Schlaf bei Mann und Frau Und immer wieder zuckt ihr Oberschenkel
2 Uhr nachts im Schlafzimmer eines durchschnittlichen Familienhaushalts: Der Mann sägt ganze Alleen, die Frau schläft, wacht aber in Kürze einfach so auf und kann dann gefühlte Ewigkeiten nicht wieder einschlafen. Er träumt derweil von wilden Schlachten, sie - wenn sie dann mal schläft - von einer Shoppingtour.
Klischee? Keinesfalls. Frauen und Männer schlafen und träumen unterschiedlich. Das haben Mediziner und Schlafforscher am Mittwoch auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin erklärt. Erkennen lassen sich die Unterschieden aber nicht nur am Schnarchen: "Frauen schlafen etwa anderthalb bis zwei Stunden länger, wenn man sie lässt", sagt Psychiater Thomas Pollmächer, Direktor des Zentrums für Psychische Gesundheit am Klinikum Ingolstadt.
Für Frauen ist das laut Pollmächer die einzige gute Nachricht, denn Frauen leiden im Vergleich zu Männern viel häufiger unter allen möglichen Schlafstörungen. Ein- und Durchschlafen etwa ist ihnen weniger vergönnt. Und auch ein oft belächeltes Phänomen raubt ihnen die nächtliche Ruhe: Das Restless Legs Syndrom (RLS). Vor allem in Entspannungsmomenten verspüren die Betroffenen ein Kribbeln oder Stechen in den Beinen und haben deswegen das Bedürfnis sie zu bewegen.
Bein stört Schlaf
Am Abend nimmt das unangenehme Gefühl in den Beinen zu und hält Betroffene oft vom Einschlafen ab. In vielen Fällen setzt sich die Unruhe sogar bis in den Schlaf fort: Alle vier bis 90 Sekunden zuckt dann der Oberschenkelmuskel in der Nacht und weckt den Körper auf. Zwar bekommt man das nicht immer bewusst mit - dennoch machen die unruhigen Beine den Schlaf weniger erholsam.
Etwa drei bis vier Prozent aller Deutschen kennen diese Beschwerden. Das besondere: Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Vor allem Schwangere berichten häufig von RLS (ob Sie auch betroffen sein könnten, erfahren Sie im RLS-Selbstcheck). Im achten und neunten Schwangerschaftsmonat leidet etwa jede dritte Frau daran. Kurz vor der Geburt gehen die Symptome bereits zurück, nach der Geburt sind sie meist ganz verschwunden - kehren aber bei vielen nach Jahren zurück.
"Studien zeigen, dass jede Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit für RLS im späteren Leben erhöht", sagt Pollmächer. So haben Frauen, die drei Kinder geboren haben, ein höheres Risiko für ein RLS im weiteren Lebensverlauf als jene, die zwei, eins oder keines zur Welt gebracht haben.
Welchen Einfluss haben Hormone?
Da liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein hormonelles Problem handelt. Tatsächlich spricht aber vieles dagegen. Schwangere Frauen mit unruhigen Beinen haben zwar vergleichsweise einen stark erhöhten Östrogenspiegel, der nach der Geburt auf ein deutlich niedrigeres Niveau fällt als bei Frauen ohne RLS. "Das würde aber heißen, dass mit der Menopause, in der der Östrogenlevel ebenfalls zurückgeht, auch die Erkrankung seltener werden müsste. Das Gegenteil ist jedoch der Fall", sagt Pollmächer. Auch die anderen Schlafprobleme von Frauen seien unabhängig von oder zumindest nicht einzig durch den Hormonhaushalt verursacht. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten bisher keinen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und dem Zyklus der Frau oder ihrem Hormonspiegel allgemein gefunden.
Weniger mit Biologie haben vermutlich auch die Geschlechterunterscheide beim Träumen zu tun, meint Psychologe Michael Schredl, Leiter des wissenschaftlichen Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim ist. Studien zeigen: Frauen erinnern sich häufiger an nächtliche Träume und Alpträume, teilen sie eher Familie und Freunden mit, haben eine positivere Einstellung zum Träumen und scheinen sich mehr für Interpretationen dieser zu interessieren.
Befragungen von Männern und Frauen, was sie des nächtens träumen, offenbaren ebenfalls einige Klischees: In einer Studie aus den sechziger Jahren etwa berichteten Männer, eher von Sex und physischer Aggression zu träumen, während Frauen Kleidung und Haushaltsobjekte im Schlaf im Kopf herumschwirrten (mehr über typische Träume lesen Sie hier).
Väter sprechen lieber mit ihren Söhnen über ihre Träume
"Das Spannende: Aktuelle Studien ergeben ähnliche Muster", sagt Schlafexperte Schredl. Während diese Unterschiede im Kindesalter kaum existieren, sind sie für das Jugend- und Erwachsenenalter bereits in unzähligen Studien belegt worden.
Schredl vermutet, dass die "Traumsozialisation" eine gute Erklärung dafür liefern könnte. Eine Untersuchung von ihm und Kollegen mit 170 Schulkindern im Alter von etwa zwölf Jahren ergab, dass der Umgang mit Träumen in der Familie und unter Freunden stark auf die Kinder abfärbt. Väter sprachen dabei eher mit ihren Söhnen über nächtliche Träume als mit ihren Töchtern, während die Mutter mit beiden das Thema regelmäßig durchging und insgesamt deutlich häufiger darauf zu sprechen kam als der Vater.
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Weiterhin unklar ist allerdings, ob Frauen wirklich mehr träumen oder ob sie einfach mehr darüber sprechen. Ebenso könnte es sein, dass Frauen wegen der häufiger auftretenden Durchschlafstörungen nachts folglich öfter wach sind und sich dadurch insgesamt an mehr Träume als Männer erinnern.