
German Frauleins: Frauen-Power auf acht Rädern
Längstes Radrennen der Welt "Wir verzichten auf viel - aber das ist es wert"
Genia Schäferhoff, Jahrgang 1979, ist eine von vier Fahrerinnen der German Frauleins, dem ersten deutschen Damenteam bei dem Race Across America (RAAM), dem längsten Radrennen der Welt. Das Vierer-Team startet am 14. Juni 2014 in Oceanside (Kalifornien) und fährt 3000 Meilen (4882 Kilometer) bis nach nach Annapolis (Maryland), in der Nähe von Washington. Genia Schäferhoff ist Bau-Ingenieurin und lebt in Hamburg.Hompage German Frauleins
SPIEGEL ONLINE: Frau Schäferhoff, Sie sind Teil des ersten deutschen Damenteams beim Race Across America (RAAM), dem härtesten Radrennen der Welt. Ein Fahrer sagte mal, man müsse sich ins Koma fahren …
Schäferhoff: Koma? Soweit würde ich jetzt nicht gehen (lacht), aber es ist wahrscheinlich wie Meditation.
SPIEGEL ONLINE: Oder es wartet gähnende Langeweile. In Kansas fährt man Hunderte von Kilometern nur geradeaus.
Schäferhoff: Ja, irgendwann fährt man wie in Trance. Kopf aus, einfach treten.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Team fährt tagelang Rad, durch Wind, Wüste, Kälte, Dunkelheit, über Berge. Fast 5000 Kilometer - das sind Strapazen pur. Warum tun Sie sich das an?
Schäferhoff: Das haben wir uns auch schon gefragt (lacht), aber im Ernst: Es ist ein Traum, einmal die komplette USA auf dem Rennrad zu durchqueren. Außerdem ist es eine tolle Herausforderung. Doch ehrlich gesagt, als wir uns vor eineinhalb Jahren dazu entschlossen hatten, war uns nicht klar, was das alles bedeutet. Trotzdem bereuen wir keinen Millimeter und freuen uns wahnsinnig drauf!
SPIEGEL ONLINE: Ihr Team heißt German Frauleins, das klingt ein bisschen nach Mädelsausflug. Nimmt man Sie ernst?
Schäferhoff: Ja, das ist kein Problem. Aus unserem Bekanntenkreis wurden wir zwar schon für verrückt erklärt, aber wenn die anderen sehen, wie gewissenhaft wir uns vorbereiten und wie stark unser Wille ist, wird klar, dass wir keine Kaffeefahrt vorhaben.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind alle berufstätig, wie finden Sie die Zeit für das aufwendige Training?
Schäferhoff: Das war in der Tat ein Spagat. Seit eineinhalb Jahren haben wir kein Privatleben mehr. Es gibt nur noch den Job und Amerika. Das ist nicht einfach. Wir verzichten auf viel - aber das ist es wert.
SPIEGEL ONLINE: Wie viele Kilometer sind Sie pro Woche gefahren?
Schäferhoff: Das kann man nicht genau sagen, je nach Trainingsphase zwischen 200 und 500 Kilometer in der Woche. Aber Radtraining besteht nicht nur aus Radfahren. Seit Monaten machen wir viel Krafttraining, für Beine, aber auch für den Oberkörper: Bauch und Rücken. Für die Stabilität auf dem Rad. Ich habe viel Zeit im Fitnessstudio verbracht - was ich echt gehasst habe.
SPIEGEL ONLINE: Sie kommen aus Hamburg. Wie haben Sie sich auf die Wüstenhitze, die kalten Nächte und die bergigen Strecken im Grand Canyon vorbereitet?
Schäferhoff: Kälte ist kein Problem, die sind wir hier gewöhnt. Nachts sind wir auch schon gefahren, bei 24-Stunden-Rennen zum Beispiel. Was die Hitze angeht - da gibt es wirklich Fahrer, die in der Sauna trainieren. Das haben wir nicht gemacht. Ich habe explizit trainiert, auf dem Rad extrem viel zu trinken. Es ist gar nicht so leicht, 1,5 Liter in der Stunde zu sich zu nehmen.
SPIEGEL ONLINE: Sie klingen entspannt. Aber wenn man sieben bis neun Tage lang im Sattel sitzt, …
Schäferhoff: … kann man nur hoffen die richtige Hose, die richtige Sitzcreme und die richtige Position auf dem Rad zu haben (lacht).
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie das Fahren in der Höhe trainiert?
Schäferhoff: Wir waren zu Trainingslagern auf Mallorca und in Süddeutschland. Ansonsten sagen wir hier in Hamburg: Unser Wind sind unsere Berge.
SPIEGEL ONLINE: Die Regel beim RAAM besagt, dass die Teams nonstop Radfahren müssen. Wie sieht Ihre Renntaktik aus?
Schäferhoff: Wir haben zwei Zweier-Teams gebildet, die jeweils in Neun-Stunden-Schichten fahren und sich abwechseln. So fährt jede eineinhalb Stunden, hat dann wieder eineinhalb Stunden Pause. Und nach der Schicht können wir dann drei bis fünf Stunden im Wohnmobil schlafen, was vorfährt und am nächsten vereinbarten Treffpunkt auf den nächsten Wechsel wartet. Vor dem Schlafdefizit habe ich am meisten Respekt. Wir haben kein eigenes Bett und sind immer vom Team umgeben.
SPIEGEL ONLINE: Ein entscheidender Faktor ist der Teamgeist. Wie haben Sie das trainiert?
Schäferhoff: Uns ist bewusst, dass das ganze Team funktionieren muss. Auch und gerade die Leute um uns herum. Das Team besteht ja nicht nur aus uns Fahrerinnen. Wir haben eine siebenköpfige Crew, die uns begleitet. Wir wohnen alle verstreut in verschiedenen Städten. Also haben wir Team-Wochenenden organisiert, an denen wir uns getroffen haben, um uns kennenzulernen. Und wir haben eine Whatsapp-Gruppe, wo wir uns Bilder und Kommentare schicken.
SPIEGEL ONLINE: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Schäferhoff: Auf die Atmosphäre beim Rennen, die Erlebnisse auf dem Rad, die Landschaften. Ich will der Sonne entgegen fahren. Das Zeitlimit sieht vor innerhalb von neun Tagen anzukommen - sieben Tage wären super. Ich sage immer: Je schneller wir im Ziel sind, desto schneller haben wir Urlaub.