Insekten statt Fleisch: Grillen grillen
Insekten statt Fleisch: Grillen grillen
Foto: Toru Hanai/ REUTERS

Insekten statt Fleisch Grillen grillen

Sind Maden und Käfer die Lebensmittel der Zukunft? Insekten lassen sich klimafreundlicher produzieren als Schweinekoteletts oder Rinderfilets. Und sie sind gesund - zumindest unter Umständen.
Von Irene Habich

Schokolade mit Mehlwürmern, getrocknete wilde Ameisen oder frittierte Grillen - nicht nur im Internet lassen sich alle möglichen Insekten-Delikatessen finden. Seit April gibt es auch in Rewe-Supermärkten in Deutschland die ersten Insekten-Burger zu kaufen: aus nachhaltig gezüchteten Buffalowürmern, zu 100 Prozent frei von künstlichen Zusatzstoffen, so das Werbeversprechen. Auch der Metro-Konzern testet den Verkauf von Nudeln aus Mehlwurm-Mehl. Beigemengt sind zehn Prozent gefriergetrocknete und gemahlene Käfer-Larven.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) essen bereits zwei Milliarden Menschen weltweit Insekten, vor allem in Regionen Asiens, Lateinamerikas und Afrikas. Käfer, Raupen und Grashüpfer landen dort regelmäßig auf den Tellern, genau wie Bienen, Ameisen und Libellen.

Es sei sinnvoll, die Entomophagie - den Verzehr von Insekten durch Menschen - weltweit auszudehnen, befand die FAO schon 2013 . Insekten ließen sich nämlich nicht nur nachhaltig produzieren, sie seien auch gesund. Sie lieferten hochwertiges Protein, dazu Ballaststoffe sowie Mikronährstoffe wie Kupfer, Eisen, Magnesium, Mangan, Phosphor, Selen und Zink.

Wie gesund sind Raupen und Co.?

Tut man sich also tatsächlich etwas Gutes, wenn man Insekten-Burger und Wurm-Nudeln auf seinen Speiseplan setzt? Ja, glaubt Guido Ritter, Professor an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Ökotrophologie. Der Experte für die Produktentwicklung neuer Lebensmittel sagt: "Insekten als Proteinquelle sind eine gute Lösung, um eine wachsende Weltbevölkerung auf vernünftige Weise satt zu bekommen." Sie könnten ein gleichwertiger Ersatz zu Rind, Schwein oder Hähnchen sein, durch Omega-3-Fettsäuren sogar für Fisch.

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Delikat oder eklig?: Heuschrecken-Pizza und Insekten-Pralinen

Fraglich bleibt aber, ob sich auch bei Europäern der Appetit auf Ameise und Co. wecken lässt. Die haben bei Heuschreckenspießen und frittierten Maden, die hierzulande häufig als unrein gelten, bislang noch nicht wirklich Lust zuzulangen. Allein am Aussehen der Insekten könne das aber nicht liegen, meint Ritter. Denn während es den meisten bei gerösteten Grillen kalt den Rücken hinunter läuft, gelten gebratene Krustentiere wie Gambas als Delikatessen. Ritter meint: "Der Ekel vor Insekten ist kulturell geprägt und lediglich angelernt."

Die Abscheu lässt sich seinen Untersuchungen zufolge am ehesten mit Produkten überwinden, in denen keine sichtbaren Bestandteile von Insekten enthalten sind. "Wenn keine Fühler oder Beinchen zu sehen sind, nimmt der Ekel deutlich ab", so Ritter. Richtig zubereitet findet der Ernährungsexperte die Insekten "ziemlich lecker". Durch bestimmte Aminosäuren sei die Geschmacksnote Umami besonders ausgeprägt. Dabei handelt es sich um das typische Fleischaroma. Grillen schmecken nach Hühnchen, Mehlwürmer nussig.

Parasiten statt Bakterien?

Ob und wie gesund eine Ernährung mit Insekten ist, hänge vor allem von den Produktionsbedingungen ab, wendet Wilhelm Windisch ein. Als Inhaber des Lehrstuhls für Tierernährung erforscht er an der Technischen Universität München die Eignung von Insekten als Nahrungsmittel für Tier oder Mensch.

Grundsätzlich drohten bei der Massenproduktion von Insekten die gleichen Probleme wie bei der von Kühen, Schweinen oder Hühnern: "Sie haben zwar eine höhere Widerstandskraft gegen Bakterien und man müsste wohl weniger Antibiotika einsetzen", sagt Windisch. "Dafür sind sie anfälliger für Parasiten, was auch mit Medikamenten behandelt werden müsste." Auch hierbei drohen Rückstände in der Nahrung.

Zudem müsse man klären, inwieweit Speise-Insekten Krankheiten auf den Mensch übertragen könnten. Hygienisch bedenklich und daher nicht umsetzbar sei zudem die Idee, die Tiere von Abfällen zu ernähren. Trotz allem ist Windisch optimistisch, was die Ernährung mit Insekten angeht: "Man muss das Ganze nur noch weiter erforschen."

"Wir wissen noch zu wenig darüber, unter welchen Bedingungen Insekten derzeit produziert werden", sagt auch Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Seit diesem Jahr können Insekten laut der sogenannten Novel-Food-Verordnung  als Lebensmittel verkauft werden, wenn die Unbedenklichkeit nachgewiesen wurde. Der Verbraucherzentrale sei das allerdings zu schwammig, sagt Schwartau: "Wir brauchen verbindliche Regeln wie etwa Grenzwerte zur Belastung mit Keimen und Parasiten in einer Aufzucht." Verbrauchern, die sich vermehrt mit Anfragen zu essbaren Insekten an die Zentrale wenden, könne man daher noch keine 100-prozentig unbedenkliche Quelle empfehlen.

Zumindest eine der typischen Verbraucherfragen lässt sich jedoch eindeutig beantworten: "Manche wollen wissen, ob sie sich Insekten nicht einfach im Zoohandel kaufen können, wo sie als Tiernahrung angeboten werden und billiger sind" berichtet Schwartau. "Diese erfüllen aber nicht die hygienischen Standards für ein Lebensmittel, weswegen wir davon unbedingt abraten."

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