Ernährung von Tieren Der vegane Hund

Immer mehr Menschen ernähren nicht nur sich vegetarisch oder vegan, sie wollen auch ihren Haustieren kein totes Tier servieren. Fleischlose Ernährung bei Hund und Katze - geht das?
Labrador: Hunde brauchen sehr viel Kalzium

Labrador: Hunde brauchen sehr viel Kalzium

Foto: Corbis

Lennox und Buster sind tapsende Fleischberge. Lennox, eine Bordeaux Dogge, bringt mit 48 Kilo fast genauso viel auf die Waage wie meine Freundin. Auch Buster, die weiß-schwarz gefleckte französische Bulldogge, ist ein properes Kerlchen. Heute bekommen die beiden etwas Feines: selbstgemachte Tofu-Seitan-Würstchen.

Lennox schmatzt, als Andrea sie ihm hinwirft. Auch Buster vertilgt seine innerhalb kürzester Zeit. Dann wenden sich die beiden hingebungsvoll ihren Näpfen mit dem pflanzlichen Trockenfutter zu. Dass Andrea ihnen etwas Pulver auf das Futter gestreut hat, scheint die Kraftprotze nicht zu stören. "Taurin", sagt sie. "Das muss man zufüttern, sonst können sie Mangelerscheinungen bekommen." Lennox und Buster sind Veganer - so wie Andrea und ihr Freund Martin.

Kann man Hunde fleischlos ernähren?

Die beiden haben vor einem Jahr ihre Ernährung aus ethischen und gesundheitlichen Gründen umgestellt. Doch ziemlich bald mussten sie sich von Bekannten anhören, wie inkonsequent ihr Lebensstil ja sei. Sich selbst fleischlos ernähren, aber den Hunden totes Tier servieren - wie passe das denn bitte zusammen?

Andrea begann darüber nachzudenken, ob man auch die Hunde fleischlos ernähren könne. "Ich war am Anfang sehr skeptisch", sagt sie. Aber dann habe sie im Internet Informationen dazu gefunden. Auch die Tierärztin gab grünes Licht. Nur Taurin müsse man extra zufüttern, weil die Hunde sonst Herzmuskelstörungen bekommen könnten.

Seit einem Dreivierteljahr bekommen Lennox und Buster täglich veganes Trocken-Basisfutter. Nebenher fressen sie oft auch die Reste von Andrea und Martins Mahlzeiten: Gemüse, Seitan- und Tofu-Produkte, auf die sie besonders wild seien, wie Andrea sagt. Nach einem halben Jahr Umstellung ließ sie die Kraftprotze beim Tierarzt checken - alles in Ordnung. Sie ist überzeugt, dass es den Tieren jetzt besser geht: "Lennox hatte vorher Gelenkprobleme - die sind weg."

Auch Tiere kennen Placeboeffekte

Ob das wirklich auf die vegane Ernährung zurückzuführen ist, bezweifelt Ellen Kienzle, Fachtierärztin für Tierernährung an der Universität München: "Wir kennen bei Hunden sehr starke Placeboeffekte." Allein die vermehrte Aufmerksamkeit und Betüdelung durch Herrchen und Frauchen aufgrund der Ernährungsumstellung könne schon positive Effekte hervorrufen.

Kienzle empfiehlt im Interview mit SPIEGEL ONLINE, einen Hund nur unter fachtierärztlicher Aufsicht vegan zu ernähren: "Hunde brauchen sehr viel Kalzium", sagt sie. "Im Blutbild kann man einen Kalziummangel nicht rechtzeitig erkennen." Die Folge: brüchige Knochen. Eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung von Hunden sei daher wesentlich unproblematischer. Dennoch müsse man in jedem Fall Kalzium zufüttern.

Im Freundeskreis stößt der Lebenswandel von Andrea, Martin, Lennox und Buster auf geteiltes Echo. Wenn Martin, Ex-Bodybuilder und äußerlich die menschliche Version von Lennox, in der Mittagspause seinen Veggie-Burger auspackt, während die anderen ihre Buletten vertilgen, ist das Gesprächsthema gesetzt. "Was ich mir da schon alles anhören musste", sagt er. "Das grenzt fast an Mobbing." Nicht nur Männer machen sich über ihn lustig. Auch Frauen zweifeln unterschwellig an seiner Manneskraft. Steak macht stark - glauben sie. Steinzeitweisheiten.

Was ist artgerecht?

Auf noch mehr Unverständnis stößt die Umstellung der Hunde. Einige Halter, die selbst Vegetarier sind, seien interessiert, erzählt Andrea. Andere fänden es unverantwortlich und nicht artgerecht. "Ich bin mittlerweile vorsichtig geworden, wem ich davon erzähle."

Aber was ist schon artgerecht? "Der Hund ist seit 20.000 Jahren domestiziert und hat seine Ernährungsweise an das Zusammenleben mit dem Menschen angepasst", sagt Kienzle. Heißt: Hunde sind Allesfresser - genau wie wir. Anders hingegen ist es bei Katzen, deren Stoffwechsel auf Fleisch ausgerichtet sei. "Katzen vegan zu ernähren, lehne ich daher ab", sagt die Expertin.

Vegane Ernährung, zumindest von Hunden, ist also möglich. Doch für mich bleibt am Ende die große Frage: Wieso hält ein Veganer, der jegliche Nutzung von Tieren doch eigentlich strikt ablehnt, überhaupt ein Haustier? "Veganer sollten die Bedürfnisse des Tieres respektieren und am besten kein fleischfressendes Tier halten", sagt Kienzle. Sie empfiehlt Schwein statt Hund: "Kleine Hausschweine sind sehr lustige und liebevolle Gefährten."

Andrea würde sich heute wahrscheinlich auch kein Haustier mehr anschaffen, sagt sie. Aber Lennox und Buster sind nun einmal da. Lennox zerfleischt gerade, veganisch korrekt, einen Teddybären, während Buster - veganisch unkorrekt - ein Kaninchen durch den Vorgarten jagt - aus Spaß, nicht aus Appetit. Das Schöne sei, erzählt mir Andrea, dass die beiden, seitdem sie vegan lebten, viel weniger Blähungen hätten. So haben alle was davon.

FLEISCHLOSE ERNÄHRUNG BEI TIEREN - FRAGEN AN DIE EXPERTIN

Kann man Hunde und Katzen vegetarisch oder gar vegan ernähren?Welche Schwierigkeiten gibt es dabei?Worauf sollte man beim Futterkauf achten?

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