Ex-McDonald's-Manager "Fast Food ist Kindesmisshandlung"

Harald Sükar arbeitete 13 Jahre lang für McDonald's, zuletzt als Geschäftsführer. Im Interview erklärt er, warum er Kinder nie mehr in ein Fast-Food-Restaurant mitnehmen würde - auch nicht ausnahmsweise.
Burger, Pommes, Cola - "mit nur einer Mahlzeit hat ein Kind den Zuckerbedarf von fast fünf Tagen gedeckt"

Burger, Pommes, Cola - "mit nur einer Mahlzeit hat ein Kind den Zuckerbedarf von fast fünf Tagen gedeckt"

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Zur Person
Foto: Lukas Beck

Harald Sükar, 56 Jahre, arbeitete von 1993 bis 2006 bei McDonald's, unter anderem als Geschäftsführer von McDonald's Österreich. In seinem Buch "Die Fast Food Falle" warnt er nun vor den gesundheitlichen Kosten der Fast-Food-Industrie.

SPIEGEL ONLINE: Herr Sükar, warum haben Sie Jahre gebraucht, um zu merken, dass Fast Food ungesund ist?

Harald Sükar: Natürlich wusste ich, dass Burger und Pommes dick machen. Während meiner Zeit bei McDonald's habe ich aber jeden Tag die Unternehmensphilosophie eingeatmet, nach der es auf die Menge ankommt und ob sich die Leute genug bewegen. Heute weiß ich, dass in einer Burger-Boulette nichts drin ist, was zu einer gesunden Ernährung gehört.

SPIEGEL ONLINE: Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Sükar: Vor zwei Jahren wog ich 111 Kilogramm bei einer Körpergröße von etwa 1,77 Meter. Es ging mir nicht gut und ich fragte mich, wie es dazu kommen konnte. Also fing ich im Urlaub an, Studien über gesunde Ernährung zu lesen. Ich stellte meine Essgewohnheiten radikal um, verzichte beispielsweise auf Fleisch. Mein Umfeld war von meiner Besessenheit so genervt, dass einige meinten, ich soll sie damit in Ruhe lassen und lieber ein Buch schreiben. Die Initialzündung kam aber erst, als ein achtjähriges Kind in meinem Umfeld an Diabetes erkrankte und bei ihm eine Fettleber diagnostiziert wurde.

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Harald Sükar

Die Fast Food-Falle: Wie McDonald's und Co. auf Kosten unserer Gesundheit Milliarden verdienen

Verlag: edition a
Seitenzahl: 256
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Preisabfragezeitpunkt

06.06.2023 09.44 Uhr

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SPIEGEL ONLINE: Darf ich fragen, wie viel Sie jetzt wiegen?

Sükar: Etwa 89 Kilogramm. Ich habe aber nicht nur Gewicht verloren, es geht mir auch besser. Ich bin viel klarer im Kopf. Früher fühlte ich mich oft wie benebelt.

SPIEGEL ONLINE: In Ihrem Buch schreiben Sie: "Fast Food ist Kindesmisshandlung". Finden Sie das nicht übertrieben?

Sükar: Das Zitat stammt ursprünglich von einem britischen Politiker. Ich habe es übernommen, weil ich es gerechtfertigt finde. Kinder können sich nicht wehren, wenn Erwachsene sie in Fast-Food-Restaurants schleppen. Auf sie wirken Zucker und Fett wie ein Rauschmittel, von dem sie abhängig werden. Ein Bekannter hat mir erzählt, dass er mit seinem dreijährigen Sohn vor Kurzem das erste Mal bei McDonald's war. Seitdem schreit der Kleine jedes Mal nach Pommes, wenn sie an einer Filiale vorbeifahren.

SPIEGEL ONLINE: Ab und zu ist Fast Food doch okay, oder?

Sükar: Nein. Heute würde ich mit Kindern niemals in ein Fast-Food-Restaurant gehen, auch nicht ausnahmsweise. Ein Menu aus Big Mac, mittlerer Portion Pommes, 0,4 Liter Cola und Eis zum Nachtisch enthält 119 Gramm Zucker, Ketchup nicht mit eingerechnet. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für Kinder und Jugendliche maximal 25 Gramm pro Tag. Mit nur einer Mahlzeit hat ein Kind den Zuckerbedarf von fast fünf Tagen gedeckt. Das kann nicht gesund sein.

