Diskussion über Kalorienangaben Dickmacher Alkohol

Spirituosen: Bislang sind Kalorienangaben auf den Flaschen nicht verpflichtend
Foto: Bodo Marks/ dpaWein, Bier und Cocktails sind deutlich energiereicher, als es vielen Konsumenten bewusst ist. Regelmäßiger Alkoholkonsum kann daher zu Übergewicht beitragen.
Europa-Parlamentarier fordern daher, Verbraucher besser über Alkohol als Dickmacher zu informieren: Bei alkoholischen Getränken soll künftig eine Kalorienangabe auf der Verpackung stehen. In einer Entschließung forderten die Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg die EU-Kommission auf, eine entsprechende Strategie gegen Alkoholmissbrauch zu erarbeiten.
An die EU-Staaten appellierten die Abgeordneten, nationale Vorschriften zur Unterbindung des Verkaufs von "sehr günstigem Alkohol" zu überprüfen. Dies zielt nach Angaben eines Fraktionssprechers vor allem auf Lockangebote in Bars oder auf Werbeaktionen wie "Wodka zum halben Preis" ab, die gerade Jugendliche anlocken können.
Entgegen den Berichten einiger Medien verlangt das Parlament aber keine Mindestpreise für Alkohol. Auch die Forderung einiger Abgeordneter, EU-weit ein Mindestalter von 18 Jahren für den Konsum alkoholischer Getränke vorzuschreiben, fand keine Mehrheit. Dies zu regeln sei Sache der einzelnen Staaten, sagte der CDU-Abgeordnete Peter Liese.
Alkohol weist einen hohen Energiegehalt auf. Mit etwa sieben Kilokalorien pro Gramm liege er in der Nähe von Fett (neun Kilokalorien/Gramm), sagt der Ernährungsexperte Andreas Pfeiffer von der Berliner Charité. Man müsse kein Alkoholiker sein, um zusätzlich zur Nahrung eine relevante Menge an Kalorien über Wein, Bier oder Schnaps aufzunehmen.
Mehr Gewicht, größerer Taillenumfang
Wie sich der Konsum von zwei Gläsern täglich auswirkt, haben Forscher in einer groß angelegten Studie 2011 untersucht: Bei Männern begünstigte er ein höheres Körpergewicht. Zudem wurde bei beiden Geschlechtern ein größerer Taillenumfang gemessen. "Wer mehr Bier trank, hatte einen dickeren Bauch", sagte die Erstautorin, Manuela Bergmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Der Zusammenhang zeigte sich etwas schwächer auch bei Weintrinkern.
KALORIEN IN ALKOHOLISCHEN GETRÄNKEN
1 Glas Bier 0,3 l | 129 kcal |
1 Glas Hefeweizen 0,5 l | 215 kcal |
1 Flasche Radler 0,33 l | 112 kcal |
1 Glas alkoholfreies Bier 0,3 l | 75 kcal |
1 Glas Rotwein à 0,2 l | 134 kcal |
1 Glas Weißwein à 0,2 l | 120 kcal |
1 Glas Sekt à 0,2 l | 160 kcal |
1 Glas Prosecco à 0,2 l | 166 kcal |
1 Glas Wodka à 0,02 l | 43 kcal |
1 Glas Kräuterlikör à 0,04 l | 100 kcal |
1 Glas Caipirinha à 0,3 l | 322 kcal |
1 Glas Gin-Tonic à 0,2 l | 140 kcal |
Ist es allein der Energiegehalt des Alkohols selbst, der dick macht? Endgültig geklärt ist das nicht, wie Bergmann sagt. Alkohol wirke appetitanregend und enthemmend. Zudem wird Alkohol im Körper als erstes abgebaut, vor allem in der Leber: Wegen dieser Entgiftung und Einflüssen auf den Fettstoffwechsel könnte etwa mit der Nahrung aufgenommene Energie anders verarbeitet werden, vermutet Bergmann.
Nicht zuletzt beobachteten Wissenschaftler einen veränderten Hormonspiegel, der womöglich die Verteilung von Fett am Körper beeinflusst: In ihrer Studie dokumentierte Bergmann, dass Alkohol konsumierende Teilnehmerinnen eine für ihr Geschlecht eher stärkere Taille im Verhältnis zur Hüfte hatten.
Alkohol an sich erhöht das Risiko für bestimmte Krebsarten und mit Fett im Oberbauch steigt das Risiko für viele andere Erkrankungen.
Die Forscherin fürchtet, dass sich mit der Kennzeichnung die Wahrnehmung von Bier, Wein und anderen alkoholischen Getränken ändern könnte: "Mit einer Kalorienangabe würden alkoholische Getränke in eine Reihe mit Lebensmitteln gestellt." Gesundheitlich bedeutsamer sei die Angabe des Alkoholgehalts.
Informationsplus für Verbraucher
Immerhin ein Informationsplus für Verbraucher sieht der Mediziner Manfred Singer: "In Hinblick auf Fettleibigkeit unterschätzen viele den Einfluss von Alkohol", sagte er. "Für kalorienbewusste Verbraucher kann die Kennzeichnung sinnvoll sein", glaubt auch Mediziner Pfeiffer. "Man sollte aber nicht erwarten, dass Menschen dadurch abnehmen." Diesen Effekt habe auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln nicht gehabt.
Bei der Kennzeichnung von Nahrungsmitteln sieht auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch trotz EU-Verordnungen noch Lücken. Entscheidende Infos fehlten, sagte ein Sprecher. Nährwertangaben auf der Vorderseite von Verpackungen stehen in der Kritik, weil dafür unrealistisch kleine Portionen berechnet würden. Zur Kennzeichnung von alkoholischen Getränken hat die Organisation noch nicht Stellung bezogen.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2014 wird in Europa und vor allem in Deutschland besonders viel Alkohol getrunken: 11,8 Liter reinen Alkohol trinkt demnach jeder über- 14-Jährige in Deutschland pro Jahr. Suchtexperten führen dies unter anderem auf die günstigen Preise und die Verfügbarkeit rund um die Uhr zurück.