Schmerzen beim Tragen Wenn das Baby zur Last wird

Müttern und Vätern wird geraten, ihre Kinder so eng und so viel wie möglich zu tragen. Die Nähe vermittle Geborgenheit und fördere die Bindung. Das mag stimmen. Bei manchen Eltern macht aber der Rücken nicht mit.
Mutter mit Baby im Tragetuch: Die Nähe fördert die Bindung zum Kind

Mutter mit Baby im Tragetuch: Die Nähe fördert die Bindung zum Kind

Foto: Corbis

Du sollst dein Kind tragen, du sollst es stillen, du sollst seine Bedürfnisse erkennen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Du sollst. Wenn es ein Gefühl gibt, das alle Eltern vereint, dann ist es wohl das schlechte Gewissen, das durch all die "Du sollst"-Sätze entsteht.

Ich konnte meine Kinder nicht tragen. Ich war eine Kinderwagen-Mutter. Das klingt wie ein Geständnis, weil von allen Seiten propagiert wird, wie wichtig das Tragen ist. Dass Tragekinder weniger schreien, dass sie eine stärkere Bindung zu den Eltern aufbauen, dass sie durch das Tragen schlicht besser ins Leben starten. Mein Rücken machte das Tragen aber nicht mit.

Du sollst nicht leiden

"Dann müssen Sie das Kind falsch gebunden haben", sagte mir eine Hebamme. "Die Ursache kann auch in Ihrem Rücken liegen", sagte mir der Orthopäde.

"Tragen ist dann richtig, wenn sich alle, Baby und Vater oder Mutter, damit wohlfühlen", sagt Evelin Kirkilionis, Verhaltensbiologin und Autorin des Buches "Ein Baby will getragen sein" (Kösel). Sie erklärt, dass das Tragen dem Kind nicht nur körperlich guttut, beispielweise durch die Hockhaltung im Tuch, sondern auch für emotionale Ausgeglichenheit sorgt.

Am Anfang stimme die Nähe beim Tragen vor allem die Eltern auf ihr Baby ein, was ihre Bindungsfähigkeit fördere. Vater und Mutter könnten ihm so eher Geborgenheit vermitteln. Nähe schaffe Sicherheit - ein Überbleibsel der Stammesgeschichte.

Jede Minute zählt

"Tragen ist die praktischste und einfachste Variante, um Nähe, Zuwendung und Aufmerksamkeit zu schenken", sagt Kirkilionis. Es gebe aber Alternativen für diejenigen, deren Rücken das Tragen nicht zulässt oder deren Kinder es nicht mögen. Beispielsweise sorgen auch das Schlafen im Familienbett oder häufigeres Liegen oder Sitzen auf dem Schoß und ausgedehnte Babymassagen für Nähe. Jede Minute, in der sich alle wohlfühlen, zählt. "Die Familiensituation muss immer miteinbezogen werden", sagt Kirkilionis.

Nach meinen Schwangerschaften war ich glücklich, endlich wieder eine normale Haltung einzunehmen. Selbstverständlich durften meine Kinder auf den Arm, wenn sie es brauchten und kamen ab und zu ins Tragetuch. Aber nie für längere Strecken, weil die Beschaffenheit meiner Wirbelsäule dies nicht zuließ. Ich bekam Schmerzen im unteren Rücken und in den Schultern.

Keine Bindung unter Schmerzen

"Tragen ist gut. Aber nicht um jeden Preis", sagt Fritz Uwe Niethard von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) im Interview. "Jede Rückenmuskulatur ist anders belastbar. Wenn bei der Mutter oder dem Vater ein Hohlkreuz vorhanden ist, kann das Tragen des Kindes vor dem Bauch schmerzhaft werden." Damit sei niemandem geholfen. Unter Schmerz kann keine gute Bindung entstehen. Bei ohnehin schwacher Rückenmuskulatur sollte man die Kinder lieber auf der Seite tragen, so geht das Gewicht in den Beckenkamm und nicht auf die Wirbelsäule.

Das habe ich getan. Ich habe meine Kinder auf der Seite getragen, ganz unbewusst. Meist ohne Tuch, einfach so. Zum Einkaufen oder für den Spaziergang nahm ich trotzdem den Kinderwagen. Für unsere Familie war das die Ideal-Kombination.

Tipps zum Tragen

  • Das Kind eng an sich binden, damit das Gewicht gut auf den Elternrücken verteilt wird und das Kind nicht in sich zusammenfällt.
  • Das Kind sollte aufrecht sitzen, der Kopf stabilisiert sein.
  • Die Beine des Kindes sollten in starker Hockstellung und leicht gespreizt sein.
  • Das Kind sollte immer mit dem Gesicht zum Tragenden gebunden werden.

RÜCKENSCHMERZEN BEIM TRAGEN VON KINDERN - FRAGEN AN DEN EXPERTEN

Woher kommt der Schmerz?Wie sollten wir optimal tragen?Warum sind Mütter so häufig von Rückenschmerzen betroffen?

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