Artikel • 19.5.2020

Angeln in Deutschland: Victor Eras von "Ich geh angeln" im Interview

Angel-Profi erklärt das Phänomen Angeln

Angeln in Deutschland Victor Eras

Das Angeln in Deutschland wird immer beliebter. Und das Jahr für Jahr. 2019 gaben 6,5 Millionen Deutsche an, wenigstens "ab und zu" Angeln zu gehen. 2015 waren es 5,2 Millionen. Woher kommt dieser Trend? Welche Auswirkungen hat er auf Natur und Tier? Und warum sollten noch mehr Menschen den Angelsport für sich entdecken? Diese Fragen und noch mehr haben wir Angel-Profi und Youtuber Victor Eras von "Ich geh angeln" gestellt.

Woher kommt die Leidenschaft zum Angeln?

Ich habe als kleiner Junge beim Baden im Liepnitzsee in der Nähe von Berlin immer Fische gesehen und versucht, diese zu fangen - mit der Hand, einem Aquariumkescher und einer selbstegebauter Angel aus Stock, Strick und Apfelgriebsch. Irgendwann kam dann die erste richtige Angel und damit die ersten Rotfedern im Dorfteich und Forellen im Forellenpuff. Von da an gab es kein Halten mehr.

Warum sollten auch andere Menschen mit dem Angeln anfangen?

Weil es so viel mehr bietet als andere Hobbys. Angeln ist jedes Mal das reinste Abenteuer. Es gibt immer eine neue Herausforderung, die es zu meistern gilt. Und das nicht konstruiert wie bei einem Computerspiel, sondern im unbestechlichen Reallife. Viel anspruchsvoller, aber deswegen auch viel spannender. Um sein Ziel zu erreichen, muss man sich immer aufs Neue Wissen aneignen. Dabei gilt es viele Parameter zu beachten: Auf was, wann, wo und bei welchem Wetter beißt der Fisch zu? Das „Spiel“ hat nie ein Ende. Dazu gibt es immer einen Grund in die Natur zu gehen. Man kommt regelmäßig an die idyllischsten Orte, von denen andere nur träumen.

Gibt es sonst noch Gründe, die für den Angelsport sprechen?

Angeln ist ein sehr soziales Hobby. Man verabredet sich mit Freunden und oft ist der Angeltag allein deswegen schon gelungen. Gemeinsam werden Dinge erlebt, die einen weiter verbinden, etwa ein erinnerungswürdiger Fang. Ein Grund sind auch die zahllosen Vereine, die einem den Einstieg ins Hobby erleichtern oder auch Kinder- und Jugendgruppen betreuen. Und schlussendlich hat man natürlich die Möglichkeit, sich mit frischem Fisch selbstzuversorgen. In der heutigen Zeit ein echtes Argument, ethisch wie auch aus gesundheitlichen oder ökologischen Gründen.

Angeln in Deutschland Barsch
Einer der beliebtesten Raubfische in Deutschland ist der Barsch. ©Victor Eras

Über ethische und ökologische Folgen werden wir gleich noch sprechen. Sprechen wir zunächst aber über den Trend zum Angeln in Deutschland. Immer mehr Menschen gehen dem nach. Woher kommt das?

Wie in anderen Bereichen auch, tragen die sozialen Medien stark dazu bei. Früher gab es lediglich Fachzeitschriften übers Angeln. Aber wer hat sich die gekauft? Natürlich Angler. Über soziale Medien, insbesondere über Youtube, werden auch „normale“ Menschen erreicht. Dazu gibt es Formate wie unseres, die das Thema Angeln auch mit Unterhaltung verbinden und so nach und nach mehr Menschen dafür begeistern. Wir „erschaffen“ quasi neue Angler!

Ein weiterer Grund sind die Einstiegshürden. Wer früher angeln wollte, musste oft einen Lehrgang über mehrere Wochen absolvieren, bevor er mit dem Fischereischein loslogen durfte. Heute kann man diesen Kurs in den meisten Bundesländern auch online machen, was sehr vielen den Zugang überhaupt erst ermöglichen konnte.

