Corona-Pandemie Experten warnen vor zweiter Infektionswelle in Großbritannien

"Wenn wir die strukturellen Probleme nicht in den Griff bekommen, werden noch viel mehr Menschen sterben." Mediziner richten mahnende Worte an Großbritanniens Premier Boris Johnson. Sie blicken mit Sorge auf den Winter.
London: In Großbritannien werden die Corona-Regeln wieder gelockert - allen Warnungen zum Trotz

London: In Großbritannien werden die Corona-Regeln wieder gelockert - allen Warnungen zum Trotz

Foto: Dominic Lipinski/ dpa

Mediziner und Wissenschaftler haben die britische Regierung eindringlich dazu aufgerufen, das Land auf eine mögliche zweite Infektionswelle im Winter vorzubereiten. "Es werden noch sehr viel mehr Menschen sterben, wenn das Land nicht endlich besser auf die Pandemie reagiert als bisher", mahnen die Experten in einem Schreiben, das der "Guardian" veröffentlichte . Zu den 27 Unterzeichnern gehört auch der Mediziner Anthony Costello, der früher Spitzenbeamter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war.

Es sei dringend nötig, die Mängel im politischen Umgang mit der Coronakrise zu beheben, die dazu geführt hätten, dass Großbritannien zu den Ländern mit den höchsten Todesraten weltweit gehöre, warnen die Fachleute. "Besonders schlimm sind die Armen und bestimmte ethnische Minderheiten betroffen", heißt es in ihrem Schreiben. Nach Angaben des britischen Gesundheitsministeriums sind seit Beginn der Corona-Pandemie mehr als 40.000 nachweislich infizierte Menschen gestorben. Kein anderes Land in Europa verzeichnet so viele Opfer. Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Von den mehr als fünf Millionen Corona-Tests fielen nach Angaben der Gesundheitsbehörde rund 280.000 positiv aus.

Angesichts der Lage im Land halten viele Fachleute die Lockerung von Maßnahmen zur Eindämmung einer weiteren Ausbreitung des Virus für verfrüht. Sie kritisieren etwa, dass die Schulen an diesem Samstag wieder für einige Jahrgangsstufen öffneten. Ab 15. Juni sollen auch alle Geschäfte wieder öffnen. Die Regierung in London steht seit Wochen in der Kritik, zu spät und falsch auf die Pandemie reagiert zu haben. Jeder Landesteil - England, Schottland, Wales und Nordirland - hat eigene Maßnahmen gegen die Coronakrise.

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Der staatliche Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) ist zudem seit Jahren chronisch unterfinanziert. Es mangelt an Ärzten, Pflegepersonal, Schutzausrüstungen und Tests. In ihrem Schreiben gehen die Mediziner auch darauf ein. Sie warnen vor einem weiteren Anstieg der Todesrate, "wenn wir nicht schnell praktische Lösungen für einige der strukturellen Probleme" finden. Die Mediziner fordern alle politischen Parteien auf, eine öffentliche Untersuchung der bisherigen Geschehnisse vorzunehmen. Dabei solle es jedoch nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um praktische Ideen, wie Ärzten, Pflegern und anderen künftig geholfen werden kann, "damit sie Menschenleben retten".

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson, der zwischenzeitlich selbst an Covid-19 erkrankte, hat sich noch nicht zu einer öffentlichen Untersuchung des politischen Handels in der Corona-Pandemie verpflichtet. Einige Minister räumten dem "Guardian" zufolge jedoch ein, dass nach der Krise "Lehren gezogen" werden müssten.

Anmerkung: Von den Corona-Tests in Großbritannien fielen nach Angaben der Gesundheitsbehörde rund 280.000 positiv aus und nicht fünf Millionen, wie es in einer ursprünglichen Version des Artikels hieß. Der Fehler wurde korrigiert.

fok/dpa
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