Seit es den "Womanizer" und den "Satisfyer" gibt, reden Frauen auf einmal über Masturbation

Dieser Beitrag wurde am 02.03.2019 auf bento.de veröffentlicht.

"Perfekter Tag – erst schön gefrühstückt, dann ein paar Stunden mit meinem Satisfyer verbracht", das schreibt eine Bekannte auf Instagram. Klingt wie ein normaler Beitrag. Mit einer Besonderheit: Der "Satisfyer" ist ein Sextoy. Genauer gesagt: ein Druckwellen-Vibrator.

Das Prinzip dieser Geräte: Sie werden nicht in die Vagina eingeführt oder auf die Klitoris aufgelegt und vibrieren dort, sondern saugen mit einem Silikontunnel die Klitoris an. Vor etwa fünf Jahren kam das erste Modell dieser Art, der "Womanizer", auf den Markt. Allein dieses Gerät hat sich nach Herstellerangaben millionenfach verkauft (SZ Magazin , €). Und, so scheint es, dazu geführt, dass weibliche Masturbation ein salonfähiges Thema geworden ist.

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In sozialen Netzwerken taggen Frauen ihren "Satisfyer" oder "Womanizer" ganz selbstverständlich, als ob es das süße Café um die Ecke wäre. 

Auf Amazon schreiben sie unter ihrem Klarnamen begeisterte Rezensionen. Freundinnen verabreden sich zu Sammelbestellungen, wenn es den "Satisfyer" am Black Friday günstiger gibt. Und "Sorry, aber ich bleib heute Abend mit meinem Satisfyer zuhause" wird zur akzeptablen Ausrede.

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Der Vibrator als Lifestyle-Accessoire? Masturbation als Self-Care? Wann, bitteschön, ist das nur passiert?

Dass Sextoys ihr Schmuddel-Image verlieren, ist keine neue Entwicklung. Erste Peaks gab es schon Ende der Neunziger, als Charlotte in "Sex and the City" mithilfe eines Häschen-Vibrators ihre Sexualität neu entdeckte und Tausende Frauen inspirierte, es ihr gleichzutun (Forbes ). Unternehmen entdeckten den stilvollen, auf Frauen ausgerichteten Sexzubehör als lukrative Marktlücke (Welt ). Wie gut das aufgehen kann, zeigt das deutsche Startup Amorelie, das 2013 online ging und inzwischen fast 100 Millionen Euro wert ist (Gründerszene ).

Dank dieser Anbieter müssen Kundinnen (und Kunden) das Zubehör für ihr Sexleben nicht mehr in Geschäften mit zugeklebten Scheiben und abschreckenden Filmkabinen kaufen, sondern können sie auf hübsch-modernen Websites bestellen. Die Produkte müssen nicht mehr verschämt in der braunen Plastiktüte transportiert werden, sondern kommen im diskreten Paket mit DHL direkt nach Hause. 

Und auch die Sextoys selbst haben sich verändert. Frauen werden keine adrigen Plastikpenisse angeboten, sondern schlichte, bunte diskrete Objekte, die auch normale Haushaltsgeräte sein könnten.

Unterstützt wurde das Neudesign von großen Werbekampagnen. Die Werbe-Allzweckwaffe Jung von Matt verhalf beispielsweise dem Erotik-Versandhandel Eis.de zur "Es rappelt im Karton"-Kampagne: pastellbunte Spots, untermalt von Kaugummi-Pop, der im Ohr kleben bleibt. Die Agentur entwickelte auch die neue "Satisfyer"-Kampagne: im vertrauten Farbschema, mit abenteuerlustigen Frauen als Protagonistinnen, die sich mit Hilfe der Vibrationswellen in neue Dimensionen katapultieren. "The next sexual revolution", so der Slogan. (Werben und Verkaufen )

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Denn, und das ist ein weiteres Geheimnis des Erfolgs der neuen Generation von Vibratoren: Die Geräte entsprechen auch einem zeitgemäßen Frauenbild

Schließlich kann auch die beste Werbekampagne nichts erzielen, wenn sie nicht auf ein gesellschaftliches Klima trifft, zu dem sie passt.

Der öffentliche Umgang mit weiblicher Sexualität ist derzeit im Umbruch. Frauen sprechen offener über ihre sexuellen Wünsche. Als der Hype um "Shades of Grey" losging, lasen Frauen auf einmal in der U-Bahn einen SM-Roman. Podcasts wie "Besser als Sex" erreichen Hunderttausende. Feministinnen und Wissenschaftlerinnen formulieren das Bild einer weiblichen Sexualität, die selbstbestimmt und auch Selbstzweck ist. 

Dieser Gedanke liegt auch dem Druckwellen-Vibrator zugrunde: 

Denn beim "Womanizer" und dem "Satisfyer" wird die sexuelle Befriedigung der Frau nicht über den Mann gedacht

Es ist kein aus Gummi gefertigter Penis-Ersatz, den sich eine Frau in einsamen Stunden ohne Mann einführen soll. Stattdessen ist das Gerät so konzipiert, dass es sich auf das wichtigste Organ weiblicher Lust, die Klitoris, konzentriert.

Und – und das ist wohl das wichtigste Argument für den Druckwellen-Vibrator: Dieses Konzept scheint einfach aufzugehen. Auf Amazon hat der "Womanizer" hunderte Bewertungen, Durchschnitt: 4,5 Sterne, der "Satisfyer" kommt immerhin auf 4 Sterne. Frauen berichten, wie sie durch das Gerät innerhalb von Sekunden zum Orgasmus kommen, manche zum ersten Mal in ihrem Leben. Ein Mann, so schreiben viele mehr oder weniger scherzhaft, sei jetzt eigentlich völlig überflüssig.

Dass der "Womanizer" wirkt, sprach sich in den fünf Jahren seit seiner Markteinführung unter Frauen bereits rum. Doch mit knapp 200 Euro war die Standardversion eher etwas für ältere Frauen, die laut Nutzerdaten von Amorelie mehr Geld für Sextoys ausgeben. Damit der Druckwellen-Vibrator endgültig zum Massenphänomen werden konnte, brauchte es eine Billigversion. Die kam in Form des "Satisfyers". Er liegt in einer Preisklasse, die auch für Studentinnen erschwinglich ist: Die "Pro"-Version liegt bei 70 Euro, wenn Angebotswoche ist, gibt es auch mal Ausführungen für neun Euro.

Als es zuletzt so ein Angebot gab, teilten Twitter-Nutzerinnen diesen Hinweis übrigens vielfach mit ihren Followerinnen – die ihn dankbar annahmen.

So ist dem Druckwellen-Vibrator etwas Erstaunliches gelungen: Das Tabu weiblicher Masturbation nicht nur zu überwinden, sondern in etwas zu verwandeln, mit dem man im Umfeld punkten kann. In diesem Fall haben die Frauen den Männern mal etwas voraus. 

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