Fotostrecke

Zwiebel: Gemüse mit Geschichte

Foto: dapd

Omas Geheimtipp Zwiebeltee als Wundermittel gegen Erkältungen?

Meine Oma hat mich immer gezwungen, Zwiebeltee zu trinken, wenn ich erkältet war. Meistens hat schon die Androhung geholfen. Das Zeug schmeckt grauslich. Aber soweit ich weiß, wirkt es tatsächlich antibakteriell - oder? Fragt Sophie Stiegler aus Köln.

Zwiebeln haben heute, in Zeiten von Smoothies und Sushi, einen wahrlich schlechten Ruf. Stinkig ist ihr Image, rustikal, selbst der Döner in der Mittagpause sollte lieber ohne sein, der Salat mit der geräucherten Putenbrust sowieso. Den Zwiebeltee trinkt nur die Oma. Verkennt die moderne Gesellschaft ein Wundermittel?

Ein wenig wohl schon. Die Zwiebel ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt. Als erstes züchteten die Menschen vermutlich in Pakistan, Afghanistan und dem Iran die Pflanze, in China wurde sie vor etwa 5.000 Jahren kultiviert. Auch die alten Ägypter wussten das Gemüse zu schätzen.

Eine Inschrift auf der Pyramide von Gizeh zeigt, dass die Arbeiter, nachdem sie beim Bau der Pyramide geschwitzt und gerackert hatten, Knoblauch- und Zwiebelrationen erhielten. Das Gemüse sollte ihren Körper stärken und sie vor Infektionskrankheiten schützen. Selbst Tutanchamun bekam für seine Reise ins Jenseits eine Portion Zwiebeln mit ins Grab.

Was die alten Ägypter über die Wirkung der Zwiebel nur vermuten konnten, lässt sich heute im Labor genau analysieren. "Zwiebeln und ihre Verwandten im Gemüsegarten, der Knoblauch zum Beispiel, enthalten viele schwefelhaltige Verbindungen", sagt Claus Jacob, der als Professor für Bioorganische Chemie an der Universität des Saarlandes die Wirkung von pflanzlichen Inhaltsstoffen auf die Gesundheit erforscht.

Anzeige

Irene Berres, Julia Merlot:
Mythos oder Medizin

Brauchen Wunden Luft oder Pflaster? Schadet es, mit den Fingern zu knacken? Ist es gefährlich, Nieser zu unterdrücken? Die spannendsten Fragen und Antworten aus der beliebten Kolumne.

Heyne Verlag; 224 Seiten; 8,99 Euro.

Buch bei Amazon: Irene Berres, Julia Merlot "Mythos oder Medizin" Buch bei Amazon: Irene Berres, Julia Merlot "Mythos oder Medizin" (KINDLE) 

Zwiebel-Abwehrstoffe vertreiben Bakterien

Die schwefelhaltigen Verbindungen sind es, die das Gemüse so stinkig machen. Sie sind es aber auch, die Bakterien und andere Plagegeister vertreiben können. "Die Pflanzen haben diese Stoffe über Jahrmillionen als Abwehr gegen Krankheitserreger entwickelt", sagt Jacob. In der Zeit rüsteten sie sich dafür, gewisse Bakterien, Mikroben und Viren zu zerstören, und so manche gefährlichen Angreifer zu verscheuchen.

Hatte Oma also recht? Macht eine Zwiebel-Diät gesund? Diese Frage können Wissenschaftler noch nicht so eindeutig beantworten. Zwar ist es mittlerweile möglich, die Zwiebel-Verbindungen im Labor konzentriert herzustellen. Auch konnten Forscher bei Versuchen mit Bakterienkulturen zeigen, dass die Substanzen manche Erreger effektiv bekämpfen.

Ihr Potential als Erkältungsmittelchen lässt sich daraus jedoch nicht direkt ableiten. "Der Körper ist kein Reagenzglas", sagt Jacob. Möglicherweise werden die Stoffe nach dem Zwiebelgenuss so schnell abgebaut, dass sie nicht wirken können. Oder sie gelangen nicht an jene Stellen im Körper, an denen die Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger sitzen.

In dieser Hinsicht hat die Zwiebel - zumindest was Erkältungen betrifft - einen Vorteil: Der Mensch scheidet ihre schwefelhaltigen Verbindungen nicht über die Verdauung aus, sondern über den Atem. Auf dem Weg passieren die Abbauprodukte Lunge und Bronchien. "Gut möglich, dass dann auch das ein oder andere Bakterium stirbt und die Schleimhäute ein wenig abschwellen", sagt Jacob.

Knoblauch wirkt mindestens genau so gut

Den Zwiebeltee (einfach hergestellt aus in Wasser gekochten Küchenzwiebeln) möchte er trotzdem nicht in größeren Mengen empfehlen: "Wer gerne ab und zu ein oder zwei Tassen trinken möchte, kann das ohne Bedenken tun. Ein paar Studien haben jedoch gezeigt, dass der stetige Konsum von größeren Mengen an rohen Zwiebeln die Speiseröhre und Magenschleimhaut reizen kann."

Wer nur auf die Atemwirkung aus ist, muss auch nicht den grauslichen Tee herunterspülen. Eine rohe Zwiebel im Salat schmecke nicht nur besser, sondern erziele auch einen vergleichbaren Effekt, erzählt Jacob - der sowieso eher Knoblauchfan ist: "Knoblauch ist nicht so wässrig, seine Inhaltsstoffe sind viel facettenreicher."

Um die Wirkung zu optimieren, rät der Forscher dazu, die Mahlzeit mit ein wenig Fett zu verbinden. "Das saugt die Wirkstoffe auf und transportiert sie besser in den Körper", sagt er. Ein Stück Brot mit Butter, Petersilie und ein bisschen frischem Knoblauch, darauf ein paar Tropfen Maggi-Würze, das sei doch etwas Feines. Nur der Disco-Besuch sollte dann lieber ausfallen.

Fazit: Ein Wundermittel ist Zwiebeltee wohl nicht, das ein oder andere Bakterium kann er aber schon abtöten. Achtung: Nebenwirkung Mundgeruch!

irb
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten