Ärztliche Untersuchung Jedes fünfte syrische Flüchtlingskind ist traumatisiert

Kinder in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamm: Viel Belastendes erlebt
Foto: Ina Fassbender/ dpaKaries, Atemwegserkrankungen, Infektionen: Viele in Deutschland angekommene Flüchtlingskinder plagen körperliche Leiden. Nach einer Untersuchung in München weisen Ärzte jedoch insbesondere auf die psychischen Probleme der Kinder und Jugendlichen hin. Davon sei ein Drittel betroffen. Jeder fünfte junge Flüchtling leidet demnach unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Weitere haben eine erhöhtes Risiko, diese noch zu entwickeln.
Das berichten Peter Henningsen und Volker Mall von der TU München nach der Untersuchung 100 syrischer Flüchtlingskinder in der Bayernkaserne in München. "Dies ist die erste repräsentative Studie, die in dieser Größenordnung in Deutschland durchgeführt wurde", sagt Mall. Jedes Kind wurde zweimal für jeweils drei Stunden von Ärzten und Psychologen untersucht.
82 Kinder hatten demnach eine körperliche Krankheit, bei zehn Prozent bestehe akuter Behandlungsbedarf. 63 der 100 Kinder hatten Karies, ein Viertel eine Atemwegserkrankung. Elf hatten eine Infektionskrankheit oder Parasiten. Bei 42 war der Impfstatus defizitär.
Krieg und Flucht
"Gerade die posttraumatische Belastungsstörung ist eine große Herausforderung für uns", sagt Mall. Die Erlebnisse von Krieg und Folter in den Heimatländern und die oft monatelange Flucht nach Europa belasteten die Kinder in hohem Maße.
Auch die Situation in Deutschland trage zur psychischen Belastung bei. Viele Kinder erlebten soziale Isolation und Diskriminierung. "Hier fehlt es ganz klar an einer Willkommenskultur in Deutschland", sagt Mall. "Ein großes Problem ist der lange Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen. Viele Kinder bleiben 200 Tage in diesen Unterkünften - und das muss sich ändern!"
Der Mediziner plädierte dafür, den Flüchtlingskindern mehr Aufmerksamkeit zu widmen: "Kinder fallen an vielen Stellen durch die Netze. Wir fordern eine höhere Priorität der Versorgung von Familien mit Kindern." Dabei gehe es nicht um eine intensive psychotherapeutische Betreuung der Kinder. Stattdessen müsse es ein leicht zugängliches Beratungsangebot für Familien geben, um sie darüber zu informieren, an wen sie sich bei Problemen wenden können.
Die medizinische Versorgung von Flüchtlingskindern ist auch Thema der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, die am Mittwoch in München beginnt. 3000 Ärzte beraten dort über neue Forschungsergebnisse und Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche.