Gute Süße, schlechte Süße Was taugen Zucker-Alternativen?
Agavensirup, Stevia, Kokosblütenzucker: Mit dem Griff zur Zucker-Alternative glauben viele Verbraucher, ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun. Doch die vermeintlich natürlichen Produkte sind nicht immer die bessere Wahl. Ein Überblick.
Mehr als acht Stunden dauert es, bis sich eine grobe Zuckerrübe in feinen, raffinierten Haushaltszucker verwandelt hat. Der schmeckt zwar gut, wertvolle Nährstoffe bringt er aber nicht mit. "Beim Verarbeiten gehen die Mineralien und Vitamine aus der Rübe fast vollständig verloren", sagt Elektra Polychronidou vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. "Übrig bleiben nur sogenannte leere Kalorien."
Gerade diese steigern allerdings den Appetit: Zucker kann - besonders als Inhaltsstoff in verarbeiteten Lebensmitteln - laut Experten süchtig machen und bei hohem Verzehr das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Aus diesem Grund versuchen viele, ihre Speisen mit anderen Produkten zu süßen. Ein Gewinn ist das nicht immer.
Dicksäfte
Wer weniger stark verarbeiteten Zucker essen möchte, setzt auf natürliche Süßungsmittel wie Dicksäfte. Der Saft von Äpfeln, Birnen, Trauben und Agaven wird durch ein Vakuumverfahren zu einem dickflüssigen Sirup konzentriert. Dadurch bleiben Mineralstoffe, Spurenelemente und zum Teil sekundäre Pflanzenstoffe in größeren Mengen erhalten.
"Das sollte jedoch nicht als Argument betrachtet werden, nun ganz viel Sirup zu verzehren", sagt Polychronidou. Im Gegenteil: Dicksäfte haben einen hohen Fruchtzuckergehalt (Fruktose). Nach Untersuchungen des Universitätsklinikums Tübingen kann eine hohe Fruchtzuckeraufnahme den Stoffwechsel stören und eine Insulinresistenz fördern. Zudem bekommen einige Menschen Verdauungsprobleme beim Verzehr hoher Fruchtzuckermengen.
Stevia
Das Süßkraut Stevia ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Die Vorteile: Stevia beeinflusst den Insulinstoffwechsel nicht und hat keine Kalorien. "Man sollte aber wissen, dass die Produkte im Handel keine Naturprodukte sind", sagt Polychronidou. Stattdessen bestehen die Produkte aus isolierten Steviolglycosiden, den süßschmeckenden chemischen Verbindungen der Pflanze. Diese werden in sehr aufwendigen chemischen Verfahren extrahiert. Für den Biohandel sind sie damit nicht zulässig.
Zudem entlarvt der Blick auf die Zutatenliste viele Produkte als reine Mogelpackung: "Da Stevia kaum Masse ins Produkt bringt, wird oft noch anderer Zucker zugesetzt", sagt Polychronidou. Gut zu wissen: Ungefähr zehn Milligramm Steviolglycosid pro Kilogramm Körpergewicht gelten als unbedenklich. Eine Menge, die laut Warnungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) jedoch zum Beispiel durch Getränke, leicht überschritten werden kann.
Xylit
Hinter dem kryptischen Namen verbirgt sich der Zuckeraustauschstoff Xylitol, ein Zuckeralkohol, der von Natur aus in vielen Pflanzen vorkommt und auch im menschlichen Körper als Zwischenprodukt bei der Verstoffwechselung von Kohlenhydraten entsteht. Klinische Studien weisen darauf hin, dass Xylit vor Karies schützen kann. Der Zuckeraustauschstoff kommt aus diesem Grund seit vielen Jahren in zahnfreundlichen Süßigkeiten zum Einsatz.
Die Industrie bewirbt das Produkt häufig als natürlichen Zucker aus finnischem Birkenholz, doch Verbraucher sollten genau auf die Verpackung schauen, denn Xylit wird auch aus den Abfällen von Maiskolben gewonnen. Die Verwendung von gentechnisch verändertem Mais lässt sich dabei nicht immer ausschließen, es sei denn das Produkt trägt ein Biosiegel. Dass Xylit bei gleicher Süßkraft wie Haushaltszucker nur 40 Prozent der Kalorien enthält, ist ein klarer Vorteil. Zum häufigen Verzehr ist es trotzdem nicht geeignet, sagt Polychronidou: "Im Übermaß wirkt Xylit blähend und abführend."
Kokosblütenzucker
Mit einem Kilopreis von 20 bis 40 Euro gehört Kokosblütenzucker zu den absoluten Luxusprodukten. Nicht ohne Grund: Asiatische Kleinbauern produzieren den Süßstoff aus Kokospalmenblüten in aufwendiger Handarbeit. Laut verschiedener Herstellerangaben soll sein glykämischer Index von 35 niedriger als Haushaltszucker (56-75) sein. Damit würde Kokosblütenzucker den Blutzuckerspiegel nicht so stark in die Höhe schnellen lassen und den Insulinspiegel konstanter halten. Repräsentative Studien zu diesem Effekt fehlen jedoch bisher.
Viele Produkte enthalten zudem eine größere Menge an Vitaminen und Mineralien als Haushaltszucker. "Dafür ist der Importweg wieder lang", kritisiert die Lebensmittelexpertin die Ökobilanz.
Welcher Zucker soll es nun sein?
Der eine ist billig, der andere dafür kalorienarm oder nährstoffreich: "Förderlich für die Gesundheit ist im Grunde aber keiner", sagt Elektra Polychronidou. Sie rät dazu, so wenig Zucker wie möglich zu verzehren - egal welchen - und Süßigkeiten gegen Obst auszutauschen.
Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Gesamtenergie in Form von Zucker aufzunehmen. Das würde bei 2000 Kilokalorien etwa einer maximalen Aufnahme von 50 Gramm Zucker entsprechen. "Die meisten Menschen in Deutschland essen derzeit aber dreimal so viel", sagt Polychronidou.
- Bettina Levecke
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass vier Milligramm Steviolglycosid pro Kilogramm Körpergewicht als unbedenklich gelten. Tatsächlich ist die Menge größer. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.