Gibt es auch negative Aspekte, die mit dem Angeltrend einher gehen??

Negative Aspekte gibt es wenn, dann eigentlich nur in Deutschland. Hier ist „Catch and Release“ in vielen Köpfen noch nicht angekommen oder schlimmer noch, negativ konnotiert. Viele Einsteiger schreiben mich an und fragen, warum wir Fische einfach so zurücksetzen. Sie hätten in der Fischereischeinausbildung gelernt, dass dies verboten sei. Das ist zum einen schade und zum anderen auch nicht zwangsläufig richtig. Es wird nur gerne so propagiert, aus politischen Gründen.

Fischerrecht ist ja Länderrecht und jedes Bundesland ist da anderes gepolt. Bayern zum Beispiel hat da wie so oft eine etwas konservativere Haltung, um nicht „antiquierte“ zu sagen. Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg hingegen haben bereits Fangfenster für bestimmte Arten eingeführt. Damit müssen Fische unter bzw. über einer bestimmten Größe zurückgesetzt werden. Das hilft nicht nur der Population, sondern auch dem Angler, der sich über bessere Fänge freuen kann.

Zeitgleich hilft es dem Angelsport an sich, mit all seinen positiven Nebeneffekten, in der Praxis: Angler kümmern sich wie niemand anderes um die Gewässerpflege, Renaturierungen und Wiederansiedlungen von in Deutschland ausgestorbenen Arten wie dem Lachs oder Stör. Und das alles oft ehrenamtlich. Dazu schaffen sie Jobs und die Tourismusbranche wasserreicher Bundesländer profitiert extrem von ihnen.

Sollten also alle Bundesländer den von Ihnen genannten positiven Beispielen folgen?

Wären alle Bundesländer so fortschrittlich, gäbe es kaum negativen Auswirkungen. Eher das Gegenteil wäre der Fall. Denn mehr Angler bedeuten mehr politische Power, mehr ehrenamtliches Engagement und mehr Naturschutz. Der einzige negative Aspekt entsteht also nur, wenn dieses sog. „Abküppeln“ gesetzlich verordnet ist, um ethische Grundsätze vorzugaukeln, die in anderen Branchen mit größeren Lobbies niemanden zu interessieren scheinen. Denn sind die Gewässer bald leer gefischt, dreht sich die Spirale natürlich weiter abwärts. Gottseidank gibt es genug vernünftige Angler, die trotz Verordnungen nicht jeden Fisch aus Prinzip töten wollen und somit zum Erhalt der Bestände und des Angelns beitragen.

Angeln in Deutschland Steg
Angeln in Deutschland geht überall: am Meer, in Flüssen oder von einem Steg aus. ©Victor Eras

Gehen wir einen Schritt zurück und unterhalten uns über die notwendigen Basics. Welche Grundausstattung braucht es, um Angeln zu können?

Angeln ist nicht gleich Angeln. Es hängt vom Zielfisch ab. Um reinzuschnuppern empfiehlt sich tatsächlich aber erst einmal eine Stippe, dazu Pose, Schnur und Haken. So kann man mit vielen kleinen und mittleren Fischen relativ schnell und einfach lernen, worauf es dann später bei den großen Friedfischen ankommt. Bei diesen ist es wichtig zu wissen, wie man einen Futterplatz anlegt, wie die Tiefe am besten ausgelotet wird, um den Köder dort anzubieten wo sich die meisten Fische aufhalten, oder wie man diese mit einem Wurm oder Maiskorn anködert.

Wer das aktive Angeln bevorzugt versucht meistens Raubfische zu fangen. Die sind nämlich eher standorttreu, lauern oft in ihrer Deckung und bewegen sich nur zum Jagen. Deswegen holt man sich dafür am besten eine leichte Spinnrute und -rolle. Dazu kleinere, leichte Köder, wie Spinner, kleine Wobbler oder Gummifische, die die Beute der Räuber imitieren sollen. Barsche etwa lassen sich so häufig und auch relativ einfach überlisten und sind außerdem extrem schmackhaft.

