Sportkleidung Kompressionshosen machen nicht schneller
Kompressionsstrümpfe sind was für Fußlahme und alte Menschen mit Thrombosegefahr oder Venenerkrankungen. So war es früher. Bis vor wenigen Jahren hätte niemand die Strümpfe freiwillig angezogen. Doch seit Sporthersteller jedem Höchstleistungen versprechen, der sich den einengenden Stoff über die Waden zieht, bezahlen Freizeitsportler sogar dafür.
Zugegeben: Mit den hautfarbenen orthopädischen Stützstrümpfen von Oma hat moderne Sportkompressionskleidung rein optisch nicht viel gemein. Auch das Tragen fällt leichter, drückt die Freizeitkleidung doch nicht ganz so massiv auf Venen und Muskulatur. Wirklich vorteilhaft sehen die knallengen Strümpfe und Leggins aber auch in modernen Farben nicht aus.
Ausgerechnet eine vom Hersteller Nike mitfinanzierte Studie stellt nun allerdings den sportlichen Nutzen der Kleidung in Frage. Ajit Chaudhari von der Ohio State University und Kollegen schickten 20 regelmäßige Freizeitläufer an drei unterschiedlichen Tagen ohne und mit starken und schwachen Kompressionshosen für 30 Minuten auf ein Laufband. Die Teilnehmer liefen bei 80 Prozent ihrer Maximalgeschwindigkeit und trugen Vibrationssensoren an den Beinen.
Muskelzittern, mehr Energie?
"Wenn die Muskeln vibrieren, entsteht eine Kontraktion, die Energie raubt", erklärt Chaudhari. "Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass weniger Muskelvibrationen die Beine länger fithalten könnten."

Vibrationsmesser sollten verraten, wie viel Energie die Muskeln brauchen.
Foto: The Ohio State University WexnerTatsächlich vibrierten die Beinmuskeln der Läufer deutlich weniger, wenn sie Kompressionshosen trugen. Lediglich die rückseitige Oberschenkelmuskulatur bewegte sich genauso wie zuvor. Fitter waren die Beine der Läufer aber trotz Vibrationsbremse nicht, berichten die Forscher auf dem Jahrestreffen des American College of Sports Medicine, wo sie die bisher unveröffentlichte Studie vorstellten.
"Wir hatten spezielle Laufbänder, mit denen wir messen konnten, wie hart die Füße auf dem Untergrund landeten und wie gut sich die Läufer erneut vom Untergrund abdrücken konnten", erklärt Chaudhari. Außerdem testeten die Forscher vor und nach jedem Lauf die Sprungkraft der Probanden. Das Ergebnis: Die Leistung ließ mit und ohne Kompressionskleidung ähnlich stark nach.
Das passt zu älteren Studien. Ende 2016 kamen Forscher in einer Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass Kompressionskleidung nicht schneller macht, weder beim Halbmarathon noch über 15, 10 oder 5 Kilometer. Auch bei der überlicherweise im Sprint zurückgelegten 400-Meter-Distanz konnten die Forscher keinen Beleg für gesteigertes Tempo finden.
Demnach ist es auch eher unwahrscheinlich, dass die Kompressionskleidung schneller macht, indem sie den Rückfluss des sauerstoffarmen Blutes zu Herz und Lunge verstärkt. Das soll der gängigen Theorie nach die Muskeln besser mit Sauerstoff versorgen, hat aber offenbar genauso wie die gebremsten Muskelkontraktionen keinen oder nur einen zu vernachlässigenden Effekt.
"Jede kleinste Empfindung zählt"
Es gibt aber auch positive Aspekte: So fanden Forscher nach dem Laufen weniger Muskelverletzungen und Entzündungsbotenstoffe, wenn Sportler Kompressionshosen oder -strümpfe getragen hatten. Andere Meta-Analysen (hier und hier) zeigen, dass sich Probanden mit engen Hosen und Strümpfen möglicherweise schneller erholen. Auch auf das Durchhaltevermögen wirkt sich der enge Stoff an den Beinen demnach positiv aus. So waren Sportler in Schlabberhosen bei Leistungstests früher erschöpft als jene in enger Kleidung.
Eine spezifische Wirkung belegt das allerdings nicht. Stattdessen könnte die persönliche Wahrnehmung entscheidend sein. Die Kleidung fühlt sich für viele Läufer gut an und verändert das Körpergefühl. "Jede kleinste Empfindung zählt, wenn es darum geht, bei langen Läufen ins Ziel zu kommen", sagt Chaudhari.
Hinzu kommt der Placeboeffekt. Es ist bekannt, dass die Erwartungshaltung besonders das Schmerzempfinden deutlich beeinflusst. So berichten einige Läufer beispielsweise, dass ihnen der Sport weniger anstrengend vorkommt, wenn sie Kompressionskleidung tragen. Es wäre interessant zu erfahren, ob ein labbriges Glücksshirt zum gleichen Effekt führt.