Neue WHO-Empfehlungen für Frühchen Über die Kraft des Kuschelns

Ein zu früh geborenes Kind liegt an der Brust seiner Mutter
Foto: Jill Lehmann / Getty ImagesZu früh oder mit geringem Gewicht geborene Babys sollten direkt nach der Geburt und noch vor einer Versorgung im Brutkasten Hautkontakt mit der Mutter oder einer anderen Betreuungsperson haben. Das geht aus neuen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf hervor. Sie bezieht sich auf Neugeborene, die vor der 37. Schwangerschaftswoche oder mit weniger als 2,5 Kilogramm Gewicht geboren werden.
Die neuen Richtlinien könnten »die Betreuung von Frühchen revolutionieren«, sagte die Kinderärztin Karen Edmond, die das Thema bei der WHO in Genf betreut. In vielen Kliniken werde der Umgang bisher noch anders gehandhabt. So gehe man oftmals davon aus, dass zu früh geborene Babys, die oft Probleme haben, ihre Körpertemperatur zu regulieren, vor dem Kontakt mit der Mutter in einem Brutkasten und mit Atemhilfen stabilisiert werden müssten.
Das hält die WHO nun für falsch. »Die erste Umarmung mit einem Elternteil ist nicht nur emotional wichtig, sondern auch absolut entscheidend für die Verbesserung der Überlebenschancen und des Gesundheitszustands von kleinen und frühgeborenen Babys«, sagte Edmond.
Von sofortigem engem Hautkontakt könnten alle Babys profitieren, selbst solche, die noch Schwierigkeiten beim Atmen hätten. Intensivstationen für Babys sollten dementsprechend angepasst werden, dass Mütter dort rund um die Uhr bei ihren Kindern bleiben und so viel Hautkontakt wie möglich haben können. Bei den Kindern sinke so das Risiko von Infektionen und viele legten schneller an Gewicht zu.
Überlebenschancen sind ungleich verteilt
Die WHO hat für ihre neuen Empfehlungen mehr als 200 Studien ausgewertet, die den Umgang mit Frühchen und zu leichten Babys direkt nach der Geburt beleuchten. Jedes Jahr werden nach Angaben der WHO 15 Millionen Babys zu früh geboren. Das entspreche mehr als zehn Prozent aller Geburten. Untergewichtig seien jedes Jahr sogar mehr als 20 Millionen Babys.
Je nach Geburtsort sind die Überlebenschancen von Frühgeborenen laut WHO nach wie vor sehr ungleich verteilt. Während in Ländern mit hohem Einkommen die meisten Kinder, die in der 28. Woche oder später geboren werden, überleben, liegt die Überlebensrate in ärmeren Ländern bei lediglich 10 Prozent.
Im vergangenen Jahr hatte die WHO davor gewarnt, dass strenge Coronaregeln in Geburtsstationen fatale Auswirkungen für Frühgeborene haben können. Wegen der Pandemie wurde in vielen Ländern der lebenswichtige Körperkontakt zwischen Eltern und ihren Babys eingeschränkt. Der medizinische Nutzen des Kuschelns sei aber weit höher als die Ansteckungsgefahr, argumentierte die Uno-Behörde bereits 2021 in einem Forschungsbericht.
Für Frühchen und Neugeborene mit geringem Gewicht wird in der Regel die sogenannte Känguru-Methode empfohlen, bei der das Kind möglichst viele Stunden am Tag auf den nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters gelegt wird. Zusätzlich sollen die Kinder Muttermilch bekommen. Nach Angaben der WHO kann das Sterberisiko dieser Babys so um bis zu 40 Prozent reduziert werden.