Paartherapie für Eltern Beziehungskiller Baby?

Das erste Kind verändert die Partnerschaft nachhaltig: Es ist gar nicht so einfach, nicht nur als Eltern zu funktionieren, sondern auch als Liebespaar zu bestehen. Paartherapeutin Corinne Beil erklärt, wie das am besten gelingt.
Paar bei der psychologischen Beratung: Durch ein Baby nimmt die Aufmerksamkeit der Partner füreinander ab

Paar bei der psychologischen Beratung: Durch ein Baby nimmt die Aufmerksamkeit der Partner füreinander ab

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Zur Person
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Corinne Beil ist ausgebildete systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin und arbeitet in München. Die gebürtige Französin lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland, ist verheiratet und Mutter von drei Kindern.

SPIEGEL ONLINE: Frau Beil, viele Paare haben nach der Geburt ihres ersten Kindes Probleme miteinander. Zuerst ist die Freude groß, und dann ist doch nicht alles so toll?

Beil: Die meisten malen sich diese Zeit vorher rosarot aus. Wenn es dann nicht so läuft wie erhofft, sind viele Paare ernüchtert und enttäuscht.

SPIEGEL ONLINE: Darf man sich also nicht zu sehr auf das Kinderkriegen freuen?

Beil: Doch, natürlich. Aber es ist auch wichtig, sich vorher bewusst zu machen, was sich dadurch verändert. Aus einer Beziehung zu zweit wird eine Beziehung zu dritt. Dadurch schwindet die Ausschließlichkeit im Verhältnis der Eltern.

SPIEGEL ONLINE: Schweißt die Liebe zum Kind nicht gerade zusammen?

Beil: Das schon. Aber an anderer Stelle nimmt die Aufmerksamkeit füreinander ab, die sich die Partner gegenseitig widmen. Konflikte, die vielleicht schon vorher unterschwellig bestanden, werden so nicht mehr gelöst und treten zugespitzt zu Tage. Dazu können Probleme damit kommen, sich in der neuen Rolle als Eltern zurechtzufinden.

SPIEGEL ONLINE: Welche zum Beispiel?

Beil: Wenn Frauen aufhören zu arbeiten, um sich um Kind und Haushalt zu kümmern, wird das häufig als selbstverständlich angesehen. Es ist aber nicht immer nur toll, den Tag daheim mit einem oft schreienden Baby zu verbringen. Vielen fehlt die Wertschätzung, die sie vielleicht im Job erfahren haben, wenn sie nur noch als "Mutti" wahrgenommen werden. Vom Partner fühlen sich die Mütter dabei oft unverstanden.

SPIEGEL ONLINE: Sollten Väter Elternzeit nehmen, um ihre Partnerin besser zu verstehen?

Beil: Das kann sicher hilfreich sein. Es kann aber auch schon genügen, darüber zu sprechen, also zu fragen: Wie geht es dir in dieser Situation? Wie kann ich dir helfen?

SPIEGEL ONLINE: So einfach ist das? Die Männer müssen bloß aufmerksamer sein und alles läuft wieder rund?

Beil: Für die Väter ist die neue Situation auch nicht leicht. Wenn die Mutter nach der Geburt die gesamte Aufmerksamkeit auf das Kind richtet, empfinden Männer das häufig so, dass für sie kein Platz mehr da ist. Viele leiden außerdem darunter, dass ihre Partnerin nach der Geburt zunächst einmal keine Lust mehr auf Sex hat.

SPIEGEL ONLINE: Sollten Paare das hinnehmen oder sollten sie versuchen, etwas daran zu ändern?

Beil: Wenn es einige Wochen nach der Geburt nicht zum Geschlechtsverkehr kommt, ist das sicherlich normal. Nähe und Zärtlichkeit sind aber ein wichtiger Bestandteil einer Beziehung. Wenn gar nichts mehr läuft und auch Küssen, Streicheln und Anfassen komplett entfallen, ist das schon sehr hart für die Männer.

SPIEGEL ONLINE: Was können Eltern tun, damit es nach der Geburt von Kindern gar nicht erst zu einer Krise kommt?

Beil: Bewusst Zeit zu zweit einplanen und alle zwei Wochen den Babysitter bestellen, um essen zu gehen oder ins Kino. Und auch zu Hause nicht immer bloß über die Kinder reden! Außerdem sollte jeder für sich versuchen, weiterhin Freundschaften und Hobbys zu pflegen.

SPIEGEL ONLINE: Das sagt sich so leicht. Wenn jeder neben der Familie noch eigene Hobbys und Freunde hat, bleibt doch noch weniger Zeit für die Beziehung übrig.

Beil: Vielleicht, trotzdem ist es wichtig, individuelle Interessen nicht aufzugeben. Es ist besser für die Beziehung, wenn sich die Partner nicht rein über ihre Rolle in der Familie definieren.

SPIEGEL ONLINE: Wenn alles nichts nützt: Was sind die ersten Warnzeichen dafür, dass es in der Beziehung nicht mehr läuft?

Beil: Zu den Warnzeichen gehört eine Art von Entfremdung, das Gefühl, den anderen nicht mehr wirklich zu kennen. Und wenn man im Gespräch keine Lösungen mehr für Konflikte findet und diese in Streit ausarten. Im fortgeschrittenen Stadium einer Krise herrscht oft eine gewisse Sprachlosigkeit, das Gefühl "ich habe dir nichts mehr zu sagen."

SPIEGEL ONLINE: Ab wann braucht ein Paar Hilfe?

Beil: Einen Therapeuten sollte man spätestens dann hinzuziehen, wenn man beginnt, Wut und Frust über die Partnerschaft auf die Kinder zu projizieren. Viele Paare warten zu lange damit, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Paartherapie und Eheberatung

SPIEGEL ONLINE: Woran liegt das?

Beil: Nach der Geburt von Kindern rutschen Eltern in einen Alltagstrott hinein, der anstrengend ist. Ihre Beziehungsprobleme nehmen sie oft gar nicht richtig wahr. Irgendwann kommt dann der Punkt der Erschöpfung und es macht sich das Gefühl breit: Wir leben nur noch nebeneinander her. Meist sind es die Frauen, die dann eine Paartherapie wollen.

SPIEGEL ONLINE: Und wenn der Partner nicht dazu bereit ist?

Beil: Am besten ist es, keinen Druck auszuüben, sondern das Ganze als Wunsch zu äußern und zu sagen: "Ich glaube, das würde uns gut tun." Um einem Paar aus der Krise zu helfen, können schon vier bis fünf Termine genügen.

SPIEGEL ONLINE: Was möchten Sie Paaren, die Eltern werden, mit auf den Weg geben?

Beil: Man sollte das Kinderkriegen nicht als Beziehungskiller dämonisieren. Es gibt viele, die das ganz toll hinkriegen. Paare sollten nur wissen, dass diese Phase nicht immer einfach ist, und das mit möglichst viel Gelassenheit akzeptieren.

Zur Autorin
Foto: Hanna Lenz

Irene Habich studierte Tiermedizin und Journalistik. Sie arbeitet als freie Wissenschaftjournalistin in Berlin und Hamburg.

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