Aktive Kinder Mehr Bewegung für bessere Schulnoten

Lehrer und Eltern schicken Kinder zum Lernen an den Schreibtisch. Dabei beeinflusst gerade Bewegung die Schulleistungen vermutlich positiv. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass mehr Sport vor allem Mädchen zu besseren Noten verhilft.
Schülerinnen beim Lernen: Besonders Mädchen scheinen von viel Bewegung zu profitieren

Schülerinnen beim Lernen: Besonders Mädchen scheinen von viel Bewegung zu profitieren

Foto: Angelika Warmuth/ dpa

"Ab an den Schreibtisch, Hausaufgaben machen und lernen." Das tragen viele Eltern ihren Sprösslingen auf, um sie in der Schule auf Kurs zu halten. Doch vielleicht sollten sie es mit einem anderen Rat versuchen: "Ab nach draußen, toben und bewegen", könnte dieser lauten. Denn offenbar steigert Bewegung in der Kindheit langfristig die geistige Leistungsfähigkeit, wie eine Studie im Fachmagazin "British Journal of Sports Medicine" jetzt nahelegt. Mädchen können demnach ihr Verständnis für Naturwissenschaften über regelmäßige Bewegung in jungen Jahren dauerhaft aufpolieren.

Wissenschaftler um Josie Booth von der University of Dundee werteten die Daten von knapp 4800 Kindern aus, die zwischen April 1991 und Ende 1992 im Südwesten Englands geboren wurden. Mit einem Beschleunigungssensor wurde bis zu eine Woche lang erfasst, wie intensiv und wie lange sich die Kinder im Alter von elf Jahren sportlich betätigt, getobt oder beim Spielen bewegt hatten. Bei den Jungen ermittelten die Forscher eine Bewegungszeit von im Schnitt knapp einer halben Stunde am Tag, bei den Mädchen waren es knapp zwanzig Minuten.

Mit elf sowie mit 13, 15 und 16 Jahren wurden alle Studienteilnehmer in Englisch, Mathe und Naturwissenschaften getestet. Faktoren, die das Abschneiden in solchen Tests zusätzlich beeinflussen können, wurden aus den Ergebnissen herausgerechnet. Dazu zählten beispielsweise das Geburtsgewicht des Kindes, ob die Mutter in der Schwangerschaft geraucht oder ob das Kind bereits die Pubertät erreicht hatte.

Vielleicht nur ein Zufallstreffer

Die Auswertung zeigte: Je häufiger sich der Nachwuchs mit elf Jahren körperlich intensiv betätigt hatte, desto besser schnitt er in diesem Alter und auch bei den späteren Tests in Englisch, Mathe und Naturwissenschaften ab. Bei den Jungs wirkten sich jeweils 17 Minuten zusätzliche intensive Bewegung am Tag mit elf Jahren positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit mit 15 und 16 aus. Bei den Mädchen zeigten schon zwölf Minuten mehr körperliche Aktivität im Alter von elf Jahren eine positive Wirkung auf die Testergebnisse als Teenager. Einen besonders großen Effekt hatte körperliche Aktivität auf die Bewertungen in den Naturwissenschaften bei den Mädchen.

"Dass vor allem die Mädchen durch Bewegung ihre Leistungen in den Naturwissenschaften verbessern konnten, ist eine wichtige Erkenntnis", schreiben die Forscher. "Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Europäische Kommission den Frauenanteil in der Wissenschaft erhöhen möchte." Das Ergebnis weise zudem darauf hin, dass Bewegung sich stärker auf die Hirnleistung von Mädchen und Frauen auswirken könnte.

Die Forscher räumen allerdings ein: "Es kann auch sein, dass es sich um einen Zufallsfund handelt. Das Ergebnis muss durch weitere Studien bestätigt werden." Insgesamt seien die positiven Effekte der Bewegung auf die geistige Leistungsfähigkeit in der Studie zwar durchgehend vorhanden, aber gering gewesen. Ein Manko sei auch, dass sich die Kinder, wie in der westlichen Welt typisch, sehr wenig bewegt hatten.

Frische Synapsen auch für Erwachsene

Inwiefern sich gezieltes Training, häufigere oder länger andauernde Bewegung auf die Hirnleistung auswirkt, können die Forscher daher nur spekulieren. "Auch der Grenzwert, den wir für den Übergang zwischen leichter und intensiver Bewegung festgelegt haben, könnte das Ergebnis in die eine oder andere Richtung verschoben haben", schreiben Booth und Kollegen. Und es bleibt ein Restrisiko, dass es nicht die Bewegung war, die die geistige Entwicklung gestärkt hat, sondern andere Angewohnheiten, die in der Studie nicht erfasst wurden.

Bisherige Ergebnisse bestätigen die Tendenz der aktuellen Studie: Bereits im Januar 2012 werteten niederländische Forscher in einem Übersichtsartikel  14 Studien zum Einfluss von Bewegung auf die schulischen Leistungen aus. Oft sei die Aussagekraft der Analysen durch eine sehr geringe Teilnehmerzahl begrenzt. Anhand des Materials von zwei qualitativ hochwertigen Untersuchungen kommen die Forscher dennoch zu dem Ergebnis, dass Bewegung die schulischen Leistungen von Kindern verbessern kann. Ebenso legte eine finnische Studie kürzlich nahe, dass Sport, Bewegung und Geschicklichkeit bessere Noten bescheren können. Die Weichen werden demnach schon im Grundschulalter gestellt. Schätzungen zufolge bewegt sich weltweit nur jedes dritte Kind ausreichend.

Auch Studien an Erwachsenen haben bereits gezeigt, dass Sport sich positiv auf die geistigen Fähigkeiten auswirkt. Demnach steigert Bewegung die Durchblutung des Gehirns, begünstigt die Bildung von neuen Verknüpfungen und festigt bestehendes Wissen.

"Wenn das Ergebnis unserer Studie durch weitere aussagekräftige Untersuchungen bestätigt wird, könnte das Einfluss auf die Gesundheits- und Bildungspolitik haben", schreiben Booth und Kollegen. Sie sprechen sich dafür aus, Kinder und Jugendliche in der Schule zu mehr Bewegung zu animieren. Ganz ohne Lernen und Hausaufgaben wird das Wissen in Arbeiten und Tests aber auch dann nicht aus dem Hirn sprudeln.

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