

Marta Locklear / Stocksy United
Belastungen der Pandemie Werden die Deutschen immer weniger?
Die späte Impfempfehlung für Schwangere und die Belastungen der Coronapandemie haben 2022 laut Statistischem Bundesamt (Destatis) zu einem Rückgang der Geburten geführt. Von Januar bis August seien nach vorläufigen Zahlen etwa acht Prozent weniger Kinder geboren worden als im selben Zeitraum 2021, heißt es in der »Bevölkerungsvorausberechnung« von Destatis .
Die Geburtenentwicklung in den Jahren 2021 und 2022 stehen demnach im Zeichen der Pandemie und ihrer Eindämmungsmaßnahmen. Im Jahr 2021 sei die Geburtenziffer zunächst deutlich auf 1,58 Kinder je Frau gestiegen, heißt es in der Mitteilung. Das Geburtenplus habe sich dabei aber nicht gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt. Ein ungewöhnlich hoher Anstieg der Geburten entfiel auf die Monate März und April. Die Kinder wurden also während der ersten Lockdowns im Mai und Juni 2020 gezeugt. Im zweiten und dritten Quartal 2021 war das Geburtenniveau dann mit dem Rekordjahr 2016 vergleichbar. Mit Jahresbeginn 2022 gingen die Geburtenzahlen allerdings deutlich zurück. Obwohl die vorläufigen Zahlen noch unvollständig sind, sei für 2022 insgesamt mit einem Geburtenrückgang zu rechnen.
Laut Olga Pötzsch, Referentin von Destatis, gibt es drei Faktoren, die den Rückgang erklären könnten. Zum einen sei die Coronaimpfung am Anfang priorisiert worden – junge, gesunde Menschen hätten sich dadurch nicht impfen lassen können. »Und es gab sehr lange Zeit keine explizite Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Schwangere und Stillende«, sagte Pötzsch. Diese habe die Stiko erst im September 2021 gegeben. »Und man kann vermuten, dass Paare, die sich ein Kind wünschten, das tatsächlich abwarten wollten, sich erst mal vielleicht impfen lassen wollten.«
Ein zweiter Grund sei die Belastung junger Familien mit Kindern während der Pandemie. »Und da sehen wir auch einen Rückgang, gerade bei zweiten Geburten und weiteren Geburten«, sagte Pötzsch. »Das heißt also, dass die Familien unter großen Belastungen standen und die Entscheidung für ein weiteres Kind wahrscheinlich jetzt auch schwieriger fiel.«
Auch das geburtenstarke Jahr 2021 spiele eine Rolle. Man habe gerade nach dem Aufheben des Lockdowns 2020 vermehrt Schwangerschaften beobachtet, denen ein Anstieg der Geburten im März und April 2021 folgte, sagte die Expertin. Das sei eine untypische Entwicklung. »Die dann im vergleichsweise geburtenreichen Jahr 2021 geborenen Kinder fehlen nun bei den Geburten 2022«, hieß es in der Mitteilung.
Wie entwickelt sich die Geburtenziffer in den kommenden zehn Jahren?
Die Statistiker prognostizieren, wie sich die Geburtenrate in Zukunft entwickeln könnte. Für die langfristige Perspektive zogen sie drei unterschiedliche Szenarien in Betracht: ein weiterer Rückgang der Geburtenhäufigkeit, eine Rückkehr auf einen moderaten Pfad und ein deutlicher Anstieg. Bei den beiden höheren Annahmen nimmt die Geburtenziffer in den nächsten Jahren nur allmählich zu.
Die erste Annahme »sinkende Geburtenhäufigkeit« geht von einem Rückgang der zusammengefassten Geburtenziffer von 1,58 Kindern je Frau im Jahr 2021 auf 1,46 Kinder je Frau im Jahr 2022 aus. Anschließend könnte die Geburtenziffer den Statistikern zufolge auf niedrigem Niveau stagnieren bei gleichzeitiger Zunahme des durchschnittlichen Alters der Mütter bei Geburt um gut ein Jahr. Ab 2032 bleibe sie bei 1,44 Kindern je Frau konstant. Die endgültige Kinderzahl je Frau steige bei dieser Annahme zuerst von derzeit 1,58 auf 1,63 Kinder und sinke allmählich auf 1,44 Kinder je Frau.
Die zweite Annahme »moderate Entwicklung der Geburtenhäufigkeit« geht von einem Rückgang in diesem Jahr aus, der sich jedoch wieder auf einem Niveau von 1,55 Kindern je Frau einpendelt. Dabei sinke zuerst die zusammengefasste Geburtenziffer im Jahr 2022 auf 1,48 Kinder je Frau. Anschließend könnte sie allmählich auf 1,55 Kinder je Frau im Jahr 2032 ansteigen bei gleichzeitiger Zunahme des durchschnittlichen Alters der Mütter bei Geburt um gut ein Jahr und bliebe danach konstant.
Die dritte Annahme »steigende Geburtenhäufigkeit« geht von einem deutlichen Anstieg der Geburtenrate auf durchschnittlich 1,67 Kinder je Frau aus. Dabei könnte die Geburtenziffer bis zum Jahr 2032 steigen bei gleichzeitiger Zunahme des durchschnittlichen Alters der Mütter bei Geburt um gut ein Jahr und bliebe danach konstant. Es wird dabei angenommen, dass der Mütteranteil an allen Frauen des jeweiligen Jahrgangs mittelfristig steigen und sich bei mindestens 80 Prozent stabilisieren würde. Gleichzeitig könnte sich die durchschnittliche Kinderzahl je Mutter auf 2,1 erhöhen und auf diesem Niveau verharren.