Gibt es Gerüche, die sexuelle Erregung auslösen?

Von Stella Hombach

Dieser Beitrag wurde am 26.12.2017 auf bento.de veröffentlicht.

Wie wir riechen, wonach wir duften, das verdanken wir vor allem den Bakterien, die sich auf unserer Haut und in unseren Haaren tummeln. Schwitzen oder sondern wir Talg aus, dann zersetzen die Winzlinge die bis dahin geruchlosen Substanzen – dabei entsteht unter anderem Buttersäure und wir beginnen zu riechen. 

Ob beim Sport, während der Arbeit, beim Feiern oder beim Sex: Es gibt keinen Moment in unserem Leben, in dem wir nach nichts riechen. 

Jeder Mensch riecht individuell – an seinem Eigengeruch, am Shampoo, Parfüm oder Waschmittel, erkennen wir einen Menschen wieder. Und manchmal löst dieser Geruch auch etwas aus: zum Beispiel, dass wir uns geborgen fühlen oder sogar Lust haben, einem Menschen näher zu kommen. 

Und genau das wollen wir uns in der heutigen Vögelkunde genauer ansehen: 

Gibt es bestimmte Duftstoffe, die sexuelle Erregung auslösen? 

"Das ist eine gute Frage", sagt Karl Grammer, Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe am Department für Anthropologie der Uni Wien. Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien, die sich mit dieser Frage beschäftigen.

Das Problem: Die meisten dieser Studien stammten aus der Industrie, sagt Grammer. Das bedeute, dass die Forscher am Ende meist das herausfänden, was sie herausfinden wollten.

Dazu komme, dass sich viele Untersuchungsergebnisse widersprächen. "In Sachen Geruch und Sexualität gibt es daher mehr Hypothesen als wissenschaftliche Evidenz", sagt Grammer.

Eine weit verbreitete Theorie sei beispielsweise, dass Männer und Frauen den Duft ihres Gegenübers genau dann attraktiv fänden, wenn sich das Immunsystem des einen – und damit auch seine Gene – stark von dem des anderen unterscheide, sagt Grammer.

Aus der Perspektive der Natur würde das Sinn machen. Wenn eine Frau von einem Mann schwanger wird, dessen Gene sich stark von ihren eigenen unterscheiden, "dann bekommt das Kind eine besonders ausgeklügelte Mannschaft von Immunzellen und ist dadurch besser vor Parasiten geschützt", sagt Grammer. 

Aber findet man wirklich den Duft eines Menschen toll, der andere Gene hat als man selbst? "Die Theorie klingt plausibel, ist allerdings nicht wissenschaftlich belegt", sagt Verhaltensforscher Grammer.

Es gibt daher mehr Hypothesen als wissenschaftliche Evidenz

Karl Grammer

Was die Wissenschaft jedoch weiß: Welchen Geruchstypen Frauen attraktiv finden, ist auch abhängig von ihrem Zyklus. 

"Je nachdem, in welcher hormonellen Phase sie sich befindet, nimmt sie Duftstoffe wie Androstenon und Androstenol unterschiedlich wahr", sagt Grammer. Androstenon und Androstenol sind Abbauprodukte des Sexualhormons Testosteron, die sich beim Mann meist dann bilden, wenn er schwitzt.

"Normalerweise finden Frauen diesen teils süßlichen Geruch eher ekelig – haben sie ihren Eisprung, stört viele der Duft plötzlich nicht mehr", sagt Grammer.

Pheromon-Parfums? Besser nicht kaufen.

Deswegen werden im Internet und in Sexshops mittlerweile zahlreiche Sprays und Parfums mit Androstenol angeboten. Von dem Kauf solcher Produkte rät Grammer hingegen ab: "Diese Dufstoffe sind künstlich hergestellt, es ist wissenschaftlich nicht belegt, dass sie wirkungsvoll sind. Außerdem handelt es sich bei vielen um Steroide, die mitunter sogar krebserregend sein können."

Aber auch am Mann gehen bestimmte Gerüche nicht vorbei. 

Das zeigt eine Studie, die Forscher Grammer mit seinen Kollegen im Jahr 1997 durchgeführt hat. 

Um herauszufinden, wie das männliche Geschlecht auf den Duft der Frau reagiert, ließen sie 66 Männer verschiedene Kopuline schnüffeln – also Gemische kurzkettiger Fettsäuren, die sich im Vaginalsekret befinden. Manche bekamen auch nur eine einfache Wasserprobe unter die Nase gehalten.

Während die Männer inhalierten, zeigten die Forscher ihnen unterschiedliche Frauenporträts. Das Ergebnis: Die Männer, die nicht am Wasser, sondern an Kopulinen rochen, bewerteten die Bilder alle als nahezu gleich attraktiv

Die Schlussfolgerung Grammers: "Riecht ein Mann Vaginalsekret, bricht anscheinend seine Fähigkeit zusammen, die Attraktivität einer Frau zu beurteilen."

Mehr Vögelkunde? Hier:

Fotostrecke

Vögelkunde: Alle Texte

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten