Ein schwuler bester Freund ist kein Accessoire – versteht das endlich!

Von Pascal Dombrowicz

Dieser Beitrag wurde am 02.07.2017 auf bento.de veröffentlicht.

"Du bist schwul? Ich hol Bier und du die Zigaretten. Dann treffen wir uns draußen!" 

Das hat meine beste Freundin Anna gesagt, nachdem ich ihr erzählte, dass ich jetzt einen Freund habe. Erst in diesem Moment erzählte ich ihr, dass ich schwul bin – ich sah vorher nie einen Grund, mich zu öffnen.

Aber jetzt hatte ich jemanden, der mich glücklich machte, jetzt wurde das Thema konkret. Und ich wollte, dass meine Freunde ihn kennenlernen. 

Anna ist sehr direkt. Sie sagte lachend: "Ich wünsch mir, dass es dir gut geht. Aber bitte frag mich nie nach einer Leihmutterschaft!"

Deshalb sind wir Freunde. Einfach sagen, was sie denkt, das ist Annas Art, mit der sie mir zeigt: Ich finde dich vollkommen okay, so wie du bist. Anna war schon immer ein wenig sarkastisch – doch ehrlich gesagt tat mir das gerade in dieser Situation gut. 

Es zeigte mir, dass sich zwischen uns nichts verändern wird, nur weil ich homosexuell bin. 

Ich bin kein anderer, guter, oder gar besserer Freund für sie, weil ich Männer liebe. Anna ist und bleibt, wie sie immer war – und ich auch. 

Meine Homosexualität war kein Problem für sie, auch keine Sensation. Wie bei jeder anderen Geschichte, die ich ihr an diesem Abend aufgetischt hätte, ging sie noch mal rein, das für Geschichten nötige Bier und ihre Kippen holen. 
 
Das hätte auch anders sein können. Sie hätte mich ablehnen können. Oder sie hätte sagen können: 

"Ach, wie toll, ich wollte schon immer einen schwulen besten Freund haben!"

Eine Aussage, die ich immer wieder höre, wenn ich Menschen sage, dass ich schwul bin. Irgendwann kommt das Thema zur Sprache und irgendjemand möchte plötzlich beste Freundschaft mit mir. Es sind meistens Frauen, die sich einen schwulen besten Freund wünschen.

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Sie denken offenbar, dass sie mit ihm Golden Girls schauen und dazu Sekt trinken können. Samstags shoppen und am Abend auf Partys. Gesichtsmasken und über Männer quatschen. Wie eine beste Freundin – mit Penis. Die Klischees überschlagen sich.

Das Ding ist: Es kann sein, dass man all diese Dinge mit einem schwulen besten Freund machen kann. Aber nicht, weil er schwul ist. 

Es gibt keine typisch schwulen besten Freunde – genauso, wie es keine typisch heterosexuellen oder typisch weiblichen Freunde gibt. 

In vielen Fällen sind es Fremde, die ich gerade erst kennenlerne, die mich als ihren neuen besten schwulen Freund sehen wollen. Frauen, die ich in der Kneipe treffe, Freundes-Freundinnen oder Arbeitskolleginnen. 

Wenn sie mir nicht direkt die Freundschaft anbieten, dann erzählen sie mir von ihrem schwulen besten Freund. 

Ungefragt holen sie ihr Smartphone raus, halten mir Bilder hin und wollen mein Urteil hören. "Und? Kennst du den? Wie findest du ihn? Ich muss euch mal vorstellen." 

Es sind diese Freundinnen, die mal Schwule beim Feiern sehen wollen

Es sind diese Freundinnen, die ständig sagen: "Wir müssen unbedingt mal wieder zusammen feiern gehen, wenn ich in der Nähe bin." Freundinnen, die unbedingt mal in den Gay-Club um die Ecke wollen, um mal Schwule beim Feiern zu sehen. 

Freundinnen, die mich als Party-Guide wollen, mit dem man dann noch ein paar schöne Selfies machen kann. Wahrscheinlich keine Freundinnen, die mir beim Umzug helfen würden.

Warum wollt ihr alle einen schwulen besten Freund?

Für mich fühlt sich das an, als sei ich die Verzierung, ein paar Streusel, die das Leben dekorieren. Ich bin der, der alles ein bisschen bunter und lustiger machen soll. Weil Schwule ja generell ein bisschen bunter und lustiger sind. 

Und dann diese Hashtag-Kombinationen, die ich immer wieder auf Instagram sehe, wenn sich Menschen mit ihren schwulen Freunden zeigen: #Lifegoals, #Gaybestie, #Fagswag, #Gayfriends, #Gaybff.
 
Diese Hashtags stellen Homosexualität bloß. Mein Leben ist kein Zirkus, ich möchte keine Rolle in einer digitalen Show spielen. Schwul zu sein, das ist kein Lifestyle.

Ich versuche, aus meiner Sexualität kein großes Thema zu machen. Das fällt nicht leicht, weil genau diese "besten Freundinnen" keinen Moment auslassen, um zu betonen, dass man schwul ist.

Neulich zog sich eine Freundin mal direkt vor mir um. Als ich sie verblüfft anschaute, sagte sie: "Du bist doch schwul!" Dass ich ihre Brüste trotzdem nicht sehen wollte, war ihr egal. Vor einem schwulen guten Freund könne man doch auch mal nackt sein, sagte sie. 

Eine andere Freundin fragte kürzlich: "Darf ich meinen schwulen besten Freund mit zur Party bringen?" Anstatt ihn einfach beim Namen zu nennen, nannte sie seine Sexualität

Ich will kein schwuler bester Freund sein, ich will ein Freund sein. 

Ich will keine Extra-Bezeichnung. Vielleicht gibt es Schwule, die das anders sehen und sich freuen über die besondere Behandlung. Ich nicht.

Übrigens: Ja, ich trinke auch mal mit meinen Freundinnen Sekt und schaue Golden Girls. Mit meinen Freunden gehe ich auch mal shoppen und auf Partys haben wir auch schon mal mit Konfetti um uns geschmissen und dazu Pop-Musik gehört. 

Nicht, weil ich schwul bin. Sondern einfach, weil wir in diesen Situationen glücklich zusammen waren.

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