
Boris Lauser: Koch ohne Herd
Rohkost "Die meisten denken, dass man nur Salat essen kann"
SPIEGEL ONLINE: Herr Lauser, Rohkost-Koch ist ja ein Widerspruch in sich. Was sind Sie denn genau?
Lauser: Ich sage immer: Gourmet Raw Chef und Culinary Artist - weil es gut klingt. Auf Deutsch habe ich leider noch keine richtige Bezeichnung gefunden. Rohkost-Chef passt aber auch: Ich bereite ja Speisen zu.
SPIEGEL ONLINE: Sie verstehen sich als Künstler?
Lauser: Ein Koch ist jemand, der in einem Restaurant unter Anleitung eigenständig sehr gut nachkochen kann. Der Chefkoch ist ein kreativer Kopf, der neue Rezepte kreiert, mit Geschmäckern und Konsistenzen spielt, lehrt und unterrichtet. So sehe ich mich eher. Ich verstehe mich aber vor allem als Trainer. Das ist meine Haupteinnahmequelle.
SPIEGEL ONLINE: Sie zeigen anderen, wie man ohne Backofen und Herd vegane Speisen zubereitet. Womit arbeiten Sie denn?
Lauser: Ich verwende Mixer, Küchenmaschinen und Dörrofen, das sind kleine Boxen, die bei 42 Grad warme Luft übers Essen blasen, damit die Feuchtigkeit entweicht. Es wird also leicht erhitzt, aber so, dass alle Nährstoffe enthalten bleiben. Ab 42 Grad gehen viele Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme verloren. Zudem verändert sich die chemische Struktur von Proteinen und Fetten. Deshalb ist Rohkostgemüse gesünder.
SPIEGEL ONLINE: Die meisten Menschen haben genau deswegen ungute Assoziationen. Vegetarisch und vegan essen liegt ja im Trend . Aber Rohkost? Das klingt nach Karottensticks und Kräuter-Dip. Macht nicht gerade Appetit.
Lauser: Nee, absolut nicht. Der Begriff Rohkost ist auf jeden Fall negativ belastet. Man denkt an Salatbars aus den neunziger Jahren. Aber das hat mit dem, was ich mache, überhaupt nichts zu tun.
SPIEGEL ONLINE: Was kommt bei Ihnen auf den Tisch?
Lauser: Man kann im Grunde jedes Gericht in einer Rohkostvariante anbieten. Ich mache zum Beispiel Spaghetti Bolognese, Lasagne , Tiramisu, Mousse au Chocolat, mexikanische Tacos, Pizza , lauwarme Suppen.
SPIEGEL ONLINE: Lauwarme Suppen? Vermissen Sie nicht dieses wohlig-wärmende Gefühl im Bauch beim Essen?
Lauser: Nein, ich esse ja selber Gekochtes - ich bereite es nur nicht selber zu. Meine Ernährung besteht zu rund 70 Prozent aus Rohkost. Da bin ich völlig undogmatisch, ich esse eigentlich alles - sogar Fisch und Fleisch, aber ich lege Wert auf höchste Qualität. Ich esse keine fabrikverarbeiteten Produkte, kein Weißzucker, kein Weißmehl.
SPIEGEL ONLINE: Was sind die größten Irrtümer bei der Zubereitung von Rohkost?
Lauser: Die meisten denken, dass man nur Salat essen kann und dass Essen langweilig wird. Das ist falsch. Wer meine Gerichte kennt, weiß, dass es superleckere, spannende Küche ist, bei der man nichts vermisst. Viele haben auch Angst, dass es einem bei veganer Rohkost an Proteinen mangelt. Das ist ein großer Mythos. Der Bedarf wird voll gedeckt.
SPIEGEL ONLINE: Halten Sie Rohkost für gesünder als andere Kost?
Lauser: Ich hatte früher ganz schlimme Pollenallergie, die ich mit Kortison behandeln musste. Mittlerweile habe ich zwei Tage im Jahr juckende Augen, und das war's. Ich hatte auch schlimme Hautprobleme - jetzt habe ich eine total gesunde Haut. Studien haben gezeigt, dass kalorienreduzierte Ernährung zu einem längeren Leben führt. Nahrungsmittel-Intoleranzen kannst du damit eindämmen.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt nach einem Allheilmittel - es gibt aber sicher auch Nachteile.
Lauser: Es gibt in jedem Fall Nachteile von Rohkosternährung - wenn man sie falsch angeht. Ich denke eh nicht, dass alle Menschen zu hundert Prozent Rohkost essen sollten. Gerade Menschen, die körperlich arbeiten oder Sport treiben, brauchen oft mehr Kalorien .
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie denn keine Verdauungsprobleme?
Lauser: Am Anfang der Umstellung kann es erst mal schwer sein , aber wenn sich der Körper erst einmal gewöhnt hat, hat er viel weniger zu tun, Dinge aufzuspalten und daher mehr Energie zur Verfügung. Man fällt nicht mehr in ein Hungerloch und ist satt, ohne voll zu sein.
SPIEGEL ONLINE: Rohkostküche ist aber aufwendig, oder?
Lauser: Jein. Generell finde ich, sollte jeder sich darüber Gedanken machen, wie er seine Freizeit gestalten möchte und welche Werte wichtig sind. Man sollte wieder mehr selbst machen. Ich glaube, dass viele Volkskrankheiten daher kommen, dass wir zu Fertiggerichten greifen. Es hat einen unheimlichen Wert, sein Essen selbst zuzubereiten - ob Rohkost oder nicht. Und wenn man kocht, sind Rohkostgerichte oft schneller. Mein Standardgericht sind Spaghetti Bolognese mit Zucchini-Nudeln. Die Tomatensauce dazu ist in zwei Minuten zubereitet. Das Essen ist schneller fertig als ein Fertiggericht.
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