Nach der Geburt Auch Vätern vergeht erst einmal die Lust auf Sex

Frischgebackene Mütter verspüren meist wenig Lust auf Sex. Aber auch an Männern geht eine Geburt nicht spurlos vorbei, zeigt eine kleine Studie. Viele vermeiden zunächst den Kontakt mit den Geschlechtsteilen ihrer Partnerin und setzen auf Oralverkehr und Selbstbefriedigung.
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Foto: Corbis

Die Geburt eines Kindes verändert den Alltag von Grund auf. Speziell in den ersten Lebenswochen des Säuglings müssen Paare ihr Zusammenleben neu organisieren, auch auf sexueller Ebene. Dass die Lust vieler Frauen durch die Geburt zunächst schwindet, wird häufig beobachtet. Wie aber gehen Männer mit dem Erlebnis um? Eine Studie zeigt, dass sich auch ihre Sexualität nach der Geburt erst einmal verändert.

Sari van Anders und Kollegen von der University of Michigan befragten 95 Männer und 18 Frauen zwischen 19 und 54 Jahren zu ihrem Sexualverhalten in den ersten drei Monaten, nachdem ihre Partnerin ihr jüngstes Kind geboren hatte. "Am häufigsten nahmen die Partner in den ersten sechs Wochen sexuellen Kontakt über Aktivitäten auf, welche die Geschlechtsteile der Mutter ausschlossen", schreiben die Forscher im Fachmagazin "Journal of Sexual Medicine" .

Herantasten über Oralverkehr

In dieser Zeit masturbierten rund drei Viertel der Versuchsteilnehmer (74 Prozent), 58 Prozent gaben an, von der frischgebackenen Mutter oral befriedigt worden zu sein. Zu Geschlechtsverkehr oder dazu, die Neu-Mama oral zu befriedigen, ließ sich jeweils nur ein Drittel hinreißen. Bis drei Monate nach der Geburt und darüber hinaus blieb das im Wesentlichen gleich. Das Masturbationsverhalten dagegen änderte sich: Ab der siebten Woche nach der Geburt gab nur noch etwa jeder Zehnte an, sich selbst befriedigt zu haben.

"Aus der Praxis weiß ich, dass viele Männer nach der Geburt erst einmal verunsichert sind", sagt Christine Klapp von der Berliner Charité, die nicht an der Untersuchung beteiligt war. "Meist legt sich das schnell wieder." 82 von hundert Partnern berichteten in der Studie, innerhalb der ersten drei Monate nach der Geburt wieder mindestens einmal mit ihrem Partner geschlafen zu haben. Einen Vergleich zur Häufigkeit vor der Schwangerschaft gibt die Studie jedoch nicht her. "Ich finde sie dennoch gut und sinnvoll, Schwächen sind allerdings, dass sich die Umfrage nicht immer auf das erste Kind bezieht, die Befragten rückblickend berichten und die Geburt bis zu sieben Jahre zurück liegt", so die Oberärztin der Klinik für Geburtsmedizin. Ein weiteres Manko der Studie ist die relativ geringe Teilnehmerzahl.

Oralverkehr bringt den meisten Spaß

Die größte Freude bereitete den Partnern Oralverkehr. Geschlechtsverkehr und Masturbation rangierten auf der Spaßskala dahinter etwa gleichauf. "Scheinbar ist Spaß per se nicht der treibende Faktor, der zur ausgiebigen Selbstbefriedigung der Partner in der Anfangsphase führt", schreiben die Sexualforscher. Laut einer Studie der Wissenschaftler von 2012  bringt Neu-Mamas Selbstbefriedigung die meiste Freude.

"Ich höre häufig, dass sich Männer nach der Geburt nicht direkt wieder an ihre Frauen herantrauen", sagt Klapp. "Sie haben Angst, ihren Partnerinnen wehzutun." Es dauert etwa sechs Wochen, bis sich der Körper einer Frau von der Geburt erholt hat. Der Hormonhaushalt pendelt sich langsam ein, die Gebärmutter schrumpft auf ihre ursprüngliche Größe. Ihr altes Aussehen erhält die Frau dadurch aber nicht automatisch zurück, dafür sind auch eine gesunde Ernährung und gezielte Bewegung notwendig.

Körperliche Veränderungen verunsichern, stören aber nicht

Die Erfahrungen und körperlichen Veränderungen durch die Geburt haben laut Studie selten direkt Einfluss auf die Lust der Partner. Dagegen scheinen Gefühle eine wichtige Rolle zu spielen. Nach den Faktoren gefragt, die die sexuelle Lust nach der Geburt weckten, nannten die Partner der frischgebackenen Mütter am häufigsten "die Menge sexueller Gefühle", "das Interesse meiner Partnerin, sexuell aktiv zu werden" und "die Menge intimer oder enger Gefühle meinem Partner gegenüber". Das deckt sich mit den Angaben der Mütter aus der Vorgängerstudie.

Als Top 3 der Lustkiller empfanden die Partner Müdigkeit, Stress und Zeitmangel. Leichte Schmerzen an den Geschlechtsteilen der Partnerin durch die Geburt waren bei einem Drittel (32 Prozent) unter den ersten drei Faktoren für Unlust. Für die Mütter selbst sind leichte Beschwerden selten ein Lustkiller. Ihre Leidenschaft hängt laut der älteren Studie stark davon ab, wie ihr Partner mit Sexualität umgeht und - genau wie bei den Männern - von Müdigkeit. Zwischen weiblichen und männlichen Partnern der Neu-Mamas fanden die Wissenschaftler kaum Unterschiede.

Reden und Handarbeit

"Männer, die sich mit um das Kind kümmern und nachts aufstehen, sind meistens ähnlich erschöpft wie die Mütter", erzählt Klapp. Generell sei der Trieb bei Männern, nachdem sie Vater geworden sind, aber schneller wieder zurück als bei den Frauen. Hilfreich sei es, sich Zeit zu lassen und über Wünsche zu sprechen. "Männer können ihren Frauen ruhig zeigen, dass sie sie begehren", sagt Kapp. "Das muss nicht gleich zu Sex führen." Zärtlichkeit auszutauschen, sei eine gute Möglichkeit, Nähe herzustellen. Umgekehrt könnten Frauen es ihren Männern leichter machen, indem sie ihnen sagen, wenn sie sich wieder zu mehr bereit fühlen.

Medizinisch spricht, nachdem mögliche Verletzungen abgeheilt sind, nichts gegen vaginalen Geschlechtsverkehr bald nach der Geburt. "Wir empfehlen, Kondome zu benutzen", sagt Klapp. "Die schützen in den ersten sechs Wochen vor Infektionen der Gebärmutter und anschließend vor einer Schwangerschaft."

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