Erziehungstipps von Jesper Juul Darf das Kind ins Elternbett?

Ein 14 Monate alter Junge kann nur mit Mamas Finger im Mund einschlafen. Ist das okay? Und wie nehmen Eltern ihrer Vierjährigen nachts die Angst vor Hexen? Tipps von Familientherapeut Jesper Juul.
Kein Schlaf ohne Mama: "Wenn andere Menschen Ihnen erzählen, dass Sie etwas falsch machen, hören Sie nicht darauf - niemals"

Kein Schlaf ohne Mama: "Wenn andere Menschen Ihnen erzählen, dass Sie etwas falsch machen, hören Sie nicht darauf - niemals"

Foto: Corbis

Ihre Erziehungsfrage: Auf unseren Leseraufruf hin haben Sie uns viele Fragen an den Familientherapeuten Jesper Juul geschickt. Daraus haben wir in der Redaktion einige ausgewählt und dem Pädagogen geschickt. Hier antwortet er in einer losen Serie.

Eine Mutter fragt: Mein Sohn, 14 Monate, schläft bei uns nur ein, wenn er an meinem Finger nuckelt. Schnuller oder den eigenen Daumen nimmt er nicht. Ich denke mir eigentlich, dass das nicht schlimm ist, er wird es schon nicht ewig machen. Mein Umfeld sieht das anders, es sei doch absolut furchtbar und wir müssten damit sofort Schluss machen.

Der zweite Punkt: Unser Sohn schläft nicht die komplette Nacht im eigenen Bett. Meist wird er irgendwann wach und dann holen wir ihn in unser Bett, wo er durchschläft bis morgens. Versuchen wir ihn nachts umzubetten, wacht er immer auf. Da wir in Ruhe schlafen wollen, schläft er eben bei uns weiter und wir alle haben eine ruhige Nacht. Auch aus Sicht unserer Eltern ein absolutes Unding, wir würden ihn nie wieder aus unserem Bett bekommen. Machen wir in diesen Punkten wirklich einen Fehler?

Jesper Juul antwortet: Lektion Nummer eins für alle Eltern: Wenn andere Menschen Ihnen erzählen, dass Sie etwas falsch machen, hören Sie nicht darauf - niemals. Das gilt auch für alles, was Sie in Büchern lesen und für meine Antworten. Wenn Sie sich wohlfühlen mit dem, was Sie tun und dadurch keine destruktiven Konflikte mit Ihrem Partner entstehen, machen Sie einfach mit gutem Gewissen weiter.

Zur Person
Foto: Anja Kring

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul ist Autor von mehr als 25 Büchern über Kindererziehung, Familienleben und Pubertät. Eines seiner Standardwerke ist "Das kompetente Kind". Der Pädagoge meint: "Kinder müssen nicht großgezogen werden, sie brauchen empathische Führung, während sie älter werden."

Ein Vater fragt: Unsere Tochter ist vier Jahre alt und wird im März fünf. Seit ihrer Geburt haben wir Probleme, sie ins Bett zu bringen. Sie wacht regelmäßig zwei- bis dreimal nachts auf. Zur Zeit haben wir wieder eine schwierige Phase, da sie Ängste hat - wovor kann sie nicht genau definieren, manchmal schlechte Träume oder Hexen - und seit zwei Monaten bei uns im Elternbett schläft. Wir haben schon so viel ausprobiert: Nachtlicht, offene Türe, Kuscheltiere im Bett, viele Gespräche, Belohnung, wenn sie sich trotz Angst überwindet, im eigenen Bett zu schlafen, Verbot im Elternbett zu schlafen und so weiter.

Was können wir tun, um ihr die Angst zu nehmen oder damit umzugehen?

Schlechte Träume oder Hexen: Kinder haben allein im Bett manchmal Angst

Schlechte Träume oder Hexen: Kinder haben allein im Bett manchmal Angst

Foto: Corbis

Jesper Juul antwortet: Lassen Sie mich damit beginnen, Ihnen ein altes Buch von Jan Uwe Rogge zu empfehlen: "Kinder haben Ängste". Darin können Sie sich vielseitig inspirieren lassen, wie man mit Kindern und Angst umgehen kann.

Ich weiß nicht, welche Erfahrungen Sie gemacht haben, aber ich bin früher beispielsweise regelmäßig morgens um fünf Uhr aufgewacht, weil ich oft mehrere Tage hintereinander reisen musste. Selbst wenn ich nicht früh aufstehen musste, war ich um diese Uhrzeit wach.

Kindern geht es häufig ähnlich, dass sie scheinbar grundlos immer wieder zu einer bestimmten Uhrzeit aufwachen. Mit fünf Jahren ist Ihre Tochter aber alt genug, um einige Erwachsenen-Strategien als Alternative zum Weg in Ihr Bett zu lernen.

Sie kann beispielsweise ihr Licht anschalten und ein Buch "lesen", sie kann beruhigende Musik hören, sie kann an die Decke schauen und über den kommenden Tag phantasieren, sie kann an ihren letzten Geburtstag oder ein anderes schönes Erlebnis denken. Auch Tiefenatmung zu üben, ist eine Alternative: Angst und Tiefenatmung können nicht gleichzeitig bestehen. Bei den ersten Versuchen können Sie Ihre Hand auf den Bauch Ihrer Tochter legen, um ihr zu helfen. Aber sie wird schon sehr bald in der Lage sein, das selbst zu tun.

Der ausschlaggebende Punkt ist, dass Ihre Tochter versteht, dass sie für ihren Schlaf verantwortlich ist und dass auch nur sie selbst sich dauerhaft helfen kann. Es ist natürlich etwas anderes, wenn sie wegen eines Albtraums aufwacht. Aber selbst in diesem Fall kann sie in ihrem Bett bleiben, während Sie sie beruhigen. Dadurch erlernt sie neue Wege, mit ihrer Angst umzugehen.

Die zugrundeliegende Botschaft muss lauten, dass nur Ihre Tochter erfolgreich mit ihrer Angst umgehen kann. Ihre Eltern, ein Freund oder zukünftiger Partner können eine Zeit lang ihre Hand halten, aber am Ende ist sie selbst verantwortlich. Momentan hat die Angst sie im Griff, aber mit Ihrer Hilfe, Kreativität und Unterstützung muss sie an den Punkt kommen, die Angst in den Griff zu bekommen. Momentan denkt sie noch, dass ihre Eltern ihr die Angst nehmen können, was aber nicht stimmt. Also führen Sie sie - so sanft wie möglich - hin zu ihren eigenen Fähigkeiten.

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Foto: Beltz

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Liebevolle Führung in der Familie.

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