Späte WM-Spiele So verändert Schlafmangel den Körper

Lange Fernsehen: Wiederholter Schlafmangel zehrt an unseren Kräften
Foto: Corbis1. Wie gut kommt der Körper ein, zwei Nächte mit wenig Schlaf zurecht?
Klar, wer bis fast 2 Uhr mit seiner Mannschaft mitgefiebert hat, um 4 Uhr euphorisiert eingeschlafen ist, für den wird das Aufstehen vier Stunden später schrecklich sein. Aber: "Eine Nacht mit wenig Schlaf steckt fast jeder locker weg", sagt Joachim Ficker, der als Chefarzt am Klinikum Nürnberg unter anderem das Schlafmedizinische Zentrum leitet. Ist das Aufstehen geschafft, sollte die Müdigkeit nach einigen Minuten nachlassen. Lediglich die üblichen leichten Leistungstiefs gegen Mittag und gegen 17 Uhr dürften etwas schwerer ausfallen.
Aber: "Wer schon mit einem Schlafdefizit in die kurze Nacht reingeht, der wird es am nächsten Tag viel deutlicher merken als jemand, der vorher genug geschlafen hat", sagt Dieter Kunz, Chefarzt an der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin.
Wie stark sich Schlafmangel auf den Körper auswirkt, zeigt eine Studie, die 2013 im Fachmagazin "PNAS" erschien und für Aufsehen sorgte. Schlafforscher Derk-Jan Dijk von der britischen University of Surrey und seine Kollegen untersuchten die Gen-Aktivität in Blutzellen von Probanden, die eine Woche lang pro Nacht nur knapp sechs Stunden geschlafen hatten. Ergebnis: Die Aktivität von 711 Genen hatte sich merklich verändert. Dies kann sich auf alle möglichen Vorgänge im Körper auswirken - vom Konzentrationsvermögen bis zu Regenerationsprozessen.
Kritisch werde es, wenn jemand nach mehreren Nächten mit wenig Schlaf Monotones erledigen müsse, wozu auch Fahren auf der Autobahn zähle, sagt Ficker.
2. Bringt "Vorschlafen" am Nachmittag etwas?
Nachmittags hinlegen, dann Jogis Jungs anfeuern und am nächsten Tag ausgeschlafen sein - das funktioniert leider nicht. "Der Schlaf-wach-Rhythmus gerät durcheinander, und man ist später weniger müde, wenn man schlafen will", sagt Ficker. Außerdem ist der Schlummer am Nachmittag oder frühen Abend meist zu kurz, um einen Schlafmangel in der darauffolgenden Nacht zu kompensieren. "Der Tiefschlaf, der besonders wichtig für die Erholung ist, wird zumeist nicht erreicht. Und wenn doch, kann man danach den Fußball nicht genießen", sagt Dieter Kunz.
3. Wie wirkt sich Bierkonsum auf den Schlaf aus?
Deutschland liegt hinten, wie frustrierend, da hilft nur ein Bier. Deutschland liegt vorne, wie wunderbar, darauf ein Bier. Deutschland hat gewonnen, Prost! Eigentlich gibt es immer einen Grund für ein paar Bier an einem Fußballabend. Die Rechnung bezahlt der Fan allerdings ein zweites Mal in der Nacht.
Zwar mag mancher nach ein paar Bier schneller einschlafen. Das ist aber der einzige Vorteil. Alkohol mindert die Schlafqualität, unter anderem verkürzt er den REM-Schlaf, der für die Regenerationsprozesse im Körper wichtig ist.
"Die sogenannte 'Entmüdung' geht nicht so schnell, wenn wir Alkohol getrunken haben und dann schlafen gehen", sagt Ficker. Das heißt, bei der gleichen Menge Schlaf fühlen wir uns am nächsten Tag weniger erholt und müder.
Für Frauen ist Schlaf nach Alkoholgenuss noch weniger erholsam als für Männer, berichteten Wissenschaftler um Todd Arnedt von der University of Michigan im Jahr 2011. Das zeigte nicht nur der subjektive Eindruck, den die Forscher abgefragt hatten. Die Wissenschaftler hatten dies auch in objektiven Messungen mittels sogenannter Polysomnografie bestätigt.
Ganz aufs Bier verzichten wird deshalb wohl niemand, für den das Getränk zum Fußball dazugehört. Allerdings gilt: "Hat man ein Schlafdefizit und trinkt dann Alkohol, addieren sich die Effekte auf, und die Probleme am nächsten Tag werden noch größer", sagt Ficker.
4. Was tun, um trotz Müdigkeit wach und leistungsstark zu sein?
Nehmen wir den besten aller schlechten Fälle an: Deutschland hat gewonnen, Sie haben darauf ein paar Bier getrunken, noch ein wenig gefeiert, sind spät schlafen gegangen. In der Nacht zuvor haben Sie ebenfalls wenig geschlafen, WM ist schließlich nur einmal in vier Jahren. Was tun?
"Gönnen Sie sich morgens helles Tageslicht, dann haben Sie schon einmal weniger Probleme, richtig wach zu werden", sagt Ficker.
Um beim Aufstehen schnell in Form zu kommen, braucht der Organismus laut Kunz einen klaren Startimpuls. "Kalt duschen wirkt tatsächlich", sagt Kunz. Der Grund: Beim Aufwachen ist der Körper innen gewissermaßen im Ruhemodus und damit vergleichsweise kühl. Bei einer kalten Dusche ziehen sich die Gefäße in Händen und Füßen zusammen, weniger Blut fließt in die Extremitäten, weniger Wärme wird abgegeben - der Körperkern erreicht Betriebstemperatur.
Während des Tages empfiehlt sich laut den beiden Experten das, was die meisten aus eigener Erfahrung als wirksam erlebt haben: Fenster öffnen, um kühle Luft reinzulassen, kaltes Wasser ins Gesicht, sich bewegen. Auch ein Power Nap kann helfen, länger als 20 Minuten sollte das Schläfchen aber nicht dauern. Und natürlich: Kaffee, Cola, also Koffein. "Das wirkt besonders gut, wenn man es sonst nicht zu oft trinkt", sagt Ficker.
Am Abend schließlich sollte der erschöpfte Fan früh ins Bett gehen. Wenn es nicht gerade wieder eine interessante Begegnung bei der WM gibt.
5. Gibt es einen Wachmacher-Geheimtipp jenseits von Koffein?
Was ist eigentlich mit Vitaminen und anderen Stoffen, denen nachgesagt wird, dass sie wach machen? Laut Ficker ist weder von Vitamin C noch beispielsweise von Magnesium oder ASS eine objektive Wirkung auf Müdigkeit oder Wachheit nachgewiesen.