Achilles' Verse Einfach mal nichts tun, fällt mir verdammt schwer

Selbst beim Entspannen in der Sonne ist das Smartphone meist dabei
Foto: Felix Hörhager/ picture alliance / dpaDiesen Artikel habe ich ursprünglich mit Kugelschreiber auf ein Stück Papier geschrieben, habe Worte durchgestrichen, Textpassagen umrahmt, mit Pfeilen und Sternchen markiert. Es war ein Versuch.
Einen Tag lang wollte ich offline leben und ohne Computer, Smartphone und Fernseher auskommen, wenigstens einen. Deshalb: Stift statt Tastatur. Konsequenterweise hätte ich diesen Artikel mit der Post an die Redaktion schicken müssen. Aber Sie lesen diesen Text ja jetzt eh auf Ihrem Smartphone, Tablet oder Computer.
Ohne geht es halt einfach nicht. Wir sind süchtig - und die digitale Welt macht eben vieles einfacher. Nur gleichzeitig stresst sie auch wahnsinnig. Laut einer Studie unterbrechen wir unsere Handlungen 88 Mal am Tag allein nur, um aufs Handy zu gucken. Also mache ich den Gegentest: Wie entspannt bin ich ohne?
Der schwierigste Moment für eine Handy-Süchtige an diesem Tag: aus dem Haus zu gehen. Ein letzter Blick in die Wohnung. Mein Handy lag auf dem Tisch und schrie mir zu: "Nimm mich mit. Du brauchst mich. Ich bin dein Navi, deine Informationsquelle, dein bester Freund." Und leider hat es recht. Ohne Handy fühle ich mich schutzlos. Einsam. Von der Welt abgeschnitten.
Mit einem Knall ließ ich die Tür ins Schloss fallen. Pah. Handy, ich kann auch ohne dich. Hallo, Offline-Welt.
Meine vier Erkenntnisse nach meinem Ein-Tag-Experiment.
1. Frei sein ohne Verbindung fühlt sich gut an
Nachdem ich die anfängliche Unsicherheit abgeschüttelt hatte, fühlte ich mich so befreit, als hätte ich altes Gerümpel aus meiner Wohnung ausgemistet. Ich genoss dieses Gefühl, nicht erreichbar zu sein. Keine Eilmeldungen, keine Anrufe, keine blauen Häkchen, die brüllen: Sofort zurückschreiben. "Anna Achilles ist nicht erreichbar. Bitte sprechen Sie Ihre Nachricht nach dem Signalton." Fühlte sich ziemlich gut an.
2. Ich habe das Warten verlernt
Normalerweise zücke ich bei jeder Gelegenheit mein Handy: In der U-Bahn, an der Supermarktkasse, an roten Ampeln. Jede wartende Minute verbringe ich mit diesem Ding. Ich denke, ich wäre produktiv, wenn ich zwischen Einkäufen, Einpacken und Bezahlen noch schnell eine E-Mail verschicke. Dabei stresst es.
Mein Körper und Geist mussten sich auch erst mal dran gewöhnen, nicht immer auf Sendung zu sein. Bei jeder lauernden Langeweile griff meine Hand intuitiv zur Tasche, wo sonst das Smartphone wartet, bis mir einfiel: Ach ja, das Handy liegt zu Hause.
Einfach mal nichts tun, fiel mir verdammt schwer. Ich habe das Warten verlernt. Dabei soll das ja so wichtig sein. Sagt man doch immer: Warten fördere die Kreativität. Und so war es dann auch: An der Supermarktkasse anstehend kam mir sofort DIE Idee für meinen ersten Roman. Haha. Schön wär's gewesen. Tatsächlich, war mir einfach nur langweilig. Aber ich bin mir sicher, wenn ich mich erstmal wieder ans Warten gewöhnt habe, wird die Kreativität bestimmt vorbeikommen.
3. Die eigene Perspektive ist schärfer
Eine interessante Erfahrung: Immer wieder sehe ich das EM-Viertelfinalspiel Deutschland gegen Italien ganz genau vor mir - obwohl ich die Partie nur gehört habe. 120 Minuten lang saß ich im Auto und lauschte den aufgeregten Stimmen der Reporter im Radio. Auch Fernsehen hatte ich mir in meiner digitalfreien Zeit verboten. 20 Kameraperspektiven zum Auswählen überfordern mich eh. Und damit könnte ich mich längst nicht so gut erinnern, wie Jonas Hector einmal durchpustet und den entscheidenden Elfmeter mit links flach im rechten Eck versenkt.
4. Ganz ohne geht es nicht
24 Stunden Digital Detox waren geschafft. Ein Tag offline und ich fühlte mich so entspannt wie nach einem mehrwöchigen Urlaub. Aber natürlich ist es keine Dauerlösung, aufs Handy komplett zu verzichten. Ohne geht es einfach nicht. Deshalb mein neuer Vorsatz: In Zukunft werde ich zumindest einmal am Tag mein Handy ausschalten.
Und neugierig war ich jetzt schon, wessen Nachrichten und Anrufe ich an diesem Tag verpasst hatte. Ich schaltete mein Handy an: 289 Mails, Anrufe, SMS, WhatsApp-Nachrichten. Hilfe. Da gab es nur eine Lösung. Pling, Handy aus. "Anna Achilles ist nicht erreichbar. Bitte sprechen Sie Ihre Nachricht nach dem Signalton."

Jahrgang 1987 und Nichte von Achim Achilles. Für den Wunderläufer stellt sie aber keine Konkurrenz dar: Anna ist notorisch trainingsfaul und mindestens so untalentiert wie ihr Onkel. Ihr Motto: Bewegung soll Spaß machen und muss nicht wehtun. Anna lebt in München und macht zurzeit ein Volontariat beim Bayerischen Rundfunk.Facebookseite von Anna Achilles