SPIEGEL ONLINE: Warum sind Fast-Food-Restaurants gerade bei Kindern so beliebt?

Sükar: Dort dürfen sie laut sein, mit Fingern essen, selbst bestellen, bekommen Spielzeug. Zu meiner Zeit gab es noch den JuniorClub für Kinder, die dann zum Geburtstag Post von McDonald's bekamen. Für viele war es wahrscheinlich der erste Brief, den sie jemals erhalten haben.

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie mit Ihrem Buch mit McDonald's abrechnen?

Sükar: Ich hege keinen Groll gegen McDonald's. Im Gegenteil, ich habe gern dort gearbeitet und die Firma damals aus ganz anderen Gründen verlassen. Aus meiner Sicht ist es ein unheimlich effizientes Unternehmen. Ich würde mir aber wünschen, dass diese Effizienz genutzt wird, um den Menschen Gutes zu tun, sie mit gesundem Essen zu versorgen.

SPIEGEL ONLINE: Viele Fast-Food-Ketten drucken auf die Verpackung, wie viele Kalorien ein Burger enthält. Reicht das nicht?

Sükar: Nur zu wissen, wie viele Kalorien man aufnimmt, ist nicht genug. Auf die Nährstoffe kommt es an. Ich habe aus Spaß mal bei McDonald's nachgefragt, ob es stimmt, dass das Essen Phosphate enthält. Als Antwort bekam ich den Hinweis, selbst auf der Website nachzugucken. Ich finde das frech. Konsumenten sollten sich die Informationen nicht aufwendig suchen müssen. Und selbst wenn sie sie finden, können sie oft wenig damit anfangen, sie sind ja keine Ernährungsexperten.

SPIEGEL ONLINE: Was müsste sich ändern?

Sükar: Ich bin für eine klare Kennzeichnungspflicht, beispielsweise ein Ampelsystem. Dann könnte jeder Kunde sofort erkennen, wie ungesund ein Produkt ist. Eine Zuckersteuer wie in Großbritannien finde ich auch gut, weil ungesundes Essen teurer würde. Zu meiner Zeit gehörten gerade Menschen mit wenig Einkommen zu den treuesten Kunden, die bis zu fünfmal in der Woche zu uns kamen. Die größte Macht liegt aber bei den Konsumenten. Wenn sie kein ungesundes Essen mehr wollen, müssen Fast-Food-Ketten umdenken.

SPIEGEL ONLINE: Wie kann McDonald's überhaupt Geld verdienen, wenn ein Hamburger nur einen Euro kostet?

Sükar: Die größte Marge bringen Getränke und Pommes. Deshalb will McDonald's, dass Kunden möglichst Menus bestellen. Ursprünglich gab es nur kleine Becher mit 0,3 Liter und große mit 0,5 Liter. Sechs von zehn Kunden entschieden sich damals für das kleine Getränk. Also führten wir 0,75-Liter-Becher ein und fragten die Kunden, ob sie ein kleines, mittleres oder großes Getränk haben wollen. Und siehe da: Plötzlich nahmen die meisten 0,5 Liter. Nicht, weil sie wirklich so viel trinken wollten, sondern weil sich Kunden in den meisten Fällen für die mittlere Portionsgröße entscheiden. Und schon hatten wir die Zuckerbombe an die Kunden gebracht.

SPIEGEL ONLINE: Sie arbeiten inzwischen als Unternehmensberater, unter anderem für ein soziales Gastronomie-Projekt. Hat das etwas mit Ihrem Buch zu tun?

Sükar: Ich habe schon das Gefühl, etwas gutmachen zu wollen. In dem Projekt backen Omas und Opas, die wenig Einkommen haben, vor Kunden und verdienen sich dadurch etwas dazu und sind gleichzeitig weniger einsam.

SPIEGEL ONLINE: Ist Kuchen nicht auch ungesund?

Sükar: Schon, aber wir tun nicht so, als sei er gesund und benutzen beispielsweise Haushaltszucker. Der ist weniger ungesund als Maissirup, der in vielen Fast-Food-Produkten verwendet wird. Außerdem weisen wir auf den Zuckergehalt hin.

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