Virus durch eingeschleppte Fälle in Deutschland.
Zika-Viren nutzen wie die Erreger des Denguefiebers die Mückenart Aedes aegypti, um sich zu verbreiten. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Die sogenannte Gelbfiebermücke kommt in Deutschland gar nicht vor. Eine weitere, mögliche Überträgerin, die Asiatische Tigermücke, gibt es nur sehr punktuell in Süddeutschland.
Das RKI hält die Wahrscheinlichkeit von in Deutschland erworbenen Zikavirus-Infektionen ebenfalls für sehr gering. Dass infizierte Patienten und die Asiatische Tigermücke aufeinandertreffen und das Virus dadurch übertragen wird, sei prinzipiell denkbar, aber auch im Sommer statistisch unwahrscheinlich, erklärte RKI-Experte Klaus Stark.
Diese Situation könnte sich theoretisch in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten ändern, wenn sich die Asiatische Tigermücke flächendeckend in Süddeutschland ausbreite und zugleich mehr Zikavirus-Infektionen importiert würden, fügte Stark hinzu.
Drei bis vier Millionen Kranke
Das besonders für Ungeborene während der Schwangerschaft gefährliche Virus grassiert derzeit vor allem in Südamerika - Brasilien ist mit über eine halbe Million Infektionen bislang am stärksten betroffen. 4180 Fälle von Schädelfehlbildungen (Mikrozephalie) wurden dort gezählt. 68 Babys starben bisher.
Inzwischen wurde es auch in mindestens sieben europäischen Ländern diagnostiziert. Reisende, die binnen drei Wochen nach der Rückkehr aus einem von Zika betroffenen Land Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen oder Hautrötungen feststellen, sollten laut RKI einen Arzt aufsuchen und auf die Reise hinweisen. Ein Bluttest kann dann definitiven Aufschluss geben.
Am Montag will die Weltgesundheitsorganisatin (WHO) in einer Dringlichkeitssitzung entscheiden, ob die Ausbreitung des Virus zum internationalen Gesundheitsnotfall erklärt wird. Die WHO geht davon aus, dass der Erreger in den kommenden Monaten drei bis vier Millionen Menschen in Süd- und Mittelamerika infizieren könnte.
Das Virus führt bei etwa 20 Prozent der Infizierten zu grippeähnlichen Symptomen und ist normalerweise nicht tödlich. Schwangere können die Erkrankung aber auf ihre ungeborenen Kinder übertragen, bei denen es zu den gefährlichen Fehlbildungen führen kann.
Der wissenschaftliche Beweis steht zwar noch aus, aber ein Zusammenhang gilt als sehr wahrscheinlich. Bislang gibt es keinen Impfstoff gegen das Virus und kein Medikament zur Behandlung Erkrankter.
Allerdings wird zumindest an einer Impfung gearbeitet. Laut dem kanadischen Forscher Gary Kobinger könnte ein Mittel, an dem er zusammen mit einigen Kollegen forscht, bereits im Oktober oder November in einer experimentellen Phase für Notfälle eingesetzt werden - ähnlich, wie es auch bei Ebola gemacht wurde.
Wann das Mittel marktfähig sein könnte und in welcher Testphase es derzeit sei, sagt Kobinger, der schon an der Entwicklung eines Ebola-Impfstoffs in Guinea beteiligt war, allerdings nicht.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Die Brasilianerin Angelica Pereira und ihr Partner mit Tochter Luiza: Das Kind wurde im Oktober im Nordosten Brasiliens geboren - mit einem viel zu kleinen Schädel.
Dejailson Arruda, der Vater von Luiza, hält seine kleine Tochter im Arm. Das Kind leidet unter einer sogenannten Mikrozephalie.
Luiza wurde mit einem Kopfumfang von 29 Zentimetern geboren. Das Maß liegt drei Zentimeter unter dem, was Ärzte als gesund bezeichnen.
Der Grund für die Mikrozephalie könnte ein Mückenstich sein, durch den sich Luizas Mutter mit dem Zika-Virus angesteckt hat. Viele Mediziner sind inzwischen davon überzeugt, dass das Virus eine Mikrozephalie auslöst, wissenschaftlich bewiesen ist das aber nicht.
"Mein Herz hörte fast auf zu schlagen", sagte Angelica Pereira über den Augenblick, als sie von der Diagnose erfahren hat. "Ich dachte sofort an all die Diskriminierungen, die die Kleine im Laufe ihres Lebens würde über sich ergehen lassen müssen."
Der Kopfumfang des Kindes wird von einem Neurologen im Mestre Vitalino Hospital in Caruaru gemessen.
Noch ist nicht sicher, ob Zika der Auslöser für Mikrozephalie ist: "Die aktuellen Daten lassen noch keinen eindeutigen Schluss zu, dass es eine Beziehung zwischen der Zika-Infektion und Mikrozephalie gibt", teilte das Gesundheitsministerium kürzlich mit.
Angelica Pereira hält ihre kleine Tochter im Arm. Die frühe Schädigung des Gehirns führt dazu, dass der Säugling Bewegungsstörungen hat.
Plastikmüll liegt in Santa Cruz do Capibaribe auf dem Boden - in der Region wurden viele Zika-Fälle dokumentiert.
Ägyptische Tigermücke: Sie überträgt das Dengue- und das Chikungunya-Virus - und vermutlich auch Zika-Viren.
Auch dieser Junge (r.) ist von Mikrozephalie betroffen: der zwei Monate alte Jose Wesley. Die Fälle haben in Brasilien stark zugenommen. Im vergangenen Jahr wurden in dem Land bereits mehr als 2700 Kinder mit Mikrozephalie geboren, 2014 waren es nur 150.
Elison, der große Bruder von Jose Wesley, kümmert sich um den Säugling. Oft haben Kinder mit einer Mikrozephalie auch geistige Behinderungen.
Der Zehnjährige trägt seinen kleinen Bruder: Die Jungen leben in Poco Fundo im Bundesstaat Pernambuco.
Ein Moskitonetz soll den Kleinen vor Stichen schützen. Wesleys Mutter Solange Ferreira hatte vor der Geburt ihres Sohne nie von Mikrozephalie gehört.
Jose Wesley beim Baden: Die Diagnose wurde bei dem Kind einige Tage nach seiner Geburt gestellt. Die Mutter sagt, der Kleine liebe Wasser. Um ihn zu beruhigen, bade sie ihn mehrmals am Tag.