Respiratorisches Synzytial-Virus Könnte ein neuer RSV-Impfstoff zu Frühgeburten führen?

Der Impfstoff soll Schwangeren verabreicht werden und somit neugeborene Kinder vor schweren RSV-Verläufen schützen
Foto: Emilija Manevska / Getty ImagesLaut einem Artikel im Fachjournal BMJ (British Medical Journal) sorgen sich mehrere Experten, ob ein neuer Impfstoff gegen das RS-Virus sicher ist. Konkret geht es um den Impfstoffkandidaten »RSVpreF« des Arzneimittelherstellers Pfizer. Der bivalente Impfstoff soll Schwangeren zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche verabreicht werden. Die schützenden Antikörper werden daraufhin über die Plazenta und später über die Muttermilch an das Baby weitergegeben – das Verfahren wird als »maternale Immunisierung« bezeichnet.
Bei den Bedenken der Experten geht es nun vor allem um die Frage, ob der Impfstoff möglicherweise das Risiko für Frühgeburten erhöhen könnte. Diese Sorge ergibt sich insbesondere, weil ein ähnlicher Impfstoffkandidat des Herstellers GSK im Verdacht steht, entsprechende Nebenwirkungen auszulösen. GSK hatte im Februar 2022 die Phase-III-Studien zu seinem maternalen RSV-Impfstoff gestoppt , nachdem eine Zwischenauswertung ergeben hatte, dass in der Gruppe der Geimpften mehr Frühgeburten aufgetreten waren.
Die mögliche Nebenwirkung trat dabei vor allem bei Frauen aus Ländern mit niedrigem oder mittlerem Bruttonationaleinkommen auf, in denen Frühgeburten generell häufiger sind als in Industrienationen. Dort waren wiederum besonders jene betroffen, die zusätzlich Impfungen gegen andere Infektionskrankheiten erhielten. Andere Faktoren, die mit den vermehrten Frühgeburten bei den geimpften Frauen in Verbindung stehen könnten, identifizierten die Impfstoffentwickler von GSK laut Fachjournal BMJ nicht.
Ein solches »Sicherheitssignal«, wie Experten eventuelle Nebenwirkungen bei der Auswertung von Studiendaten nennen, sieht Pfizer in seinen bisherigen Daten nicht. Zwar wird in dem BMJ-Artikel dargelegt, dass es in früheren Daten des Pfizer-Vakzins durchaus Unterschiede bezüglich des Auftretens von Frühgeburten zwischen Placebo- und Impfstoffgruppe gab – diese seien jedoch statistisch nicht signifikant.
Experten mahnen zur Vorsicht
Pfizer hatte im April dieses Jahres Zwischenergebnisse einer Phase-III-Studie präsentiert, die die Sicherheit und Wirksamkeit seines maternalen RSV-Impfstoffs bestätigen. Ein Expertenkomitee der US-Arzneimittelbehörde FDA berät am 18. Mai im Rahmen eines beschleunigten Zulassungsverfahrens über die Zukunft der Vakzine.
Dass die vom BMJ zitierten Experten nun trotzdem weitere Untersuchungen fordern, liegt vor allem daran, dass sich die Impfstoffkandidaten von Pfizer und GSK in ihrem Wirkprinzip so stark ähneln. »Ich kann mir nicht erklären, warum der eine [Impfstoff] diese Probleme verursachen sollte und der andere nicht«, sagte etwa Cody Meissner, Professor für Pädiatrie an der Dartmouth Geisel School of Medicine und Berater in der RSV-Arbeitsgruppe der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC.
Auch Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen, mahnt gegenüber BMJ zur Vorsicht: »Nach meiner Interpretation aller Daten könnte es ein Sicherheitssignal für Frühgeburten geben, das weiterverfolgt werden sollte.« Überla ist Mitglied der Arbeitsgruppe RSV der Ständigen Impfkommission (STIKO).
Das RS-Virus führt wie die Grippe jedes Jahr zu Atemwegserkrankungen. Fast jedes Kind macht die Infektion innerhalb seiner ersten beiden Lebensjahre durch. Bei älteren Säuglingen und Kleinkindern ist das Virus die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen wegen Entzündungen von Lunge, Bronchien oder anderen Teilen der unteren Atemwege. Je geringer das Alter eines Kindes beim ersten Kontakt mit dem Virus ist, desto größer ist das Risiko für einen schweren Verlauf.
Bei dem Impfstoffkandidaten »RSVpreF« handelt es sich um eine Vakzine auf Basis des sogenannten Fusionsproteins. Dieses ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Virus in die Zellen eindringen kann. RSVpreF soll gegen beide Subtypen des RS-Virus wirksam sein. Nach Schätzungen, die im Fachjournal »The Lancet« veröffentlicht wurden , starben im Jahr 2019 weltweit mehr als 100.000 Kinder an den Folgen einer RSV-Infektion.