Psychologie Die Sorgen der Kinder
Ein empfindlicher Junge, der sich vor einem Zirkusclown fürchtet. Ein Mädchen, das sich jeden Morgen vor der Schule mit schlimmen Bauchschmerzen quält. Kinder haben mitunter Sorgen, die Eltern nicht auf den ersten Blick verstehen. Manchmal verschieben sich ihre seelischen Nöte in den Körper, manchmal ziehen sich die Kinder zurück oder drehen auf.
Wenn Eltern mit ihrem Latein am Ende sind, suchen sie oft Rat bei Experten. Michael Schulte-Markwort leitet die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, - psychotherapie und - psychosomatik in der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. Hier beantwortet er typische Fragen.
Wie kann ich herausfinden, was mein Kind wirklich beschäftigt?
Das ist gar nicht so einfach, weil Eltern und Kinder oft zu vertraut sind. Das macht es schwer, distanziert Fragen zu stellen. Eltern denken häufig: "Ich weiß, wie es meinem Kind geht." Das ist wie in einer langjährigen Partnerschaft. Gelingen kann es, wenn man eine Art Rollentausch versucht - also, sich wirklich zu überlegen: "Wie fühlt sich das auf der Seite meines Kindes an?" Dazu gehört, sich vom Kind bestimmte Situationen beschreiben zu lassen, etwa: "Erkläre mir, wie du dich dabei fühlst." Oft warten Eltern auch ab, bis das Kind von selbst etwas sagt. Dann kann das Problem oder die Sorge aber schon lange schwelen.
Was wäre besser?
Besser ist, die Initiative zu ergreifen und zum Beispiel zu fragen: "Du guckst in letzter Zeit so traurig, woran liegt das denn?"
Warum haben so viele Eltern die romantische Vorstellung, Kinder müssen unbeschwert und sorgenfrei sein?
Das ist ein natürlicher Prozess. Wenn man erwachsen wird, erscheint einem der Alltag oft hart. Dann guckt man zurück und denkt: "Früher war alles einfacher und besser." Das Phänomen tritt sogar bei den Erwachsenen auf, die keine glückliche Kindheit hatten. Leider führt das manchmal dazu, dass Eltern die Sorgen ihrer Kinder nicht wahrnehmen oder verharmlosen.
Wie findet man einen guten Kinder- und Jugendpsychiater?
Das ist wie mit Handwerkern oder anderen Ärzten: Man muss sich selbst einen Eindruck verschaffen. Man kann Freunde nach Empfehlungen fragen oder auf der Homepage der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten nachsehen. Dort gibt es eine Suchmaske nach Postleitzahlen.
Sind Eltern heute unsicherer als früher?
Ich finde, Eltern sind einfühlsamer und reflektierter geworden. Nur weil es oft heißt: "Früher haben wir alles aus dem Bauch heraus gemacht", heißt das nicht, dass es besser war. Zur Reflexion gehören auch Unsicherheiten dazu, nicht zu wissen, ob man es richtig macht. Und das finde ich auch gar nicht schlimm. Im Job und überall sonst wird doch heute gefordert, dass wir uns reflektieren. Es wäre doch komisch, wenn wir das unseren Kindern gegenüber anders handhaben würden.
Eltern verbringen heute mehr Zeit mit ihren Kindern als noch vor rund 50 Jahren. Mütter widmen ihnen fast doppelt so viel Aufmerksamkeit wie noch 1965, heißt es in der Januar-Ausgabe der Zeitschrift "Psychologie heute". Die Dauer stieg demnach von 54 auf 104 Minuten pro Tag. Väter erhöhten ihre Kinderzeit in den vergangenen 52 Jahren relativ sogar noch stärker - von durchschnittlich 16 auf 59 Minuten täglich.