
Kanufahren: Ausdauernd oder entschleunigt
Kanufahren Kraft für Rücken und Psyche
Paddeln wird als ausgesprochen gesunder Sport gepriesen. Allerdings ist Kanufahren ist nicht gleich Kanufahren. "Es gibt für jedes Gewässer den passenden Bootstyp", sagt Edwin Jakob, Experte für Natursport an der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Küstengewässer kommt ein See-Kajak zum Einsatz. Eine weitere wichtige Disziplin ist das Wanderpaddeln in Flüssen. Dort sind sowohl sportliche Fahrten im Touring-Kajak als auch gemächliches Paddeln im sogenannten offenen Kanadier möglich. Schließlich gibt es noch das anspruchsvolle Wildwasser-Kajaking. "Da braucht es hohe technische Fertigkeiten, um daran Spaß zu haben", sagt Jakob.
Bei jeder Spielart des Kanufahrens stärkt die Rotationsbewegung die obere Muskulatur. "Wenn jemand seinen Oberkörper bewegen oder den Rücken stabilisieren will, ist Kanufahren für ihn eine gute Sportart mit hohem Erlebnisfaktor", sagt Stephan Stiefenhöfer. Die Bewegung sei nicht statisch, sondern dynamisch, erklärt der mehrmalige Wildwasser-Weltmeister, der heute Kanu-Fitnesskurse gibt. Rücken, Schultern, Bauch und Arme werden gekräftigt.
Die Ausdauer lässt sich ebenfalls trainieren. "Wenn man intensiver paddelt, ist das ein toller Sport für das Herz-Kreislauf-System", sagt Stiefenhöfer. Auch bei Gelenkproblemen sei Paddeln eine gute Option, so Jakob. "Sie müssen Ihr Gewicht nicht selbst tragen. Es ist auch eine ideale Aktivität für etwas schwerere Leute."
"Dahingleiten im doppelten Sinn"
Grundsätzlich sei das Kanufahren in der Grundform relativ leicht zu erlernen, sagt Jakob. "Es ist wie beim Schwimmen: Sie optimieren die Bewegung und verfeinern die Form." Die Belastung wird über Geschwindigkeit und Streckenlänge gesteuert.
Ulrich Clausing vom Deutschen Kanu-Verband sieht einen weiteren Vorzug des Paddelns: "Das völlig neue Erlebnis der Landschaft, den anderen Blickwinkel". Dieser Erlebniswert sei sehr hoch. "Die Leute sagen: Ich sehe Dinge, die ich so noch nicht gesehen habe."
Wer in der Freizeit den seelischen Ausgleich sucht, ist beim Wanderpaddeln am besten aufgehoben. "Entschleunigung ist hier ein großes Stichwort", sagt Jakob. Die Reize der Landschaft lösten etwas im Kanuten aus. "Das ist ein Dahingleiten im doppelten Sinn. Wenn Sie das Paddeln automatisiert haben, sind die Sinne frei für die Umgebung."
Die Strecke oder das Gewässer sollten Kanuten nach dem eigenen Können aussuchen. "Sie haben ein technisches Gerät vor sich. Das müssen Sie erst mal lernen zu beherrschen", ergänzt Clausing. "Die ungewohnte Sitzposition wird einen anfangs ein bisschen beschäftigen." Er empfiehlt Einsteigern, am besten einen speziell auf Anfänger ausgerichteten Kurs in einem Verein oder bei einem kommerziellen Anbieter zu machen. Vermittelt werden die Grundlagen: Wie steige ich ein? Wie halte ich das Paddel? Wie paddele ich, damit ich mich nicht im Kreis drehe? "Als Anfänger beginnt man auf ruhigem, fast stehendem Gewässer mit einem gemütlichen Paddelschlag."
Wer sich ein eigenes Touring-Boot anschaffen will, muss Jakob zufolge zwischen 600 und 800 Euro für ein Modell aus Plastik ausgeben. Für ein Exemplar aus Glasfaser oder Kohlefaser werden bis zu 2800 Euro fällig. "Aber so ein Boot hält bei etwas sorgsamen Umgang ewig."