Fatmire Alushi Profisportlerin und Mutter - klappt das?

Fatmire "Lira" Alushi (Archivbild, Mai 2014)
Foto: Carmen Jaspersen/ picture alliance / dpa
Fatmire "Lira" Alushi, geboren Bajramaj, ist eine deutsche Profi-Fußballspielerin. Seit 2014 spielt sie für Paris St. Germain in der ersten französischen Liga. Sie hat die deutsche Meisterschaft gewonnen, die Champions League und ist mit der deutschen Nationalmannschaft Europameisterin und Weltmeisterin geworden. 2015 brachte sie einen Sohn zur Welt.
SPIEGEL ONLINE: Frau Alushi, was war die größte Veränderung in der Schwangerschaft?
Alushi: Ich habe 18 Kilo zugenommen. In der Schwangerschaft war mir alles egal. Ich habe gegessen, worauf ich Lust hatte. Eis, Fritten, Pizza, alles durcheinander.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben die Zeit also kulinarisch genossen?
Alushi: Ja, als Leistungssportlerin musste ich jahrelang darauf achten, was ich darf und was nicht. Jetzt konnte ich alles essen - und ich wollte auch alles.
SPIEGEL ONLINE: Wie alt ist Ihr Sohn jetzt?
Alushi: Viereinhalb Monate.
SPIEGEL ONLINE: Von den 18 Kilo sieht man nichts mehr.
Alushi: Nee, ich wiege jetzt weniger als vor der Schwangerschaft.
SPIEGEL ONLINE: Sie arbeiten gerade an Ihrem Comeback, gleichzeitig muss sich der Körper von der Schwangerschaft und Geburt erholen.
Alushi: Es ist schwer, klar. Ich bin von Hundert auf Null runter und habe monatelang nichts gemacht. Bei einer Sportverletzung kannst du wenigstens die anderen Körperteile trainieren. Fußball spielen kann ich noch, aber ich muss an meiner Kondition und Kraft arbeiten.
SPIEGEL ONLINE: Wie trainieren Sie konkret?
Alushi: Mein Athletiktrainer hat mir ein Trainingsprogramm geschickt. Daran versuche ich mich zu halten. Meine Beine müssen sich dran gewöhnen, wieder viel zu laufen: Also: jeden Tag Laufeinheiten und Krafttraining.
SPIEGEL ONLINE: Für Ihren Trainer war es sicher neu, einen Plan für eine Spielerin zu erstellen, die Mutter geworden ist.
Alushi: Ja, das ist das erste Mal. Aber der Verein bemüht sich sehr. Ich bin sehr dankbar, dass Paris St. Germain mich unterstützt. Anfangs hatte ich ein sehr schlechtes Gewissen. Da holt mich der Club als Top-Transfer - und dann werde ich im ersten Jahr schwanger. Das war schon ein Schock, auch für mich.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben das Champions-League-Finale gespielt, obwohl Sie bereits schwanger waren.
Alushi: Ja, ich war im dritten Monat. Eine Woche vor dem Finale habe ich davon erfahren. Mein erster Gedanke: "Oh mein Gott." Ich hatte bis dahin alles mitgemacht. Ich bin gelaufen, gegrätscht, bin hingefallen - und dann diese Nachricht. So kurz vor dem Champions-League Finale, dem Traum eines jeden Fußballers.
SPIEGEL ONLINE: Ist Ihnen im Nachhinein bewusster geworden, was sie eigentlich aufs Spiel setzten?
Alushi: Ich wusste, dass eigentlich nichts passieren kann, außer wenn ich einen Tritt in den Bauch bekomme. Aber jeder, der mich kennt, hat gesehen, dass ich sehr ängstlich im Finale gespielt habe. Wenn du weißt, dass ein Baby in dir heranwächst, spielst du anders. Ich bin Zweikämpfen aus dem Weg gegangen.
SPIEGEL ONLINE: Sie mussten die Weltmeisterschaft absagen.
Alushi: Als ich es Bundestrainerin Silvia Neid gesagt habe, dachte sie, es sei ein Witz, aber sie hat sich für mich gefreut, weil sie wusste, dass ich mir Familie wünsche.
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Mitspielerinnen reagiert?
Alushi: Ich habe nur positive Reaktionen aus meinem Umfeld bekommen. Einige Spielerinnen haben sogar gesagt, dass sie auch gern ein Baby hätten.
SPIEGEL ONLINE: Trotz des Babywunsches trauen sich viele Leistungssportlerinnen nicht und bekommen erst nach der aktiven Laufbahn Kinder.
Alushi: Ja, viele Frauen warten ab und verschieben das Kinderkriegen, weil sie denken, dass sie das Comeback nicht schaffen. Ehrlich gesagt: Leicht ist es auch nicht. Man muss viel kompensieren durch Mann und Babysitter. Aber einige haben es ja vorgemacht, die ehemalige Nationalspielerin Martina Voss-Tecklenburg zum Beispiel. 2000 schied sie aus der Nationalmannschaft aus. Seitdem gab es keine Nationalspielerin mehr, die zum selben Zeitpunkt Mutter war oder ist.
Im US-Team gibt es einige Mütter, manche haben sogar mehrere Kinder. Ich bin jetzt 28. Ich habe immer gesagt: Ich will Mama werden, mache kurz Pause und dann starte ich wieder voll durch. Daran arbeite ich. Wir wollten das Schicksal entscheiden lassen, wann wir Eltern werden. Jetzt ist es so - und wir freuen uns total.
SPIEGEL ONLINE: Sie wollen wieder Fußball spielen und gleichzeitig müssen Sie in die Mutterrolle finden. Ist das kein gegensätzlicher Prozess?
Alushi: Doch. Ich will natürlich eine gute Mutter sein. Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich mein Baby für ein paar Stunden alleine lasse. Aber ich weiß: Irgendwann werden es vielleicht ein, zwei Tage sein, bei Auswärtsspielen zum Beispiel. Es geht gar nicht so sehr ums Körperliche. Das kriege ich hin, aber schaffe ich das im Kopf? Emotional?
SPIEGEL ONLINE: Ihr Mann, Enis Alushi, ist auch Profifußballer. Wer darf von Ihnen nachts liegen bleiben, wenn das Kind schreit?
Alushi: Ich versuche derzeit, meinen Mann nachts schlafen zu lassen. Jeder Sportler weiß, wie wichtig es ist, gut zu schlafen. Mein Mann unterstützt mich, wo immer er kann. Er wünscht sich auch, dass ich wieder voll einsteige. Er weiß, dass ich Fußball vermisse. Nicht nur den Sport an sich, sondern auch das Drumherum: das Rumwitzeln und Musikhören in der Kabine, die ganze Atmosphäre. Trotzdem: Ich würde den Kleinen gegen nichts eintauschen.
SPIEGEL ONLINE: Was hat Sie am Leben mit Baby am meisten überrascht?
Alushi: Ich hätte nicht gedacht, dass der Schlafmangel so schlimm ist. Die Schlafzeiten meines Sohnes sind katastrophal. Ich habe vielleicht drei, vier Stunden in der Nacht. Aber das Positive daran ist: Ich halte es aus. Die Schwangerschaft, die Geburt, die Zeit jetzt - ich stille ja noch - das alles hat mir gezeigt, dass ich viel aushalten kann und mein Körper noch stärker ist als gedacht.