Muskeltraining "Die Figur wird in der Küche definiert"

Muskeln kommen vom Trainieren. Doch ohne die richtige Ernährung kann das beste Fitnessprogramm nicht richtig wirken, erklärt Bodybuilder Flavio Simonetti im Interview.
Training und Ernährung: "Auch wer trainiert, darf mal weggehen und sich sündhafte Sachen gönnen"

Training und Ernährung: "Auch wer trainiert, darf mal weggehen und sich sündhafte Sachen gönnen"

Foto: Corbis

SPIEGEL ONLINE: Herr Simonetti, ein durchtrainierter Körper mit prallen Muskeln - wie gelingt das ohne den Griff zur Chemiekeule?

Simonetti: Mit abwechslungsreichem Training, einer bewusst durchdachten Ernährung und viel Geduld. Ein muskulöser Körper ist eben kein zufälliges Produkt.

SPIEGEL ONLINE: Wie sieht der perfekte Trainingsplan aus?

Simonetti: Den einen perfekten Plan gibt es nicht. Ein gutes Trainingskonzept verfehlt seine Wirkung, wenn es im Alltag kaum umzusetzen ist. Deshalb gebe ich meinen Kunden Tipps, wie sie auch bei Zeitmangel ihr Training absolvieren können.

SPIEGEL ONLINE: Falscher Ehrgeiz ist also fehl am Platz?

Simonetti: Trainingsziele müssen realistisch bleiben . Niemand kann es auf natürlichem Weg schaffen, wie Arnold Schwarzenegger auszusehen. Da gibt es eine genetische Grenze. Ein 1,80-Mann mit acht Prozent Körperfettanteil kann maximal 85 bis 88 Kilogramm wiegen. Die wenigsten schaffen es jedoch, an diese Grenze zu kommen. Auch ich habe da noch Luft nach oben.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt viele verschiedene Trainingskonzepte. Wie finde ich das richtige?

Simonetti: Es ist schwer, für sich persönlich den richtigen Weg zu finden, weil es Konzepte gibt wie Sand am Meer. Eine Sache fällt mir aber grundsätzlich auf: Viele Kraftsportler trainieren viel zu intensiv, was langfristig mit Sehnenentzündung oder Gelenkschmerzen enden kann. Deswegen finde ich ein Trainingskonzept nach dem individuellen Leistungsbild empfehlenswert. Dort wird die Leistung je nach Erfahrung angepasst.

SPIEGEL ONLINE: Was müssen Anfänger beim Training anders machen als Fortgeschrittene?

Simonetti: Viele Anfänger machen den Fehler, zu schnell die Gewichte zu erhöhen, ohne auf die Ausführung zu achten. Auch wer möglichst schnell Veränderungen sehen will, muss zuerst die Bewegung sauber erlernen. Das reduziert das Verletzungsrisiko. Meine Empfehlung für Anfänger: Weniger ist mehr! Anfänger sollten mit einem Ganzkörpertraining beginnen. Dabei genügen bereits zwei Trainingseinheiten pro Woche.

SPIEGEL ONLINE: Müssen Frauen anders trainieren als Männer?

Simonetti: Meiner Meinung nach müssten sie sich mehr an den Männern orientieren, also mehr Krafttraining betreiben. Gerade für den weiblichen Körper sind Übungen wie Kniebeugen und Ausfallschritte wichtig, weil sie den Po und die Beine formen und die Haut optimal straffen. Außerdem verbrennt Krafttraining durch den höheren Nachbrenneffekt mehr Kalorien als etwa Joggen!

SPIEGEL ONLINE: Manche Frauen haben Angst davor, zu viele Muskeln aufzubauen.

Simonetti: Viele Frauen sind abgeschreckt, wenn sie in den Medien Frauen mit extremen Muskelpaketen sehen. Solche Extreme sind aber nicht natürlich, diese Frauen spritzen sich männliche Hormone, bekommen womöglich eine tiefe Stimme und ein breites Kinn. Wer normal trainiert, muss vor übermäßigem Muskelaufbau keine Angst haben. Dazu haben Frauen zu wenig vom männlichen Testosteron.

SPIEGEL ONLINE: Wie wichtig ist die Ernährung für ein effektives Training?

Simonetti: Die Ernährung ist entscheidend. Ich glaube, dass die Figur letztendlich in der Küche definiert wird. Als ich vor zwölf Jahren mit dem Bodybuilding anfing, habe ich zwei Jahre lang trainiert wie ein Verrückter, aber normal gegessen. Das Ergebnis: Mein Körper veränderte sich kaum.

SPIEGEL ONLINE: Was ist richtig? Vor oder nach dem Training essen?

Simonetti: Beides. Trainieren mit leerem Magen kann zwar für die Fettverbrennung förderlich sein, oft fehlt dann aber die Energie. Ich empfehle etwa eine Stunde vor dem Training eine Kleinigkeit zu essen. Wer optimal Muskeln aufbauen will, sollte nach dem Training schnelle Eiweiße wie Molkenprotein in Kombination mit schnellen Kohlenhydraten wie Dextrose oder Maltodextrin zu sich nehmen. Nach dem Training benötigt der Körper Eiweißbausteine für die Muskeln und Kohlenhydrate um die Glykogenspeicher wieder zu füllen. Wer das nach dem Training umsetzt, wird merken, dass der Körper sich schneller erholt und das Muskelwachstum nicht lange auf sich warten lässt.

SPIEGEL ONLINE: Worauf kommt es bei der Ernährung noch an?

Simonetti: Sie sollte proteinreich sein. Dabei reichen bereits 1,3 bis 1,5 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Das geht auch ohne Pulver, etwa mit Fleisch, Bohnen und Milchprodukten. Fette sind wichtig, um die Hormonproduktion und die Fettverbrennung anzukurbeln, deswegen sollte man davon nicht zu wenig essen. Bei Kohlenhydraten sollte man unterscheiden: Weizen und Roggen etwa sind nicht optimal. Sie haben einen recht hohen glykämischen Index, steigern also den Blutzuckerspiegel. Und sie enthalten einen hohen Anteil an Lektinen, die zur Übersäuerung und Gelenkschmerzen führen können. Eine gute Brotalternative ist da Dinkel. Ein letzter Tipp: Je später es wird, desto weniger Kohlenhydrate sollte man essen, da abends der Stoffwechsel langsamer wird.

SPIEGEL ONLINE: Es bedarf also viel Disziplin.

Simonetti: Ja, aber auch wer trainiert, darf mal weggehen und sich sündhafte Sachen gönnen. Auch wenn der Ernährungsplan nur zu 50 oder 60 Prozent eingehalten wird, ist das gut und macht sich am Körper bemerkbar.

SPIEGEL ONLINE: Sie selbst begehen also auch mal kleine Sünden?

Simonetti: Hin und wieder. Sonst macht das Leben ja keinen Spaß. Insgesamt bin ich da aber vorsichtiger, da ich sehr hohe Ansprüche an mich selbst habe.

Das Interview führte Daniela Albat
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
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