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Erziehung: Die Faszination von Smartphones und Co.

Foto: THOMAS WHISENAND/ ASSOCIATED PRESS

Medienkonsum Wie viel iPhone ein Kind verträgt

Ein Dreijähriger malt auf dem iPad, ein Grundschüler zückt sein Smartphone: Spielerisch lernen schon die Kleinsten den Umgang mit neuester Technik. Experten streiten darüber, ab welchem Alter Kinder welche Medien nutzen sollten und verkraften können. Ein US-Psychologe warnt vor dem iPhone-Syndrom.

Eine Horde Fünfjähriger bevölkert einen Raum, es ist mucksmäuschenstill. Doch die Kinder schlafen nicht. Sie sitzen an Tischen und spielen auf ihren iPads. Was befremdlich wirkt, ist seit Herbst 2011 Realität in einem US-Kindergarten. Dort wurden alle Kinder eines Jahrgangs mit den Tablet-Rechnern ausgestattet. Täglich spielen und lernen sie nun mit den Geräten.

Experten streiten über dieses Projekt. Kern der Diskussion: Wie viel Technik und Medien verkraften Kinder, und ab welchem Alter sollten sie damit in Kontakt kommen?

Zu viel Medienkonsum gefährdet die Entwicklung, sagen die einen. Tablets und Co. ermöglichen besseres Lernen, meinen die anderen. Die Wissenschaft hingegen hat noch keine klaren Antworten.

Der US-Psychologe und Buchautor Jim Taylor warnt in seinem neuesten Elternratgeber "Raising Generation Tech - Preparing Your Children For a Media-Fueled World" bereits vor dem iPhone-Syndrom. Dieses entstehe, wenn Eltern beispielsweise ihren gelangweilten Kindern unterwegs in der Bahn ihr Smartphone zusteckten, damit sie ruhig seien. "Die Kinder lernen: Wenn sie quengelig sind, werden sie unterhalten", erklärt Taylor. "Was sie nicht lernen, ist, geduldig zu sein oder gar ihrer Langeweile aus eigenen Stücken mit eigenen Ideen zu entfliehen."

Aber auch ein Überengagement der Eltern kann problematisch sein. "Manche Eltern bringen ihre Kinder schon früh und häufig mit Medien in Berührung, aus Angst, ihr Kind könnte später im Umgang mit all den Geräten hinterherhinken", sagt Taylor. Zu oft erlebe er Kinder, die weder Schnürsenkel schnüren noch Schwimmen könnten, wohl aber souverän im Umgang mit Smartphones seien.

Konzentrationsschwäche und Schlafstörungen

Drastischere Folgen von zu viel Medienkonsum sehen der Kinderarzt Christian Fricke und seine Kollegen regelmäßig in der Sprechstunde. "Motorische Unruhe, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen: Das sind klassische Symptome, die auch durch falschen Mediengebrauch entstehen", sagt Fricke, der das Sozialpädiatrische Zentrum Werner Otto Institut in Hamburg leitet. Seiner Meinung nach besteht gar die Gefahr einer Mediensucht.

Doch wann beginnt es, für das Kind schädlich zu werden? Zahlreiche Initiativen klären in Deutschland über Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen auf, einige nennen Richtlinien für Eltern. Das Projekt "SCHAU HIN!"  etwa empfiehlt, Kinder unter zwei Jahren gar nicht erst vor einen Bildschirm zu setzen. Bis zum Grundschulalter sei maximal eine halbe Stunde vor dem Fernseher, Smartphone oder Computer zu vertreten. Für Zehnjährige liegt demnach der Grenzwert bei einer Stunde, ab 11 Jahren sind 75 Minuten am Tag in Ordnung.

"Solche pauschalen Werte werden allerdings in der Medienpädagogik stark diskutiert", sagt Daniel Seitz, der Mitglied im Bundesvorstand der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur ist. "Zu individuell sind Kinder auf der einen, Medien auf der anderen Seite", so der Medienpädagoge, der selbst täglich mit Kindern arbeitet, um ihnen Computer und Tablets in einem sinnvollen Rahmen näherzubringen. Seine Erfahrung: "Die Kids haben ein gutes Maß dafür, wie lange sie mit den Geräten hantieren", sagt Seitz. Andere Interessen kämen nicht zu kurz. "Sie wollen trotzdem noch draußen im Wald herumrennen und ihre Hände in echte Fingerfarbe tünchen."

Ähnliches zeigt auch die bundesweite Untersuchung zur Mediennutzung bei Kindern, die KIM-Studie 2010 . Obwohl Kinder immer öfter und auch länger vor der Mattscheibe oder dem Computer Zeit verbringen, zählen "Draußen spielen" und "Freunde treffen" für Kinder bis 12 Jahre weiterhin zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen.

"Kinder müssen auch lernen, was das reale Leben bereithält"

Taylor aber mahnt an, dass Kinder dafür erst einmal lernen müssten, dass es diese Tätigkeiten auch gibt, und was das reale Leben bereithält. Dazu zählt er auch sinnliche Erfahrungen wie Riechen, Schmecken und Fühlen. Dinge, die ein Bildschirm nicht bieten kann: "Selbst wenn es inzwischen auch Spiele und Filme in 3D gibt. Tatsächlich ist nur das reale Leben dreidimensional", so der Vater zweier Töchter. Regelmäßige Bewegung, Ausflüge mit der Familie oder mit Freunden sollen den Medienkonsum zurückdrängen.

Ähnlich sieht es auch Fricke: "Mit Verboten kommt man eh nicht weit. Also sollte man die anderen Interessen, die ein Kind sonst so hat, ausbauen und es darin fördern." Auf diese Weise würde sich der Medienkonsum von allein einschränken.

Aber auch die Eltern selbst sollten ihren Medienkonsum kritisch beobachten. "Sie sind die Vorbilder für ihre Kinder. Das sollten sie nie vergessen", sagt Fricke. Ihre Aufgabe sei es, den Kindern Grenzen zu setzen. Experten raten, mit den Kindern und Jugendlichen Nutzzeiten zu vereinbaren. "Dabei sollten sie aber auch nicht zu starr sein. Wenn an einem Regentag oder zur Veröffentlichung eines lang erwarteten Computerspiels durchgespielt wird, dafür danach auch wieder anderen Hobbys nachgegangen wird, ist doch alles in Ordnung", sagt Seitz.

Auf feste Zeiten für bestimmte Altersklassen möchte auch Fricke sich nicht festlegen: "Wichtig ist weniger, wie lange ein Kind zum Beispiel fernsieht oder spielt, sondern was es schaut und spielt." Wenn etwa die Sendung kindgerecht sei, könne sie auch 45 statt 30 Minuten dauern. "Kommt jedoch Gewalt darin vor, richtet das schnell Schaden an", so Fricke. Ängste und Schlafstörungen könnten die Folge sein - vor allem, wenn das Kind täglich solche Inhalte aufnimmt.

Eltern sollten daher immer ein Auge darauf haben, wenn Kinder Filme gucken, Computerspiele spielen oder im Internet surfen. Am wichtigsten sei es, darüber sind sich Medienpädagoge Seitz und Kinderarzt Fricke einig, zu wissen, was die Kinder über die verschiedenen Medien konsumieren. Und: Mit ihnen über die Inhalte sprechen. Vor allem das ermögliche einen gesunden Umgang damit.

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