Achilles' Ferse Kalte Küche, heißer Reifen

Spitzenleistungen beim Sport - nur mit Rohkost. Radprofi Stefan Hiene ernährt sich vegan und verzichtet seit Jahren auf warme Mahlzeiten. Im Interview erklärt der 37-Jährige, wie sein Ernährungskonzept funktioniert - und wie schwer ihm die Umstellung fiel.
Rohkost: Reine Energie

Rohkost: Reine Energie

Foto: dapd

SPIEGEL ONLINE: Herr Hiene, Sie essen keine gekochten Mahlzeiten und ernähren sich nur von Rohkost. Müssen Sie nicht Unmengen essen, um halbwegs satt zu werden?

Hiene: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Je hochwertiger die Nahrung ist, desto weniger muss ich essen. Anfangs hatte ich das Gefühl, nie satt zu sein. Ich habe deshalb riesige Salatportionen verschlungen. Aber das ist Unsinn. Unser Körper braucht gar nicht so viel. Wir haben uns nur daran gewöhnt, zu viel zu essen.

SPIEGEL ONLINE: Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, Ihre Ernährung auf Rohkost umzustellen?

Hiene: Als mir ein Freund erzählte, dass er an Leberkrebs erkrankt sei, begann ich, mich mit gesunder Ernährung zu beschäftigen, also Rohkost, veganes Essen. Am Anfang war ich skeptisch und konnte mir nicht vorstellen, dass man sich so asketisch ernähren kann . Aber ich war neugierig und wollte es ausprobieren.  

SPIEGEL ONLINE: Sie verzichten auf warme Mahlzeiten, auf Nudeln, Fleisch, Käse. Wie schwer ist die Umstellung gewesen?

Hiene: Wahnsinnig schwer. Meine ersten Selbstversuche sind alle gescheitert (lacht). 2007 habe ich dann das Projekt "Raw Power" gestartet. Ich habe zwei Wochen lang nur Rohkost zu mir genommen und bin anschließend ein Mountainbike-Rennen gefahren. So radikal würde ich das zwar keinem empfehlen, bei mir musste das aber sein, sonst hätte ich das nicht durchgezogen.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie bei diesem Rennen abgeschnitten?

Hiene: Meine Leistung war wie sonst auch. Es gab keinen Unterschied.

SPIEGEL ONLINE: Es hat sich nichts verändert - kaum zu glauben.

Hiene: Meine sportliche Leistung hat sich bis heute nicht groß verändert. Ich bin auch nicht ständig schlapp, wie viele denken. Im Gegenteil, ich fühle mich viel leichter und fitter. Früher war ich nach Wettkämpfen tierisch müde und hatte Kopfschmerzen. Die habe ich heute nicht mehr.

SPIEGEL ONLINE: Was hat sich durch die Ernährungsumstellung noch verändert?

Hiene: Nach einiger Zeit sind Hautunreinheiten komplett verschwunden. Obwohl meine Hautärztin immer gesagt hat, dass dagegen nichts zu machen sei. Auch mein Heuschnupfen, den ich seit meiner Jugend hatte und der mich oft bei Wettkämpfen behinderte, ist weg. Dann sind da subtile Veränderungen, die sich erst nach und nach einstellen. Ich hatte zum Beispiel irgendwann festere Fingernägel und weniger Schuppen.

SPIEGEL ONLINE: Aber fehlen Ihnen nicht Eiweiße und wichtige Nährstoffe?

Hiene: Nein, überhaupt nicht. In Gemüse und Wildkräutern wie Löwenzahn und Brennnesseln steckt viel Eiweiß. Sehr viele Nährstoffe sind beispielsweise im Moringabaum enthalten. Den kennt hierzulande kaum jemand, aber in Afrika bezeichnet man ihn als Wunderbaum, weil seine Samen wasserreinigende Wirkung besitzen .

SPIEGEL ONLINE: Okay, Rohkost scheint Ihnen gut zu bekommen. Aber wird Gemüse und Obst essen auf die Dauer nicht langweilig?

Hiene: Kochen war eh noch nie ein Hobby von mir. Das lass ich gerne andere machen. Es gibt immer mehr Rohkost-Restaurants, die wirklich gut sind. Bei vielen Gerichten würden die meisten noch nicht einmal einen Unterschied schmecken.

SPIEGEL ONLINE: Sie meinen geschmacklich sind Rohkost-Gerichte mit der konventionellen Küche vergleichbar. Ist das Ihr Ernst?

Hiene: Meine persönliche Rohkost-Variante  ist zwar kein kulinarisches Highlight, aber ich finde die Inhaltsstoffe so genial, dass mich das nicht stört. Mein Frühstück sieht in der Regel so aus, dass ich mit einem Glas Weizengras-Saft oder Glas Wasser mit Heilerde anfange, und dann mache ich weiter mit Saft aus grünem Gemüse, das ausgepresst wird. Das schmeckt nicht sensationell - trotzdem ist es für mich interessanter als eine konventionelle Ernährung.

SPIEGEL ONLINE: Ist das, was Sie tun, nicht im Grunde eine Diät? Haben Sie denn abgenommen?

Hiene: Als Diät empfinde ich das nicht, sondern eher als Lebensstil. Man kann natürlich so eine Art Fastenkur machen. Dann trinkt man einen Monat lang nur grüne Smoothies oder grüne Säfte. Dann kann das eine sehr tolle reinigende und entgiftende Wirkung haben. Und dabei kann man natürlich auch Gewicht verlieren. Das war aber nie mein Ziel. Ich habe auch nicht abgenommen.

SPIEGEL ONLINE: Was sagt eigentlich Ihr Hausarzt zu dem Ganzen?

Hiene: Ich habe keinen Hausarzt und wenn ich einen hätte, würde es mich nicht interessieren, was er sagt (lacht).Wir leben in einer seltsamen Kultur, in der wir viel zu viel Wert auf die Meinung anderer legen. Dadurch haben wir den Mut für eigene Experimente verloren. John Switzer, der Arzt, der mich auf meinem Weg begleitet, ist selbst Rohköstler, und mit ihm schreibe ich gerade mein erstes Buch über meine Erfahrungen und meine Ernährungsvarianten.

SPIEGEL ONLINE: Um diese Art der Ernährung durchzuhalten, braucht man viel Selbstdisziplin. Wie schaffen Sie es durchzuhalten?

Hiene: Man muss schon begeistert sein von dem Thema. Aber wenn man nicht überzeugt ist, dann bringt keine Ernährungsumstellung etwas. Auch wenn mir Rohkost gut tut, sage ich nicht, dass sich jeder so ernähren sollte.

SPIEGEL ONLINE: Machen Sie nie eine Ausnahme, wenn Sie total Lust auf Pommes oder Pizza haben?

Hiene: Das kommt eigentlich selten vor. Ab und zu habe ich Lust auf Schokolade. Dem gebe ich dann nach. Und es gibt tolle Rohschokolade ohne Zuckerzusatz.

Tipps, Tricks und Infos zu den besten, lustigsten und absurdesten Diäten gibt es in dem neuen E-Book von Achim Achilles: Laufen und Abnehmen - die besten Diäten der Welt im Test .

Das Interview führte Julia Schweinberger
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