Westliche Welt Die Spermienzahl sinkt und sinkt

In der Samenflüssigkeit westlicher Männer befinden sich immer weniger Spermien, das zeigt eine Auswertung über einen Zeitraum von knapp 40 Jahren. Vor allem Wärme stört die Entwicklung.

Die Zahl der Spermien von Männern aus Europa und anderen westlichen Regionen geht immer weiter zurück. Innerhalb von nicht mal 40 Jahren sei die Spermienanzahl pro Milliliter Samenflüssigkeit um mehr als 50 Prozent gesunken, berichten Forscher im Fachmagazin "Human Reproduction Update" . Bei der Gesamtzahl der Spermien pro Samenerguss betrage der Rückgang sogar knapp 60 Prozent.

"Angesichts der Bedeutung der Spermien für die männliche Fruchtbarkeit und die menschliche Gesundheit ist diese Studie ein dringender Weckruf für Forscher und Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt", sagt Studienleiter Hagai Levine von der Hebrew University in Jerusalem.

Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler 244 Spermienzählungen aus 185 Studien aus, die an knapp 43.000 Männern durchgeführt worden waren. Ein Großteil der Daten stammte von Männern aus Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland. Bei ihnen beobachteten die Forscher einen eindeutigen Trend. Bei Männern aus anderen Weltregionen hingegen - Südamerika, Asien und Afrika - gab es keine statistisch eindeutigen Entwicklungen.

Knapp zwei Prozent Verlust pro Jahr

Bei ihrer Analyse berücksichtigen die Forscher unter anderem, ob die Männer bereits ein Kind gezeugt hatten und damit nachweislich fruchtbar waren. Ihre Daten umfassten den Zeitraum von 1973 bis 2011.

  • Bei den westlichen Männern, bei denen die Forscher keine Angaben zu Kindern hatten, ging die Zahl der Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit jährlich im Schnitt um 1,4 Prozent zurück.
  • Bei den westlichen Männern, die nachweislich schon ein Kind gezeugt hatten, sahen die Werte etwas besser aus. Hier reduzierten sich Spermienanzahl pro Milliliter jährlich um etwa 0,8 Prozent.

Die Analyse deutet auf einen konstanten Rückgang über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten hin. Damit deckt sich das Ergebnis mit einer französischen Langzeitstudie, die im Jahr 2012 veröffentlicht wurde. Die Untersuchung mit Tausenden Franzosen kam ebenfalls zum Schluss, dass die Spermienproduktion abnimmt - um zwei Prozent pro Jahr.

Kein Grund zur Panik

Grund zur Panik sehen Reproduktionsexperten trotzdem noch nicht. Die neue Untersuchung liefere eine gute Diskussionsgrundlage, sagt Stefan Schlatt vom Universitätsklinikum Münster, der nicht an der Studie beteiligt war. Die aufgezeigte Tendenz sei aber nur ansatzweise bedenklich.

"Wenn man sich die konkreten Zahlen ansieht, liegen sie immer noch weit über den Werten, die die Weltgesundheitsorganisation als Untergrenze der Zeugungsfähigkeit angibt", sagt Schlatt. So betrug laut der Studie im Jahr 2011 die Spermiengesamtzahl westlicher Männer ohne Kindernachweis 137,5 Millionen, als Untergrenze des Normalen sieht die Weltgesundheitsorganisation 39 Millionen an.

Neben der Spermienanzahl sei es außerdem wichtig, wie beweglich die Spermien sind und ob sie Fehlbildungen haben. Diese beiden Faktoren seien in der aktuellen Studie nicht betrachtet worden, sagt Schlatt.

Gründe: Von der Sitzheizung bis zur Zigarette

Als Ursachen für die Abnahme der Spermienanzahl stehen dem Experten zufolge zahlreiche Gründe in Verdacht: von der zu warmen Windel bei Säuglingen über Haarwuchsmittel bis zu Chemikalien, die das hormonelle Gleichgewicht stören. Diese können etwa in Weichmachern und Pflanzenschutzmitteln stecken.

Wer plant, ein Kind zu zeugen, kann über einige Faktoren seine Spermaqualität selbst beeinflussen. Wärme zum Beispiel schadet dem Kühlsystem der Hoden und damit auch der Spermaproduktion. Oft helfen deshalb schon weitere Unterhosen und Hosen, der Verzicht auf Bäder, Saunagänge und Sitzheizungen, um die Spermaqualität zu verbessern. Auch Nikotin, Übergewicht, Medikamente und Anabolika können den Samenzellen zusetzen.

Für Mediziner Schlatt gibt es aber vor allem einen Grund, der die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt: Auch Männer seien immer älter, wenn sie eine Familie gründen. Das mache sich bei der Spermaqualität deutlich bemerkbar.

irb/dpa
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