Neue Acrylamid-Richtlinien EU verbietet starkes Frittieren von Pommes

Nur goldgelbe Pommes und Brot mit heller Kruste: Ab Mittwoch müssen Restaurants und Imbisse neue EU-Richtlinien zu Acrylamid einhalten. Auch zu Hause soll schonender frittiert werden.
Pommes Frites sind im "Profi-Grill" von Raimund Ostendorp

Pommes Frites sind im "Profi-Grill" von Raimund Ostendorp

Foto: Ina Fassbender/ dpa

Lebensmittelhersteller sowie Restaurants und Imbissbetriebe müssen ab Mittwoch neue EU-Regeln zur Eindämmung von Acrylamid einhalten. Die Vorgaben sehen unter anderem vor, Pommes nicht übermäßig zu frittieren und Brot möglichst hell zu backen. Zudem müssen Produkte wie Fertigpommes künftig bereits so hergestellt werden, dass bei ihrer Zubereitung so wenig Acrylamid wie möglich entsteht.

Acrylamid gilt als krebserregend. Der Stoff bildet sich, wenn man stärkehaltige Lebensmittel stark erhitzt, also zum Beispiel beim Frittieren von Kartoffeln, beim Backen von Keksen, Brot oder Kuchen und beim Rösten von Kaffee. Die Entstehung ist Teil der sogenannten Maillard-Reaktion, die Lebensmittel bräunt - ihnen aber auch ihren typischen Geschmack verleiht und sie knusprig macht.

Die neuen Regeln wurden im vergangenen Jahr beschlossen, weil freiwillige Maßnahmen von Industrie und Gastronomie nicht den erhofften Erfolg gebracht hatten. Ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte zuvor bestätigt, dass Acrylamid in Lebensmitteln das Krebsrisiko potenziell erhöht. Die neue EU-Verordnung  ist bereits am 11. Dezember in Kraft getreten. Nach einer viermonatigen Übergangsfrist wird sie jetzt verbindlich.

Was soll sich bei der Zubereitung von Pommes und Brot genau ändern?

Es gibt kleine Stellschrauben, um die Entstehung von Acrylamid zu drosseln: weniger Zucker im Rohprodukt, möglichst wenig Hitze, möglichst geringe Bräunung. Die Brüsseler Behörde macht den Nahrungsmittelherstellern aus diesem Grund nun genaue Vorgaben für die Verarbeitung der betroffenen Lebensmittel.

So will die Kommission unter anderem, dass Kartoffelsorten mit wenig Stärke zum Einsatz kommen. Vor der Verarbeitung müssen die Kartoffeln demnach bei Temperaturen von mehr als sechs Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit gelagert werden, um "ein Süßwerden der Kartoffeln infolge Alterung auf ein Mindestmaß zu begrenzen". Geht es schließlich ans Frittieren, sollte die Temperatur laut Verordnung 168 Grad möglichst nicht überschreiten.

Trotzdem müssen sich Pommesliebhaber keine Sorgen machen, dass die Fritten in Zukunft nur noch labbrig und blass in die Tüte kommen. Wer bis jetzt auf die Qualität seiner Ware geachtet hat, der müsse eigentlich nichts ändern, glaubt Raimund Ostendorp, der in Wattenscheid den "Profi-Grill" betreibt. Und dennoch wisse auch er, dass es auf dem Markt Kollegen gebe, die viel zu heiß und mit altem Fett frittieren.

"Es gibt genügend Imbisse, an denen die Vorgaben bislang nicht so genau befolgt wurden", sagt auch Armin Valet, Sprecher für den Bereich Ernährung und Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Gegen die gebe es jetzt eine bessere Handhabe. "Für Behörden war es bisher schwierig einzugreifen. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr", sagt Valet.

Wer wird die Einhaltung der Regelung überprüfen?

Die Überprüfung ist Aufgabe der deutschen Behörden. Die Kontrolle vor Ort übernehmen dabei in der Regel die lokalen Lebensmittelüberwachungs- oder Veterinärämter. "Proben ziehen" werde man, erklärt Manfred Woller, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands für Lebensmittelkontrolleure. Das heißt: Das Kontrollpersonal bringt Pommes aus den Buden ins Labor. Dort wird der Acrylamidgehalt bestimmt.

"Wenn es daraus Beanstandungen gibt, wird nach Ursachen gesucht", so Woller. Hat der Koch etwa das Fett nicht oft genug gewechselt? Oder gibt er zu viel Hitze an die Kartoffeln? "Dann wird darauf gedrängt, die Verfahrensweise umzustellen", sagt Woller. Folgeproben seien in solchen Fällen selbstverständlich. Halten sich Unternehmen nicht an die Regeln, können ihre Produkte aus dem Verkehr gezogen werden.

Wie schätzen Verbraucherschützer die neuen Regelungen ein?

Für die Verbraucherzentrale könnte die Verordnung ruhig noch weiter gehen. So enthält die neue Regelung beispielsweise keine rechtlich verbindlichen Obergrenzen für den Acrylamidgehalt, sondern nur Richtwerte. Gesundheitsexperten wie der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sind trotzdem zufrieden mit dem Ergebnis. Wichtig sei aber, die Bürger auch besser aufzuklären, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion. "Ein großer Teil der Acrylamidbelastung entsteht durch selbst zubereitete Speisen."

Wer bei der Zubereitung von Toast, Pommes oder Bratkartoffeln bestimmte Regeln beachte, könne auch selbst etwas für seine Gesundheit tun. Über diese soll der Verbraucher der EU-Verordnung zufolge auf Produkten wie Aufbackbrötchen oder Tiefkühlfritten deutlich sichtbar informiert werden. Bräunungstabellen etwa können einen Maßstab bieten, wie etwa ein Aufbackbrötchen aussehen sollten.

Was können Verbraucher selbst beachten?

Zu den von der EU geforderten Informationen zählen unter anderem:

  • Die Fritteuse auf die empfohlene Temperatur vorheizen, um die Garzeit zu reduzieren.
  • Kartoffeln nur backen, braten oder frittieren, bis sie eine goldgelbe Farbe aufweisen.
  • Ofenerzeugnisse nach zehn Minuten oder der Hälfte der gesamten Backzeit wenden.
  • Bei Zubereitungen kleinerer Kartoffelmengen als auf der Packung angegeben die Zubereitungszeit verringern.
  • Den Frittierkorb nicht überfüllen, damit die Kartoffeln bei einer längeren Frittierzeit nicht übermäßig viel Öl aufnehmen.

Der Verbraucherzentrale zufolge ist es zudem mit Blick auf die Entstehung von Acrylamid grundsätzlich besser, Pommes zu frittieren, als sie im Backofen zu brutzeln.

Im Video: Lebensmittel auf dem Prüfstand

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irb/dpa
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