

Am meisten irritieren die nackten Pos. In den kargen Messehallen, in denen sonst gewienerte Lackschuhe über die grau melierten Steinböden schrammen, stehen sie an jeder Ecke. Frauenhintern, wohlgeformt, ohne ein Gramm Fett und verhüllt nur von winzigen Hotpants, auf die eine langärmelige Trainingsjacke aufsitzt. Es ist schließlich April.
Doch so sehr sie auch irritieren mögen, die nackten Pos sind das Kapital vieler Anbieter auf der Fibo, einer der internationalen Leitmessen für Fitness und Wellness, die gerade in Köln stattfindet. Sie sollen zeigen: Wenn du unsere Geräte benutzt, wenn du dich an unsere Stromkabel schließt, auf unsere Vibrationsplatte stellst und unsere Proteinshakes trinkst, dann wirst du genau so gestählt sein wie wir. Ein großer Teil der Aussteller setzt dabei auf Hightech.
Ein grauer Gurt liegt um den durchtrainierten Oberarm eines jungen Messebesuchers, vielleicht 20 Jahre alt ist der Mann. Sein Gesicht verzieht sich, als der Trainer an einem kleinen Rädchen dreht. An seinem Oberarm spannen sich die Muskeln, er beginnt, leicht zu zittern. Strom fließt durch den Gurt in den Arm des Mannes und steuert die Muskeln fern. Wie stark sich der Arm anspannt, entscheidet allein der Drehknopf am Gerät - der innere Schweinehund wird überlistet.
Der Mensch bremse häufig den Trainingserfolg, erklärt der Trainer. Weil er aufhöre, wenn es ziehe, obwohl er noch könne. Weil er beginne, mit der Freundin zu quatschen. Bei der elektrischen Muskelstimulation muss man aushalten, das Training ist auf absolute Effizienz getrimmt. Wer sich in einen engen Body zwängt und Elektroden an Bauch, Beine, Po und Arme anschließen lässt, kann mit dem Stromgerät den ganzen Körper trainieren. Anstrengung ohne Bewegung. Elektronische Muskelstimulation (EMS) sei vor allem in Deutschland im Kommen und werde immer weiterentwickelt, begeistert sich der Trainer. "Amerikaner kennen bisher nur die Bauchgurte aus dem Teleshopping."
Fitness in der Gruppe und Videospiele miteinander kombiniert
Anderswo auf dem riesigen Messegelände ist nicht von Effizienz die Rede, dort geht es vor allem um Spaß. Die Besucher bleiben stehen und wippen mit, was sie sehen, ist eine Mischung aus Videospiel und Gruppen-Workout. Auf einer Leinwand erscheint eine einspurige Eisenbahnbrücke, auf der junge Männer und Frauen tanzen. Die Jogginghose hängt dem Fronttänzer tief zwischen seinen Beinen, um seinen Hals trägt er dicke Kopfhörer. Als er zu "Mister Boombastic" seine Hüften kreist, fallen ihm immer wieder Strähnen seines Afros ins Gesicht. Es ist nicht zu übersehen: Er ist cool. Doch darum geht es nur in zweiter Linie.
Vor der Leinwand kopiert eine Gruppe mit fünf jungen Tänzern jede seiner Bewegungen - so akkurat, wie sie irgend können. Kameras zeichnen sie auf, bewerten sie. Alle kleinen Abweichungen bedeuten Punktabzug. Auf der Leinwand blinken die Bewertungen auf, der beste Kopierer gewinnt. In einem Fitnessstudio in Deutschland gibt es das Videospiel-Workout, mit dem auch Aerobic- oder Kickbox-Programme möglich sind, schon. Erste Erfahrungen zeigen, dass Jüngere es gut annehmen. Bei Älteren hingegen, die nicht mit Videospielen aufgewachsen sind, brauche es gerade aufgrund der Bewertung ein wenig Überzeugungsarbeit, berichtet einer der Entwickler von ersten Erfahrungen.
Auf der Hightech-Entdeckungstour geht es weiter zu einer 3,5 Meter hohen Kletterwand, deren Griffe unaufhörlich nach unten wandern. Kletterer können darauf wie auf einem Laufband trainieren, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Sensoren registrieren, wo sie sich gerade befinden, damit sie nicht über die Kante fährt. Die Sensoren messen aber auch Geschwindigkeit sowie Distanz des Kletterers und die Neigung der Wand, die sich zwischen plus zehn und minus 45 Grad verstellen lässt. Seit drei, vier Jahren ist das Kletterlaufband auf dem Markt, bald soll es das erste in Deutschland geben. In die USA hat es das Konzept schon geschafft: Die Navy Seals trainieren mit zwei der Geräte.
Laufwege schreiben Buchstaben auf den Boden
Auf dem Weg in die Aerobic-Halle verändert sich das Bild schlagartig. Keine aufwendigen Geräte mehr, nichts, wofür man einen Stromanschluss braucht. Dafür dröhnt laute Musik aus den Boxen. "Kannst du dich bewegen? Kannst du buchstabieren? Dann kannst du Bokwa!" Rund 20 Menschen wirbeln bei der Mischung aus Tanz und Aerobic über die Bühne. Mit ihren Laufwegen schreiben sie Buchstaben auf den Boden, tanzen Linien und Zahlen, der Name steht für Bo - Boxen und Kwa - einen afrikanischen Tanz. Das Training soll Herz und Kreislauf anregen.
Bei den Poledance-Sportlern nebenan braucht es vor allem Kraft. Frauen und ein Mann ziehen sich mit den Armen an der Stange hoch, klemmen die Stange zwischen Beine und Körper und rutschen kopfüber in die Tiefe. Das besonders Schöne: In einer Gruppe steht eine junge Frau und wärmt sich auf. Auch ihr Po steckt in winzigen Hotpants. Darunter zeigen sich eine kurvige Hüfte und - das erste Mal auf der Messe - kleine Cellulite-Dellchen. Sie wirken erfrischend. Und beweisen, dass sich ein Interesse an Sport und Kurven nicht ausschließen müssen. So ist nun mal das Leben - allem Hightech und Trends zum Trotz. Lesen Sie hier mehr über Fitness-Trainings: Elektrische Muskelstimulation, Vibrationstraining mit PowerPlate und weitere Spezialtrainings im Test.
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Messestand auf der Fitnessmesse Fibo 2013 in Köln: Das hier ist kein normales Bauch-Beine-Po-Programm. Der Untergrund zittert, auf einer Leinwand turnt ein Model. Schon nach wenigen Sekunden auf der Power Plate spürt man seine Muskeln.
Fitness liegt im Trend: Auf der Fibo präsentieren Hunderte Hersteller ihre neuesten Geräte und Workouts.
Dabei muten Hanteln schon fast wie ein Relikt aus den neunziger Jahren an. Doch auch Muskeltraining ist weiterhin sehr beliebt. Denn längst ist bekannt: Muskeln verbrauchen jede Menge Kalorien.
Eines der Trendthemen auf der Fibo ist das sogenannte funktionelle Training. Die Kombination aus freiem und dreidimensionalem Training soll den Körper perfekt auf unterschiedliche Bewegungsanforderungen vorbereiten.
Zudem soll die neue Trainingsmethode vor Sport- und Alltagsverletzungen schützen.
Die Fibo bezeichnet sich gerne als "das Fitnessstudio der Welt". An unzähligen Messeständen können Anhänger der Bewegung die neuesten Fitness-Moves sowie Workouts kennenlernen und ausprobieren.
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