Wer ans Angeln denkt, hat häufig das Bild eines einsamen Anglers vor Augen, der die Angelrute in aller Ruhe ins Wasser hält. Was ist dran an diesem Bild?

Da Angeln so vielseitig ist, gibt es für jeden Charaktertypen den passenden Fisch. Wer geduldig ist, gerne in der Sonne liegt oder das Campen in freier Natur liebt, angelt am besten Karpfen. Hier bringt man die Ruten einmal aus und versucht mit speziellem Futter und „Fischsüßigkeiten“ den Fisch zur Rute und an den Angelhaken zu locken.

Andere sind eher sportlich und abenteuerlustig unterwegs, wenn sie auf Barsch- oder Zanderjagd an den Flüssen und Seen in urbaner Umgebung gehen. Hier muss man auch schon mal etwas klettern, viel laufen oder das Fahrrad dabei haben. Der Fisch kommt in diesem Fall nicht von alleine zum Köder, man muss ihn suchen. Da es besondere Stellen gibt, wo diese sich gerne aufhalten, ist man bei diesem Spot-Hopping den ganzen Tag aktiv. Man verbindet Angeln quasi mit Parkour. Es gibt also nicht den einen, klassischen Angeltyp.

Wo in Deutschland angeln Sie am liebsten?

Ich habe eigentlich keinen Lieblingsort. Die Abwechslung macht dieses Hobby ja so spannend. Wenn ich mich aber entscheiden müsste, dann wären es zum einen Rügen, weil man hier so viel unterschiedliche Meeres- und Süßwasserfische in kurzer Distanz fangen kann. Dazu hat jede Jahreszeit etwas Neues zu bieten. Wenn die Meerforelle im Frühling wieder seltener ans Ufer kommt, kommen dafür Hering, Dorsch und Hornhecht dichter unter Land. Barsche, Hecht und Zander können währenddessen in den Bodden, außer in der Schonzeit, das ganze Jahr über gefangen werden.

Was ich aber auch sehr liebe ist die Angelei in Berlin im Herbst und Winter, wenn die Zander und Barsche so richtig wild werden. Aber auch das Forellenangeln in kleinen Bächen mit der Trockenfliege in Bayern oder Thüringen liebe ich. Einfach ausgedrückt: Ich liebe einfach alles und die Möglichkeiten sind endlos!

Mächtiger Wels
Der Wels ist der größte Süßwasserfisch Europas. Er kann 50 kg schwer werden. ©Victor Eras

Sie meinten vorhin, dass Fischerrecht Sache der einzelnen Bundesländer sei. Benötigt man dennoch überall den Angelschein, um in Deutschland Angeln zu können?

Ja, der ist notwendig. Allerdings ist es einfacher als je zuvor diesen zu bekommen. Wie gesagt, kann man den verpflichtenden Vorbereitungskurs in vielen Bundesländern auch online machen und spart sich somit viel Zeit in der Vorbereitung. Dazu bieten viele Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Schleswig-Holstein in Form von zeitlich befristeten Angelscheinen auch Möglichkeiten, überhaupt erstmal in das Hobby hineinzuschnuppern. Wie man den Angelschein in seinem Bundesland am schnellsten und einfachsten bekommt, habe ich in einem sehr hilfreichen Artikel auf meiner Seite ichgehangeln.de zusammengefasst.

Anfangs haben Sie das ökologische Thema angesprochen. Die Klimaerwärmung wirkt sich ja auch auf deutsche Gewässer aus, etwa auf die Wassertemperatur, die Wassermenge oder die chemische Zusammensetzung eines Gewässers. Dies hat Auswirkungen auf die dort lebenden Pflanzen und Tiere. Merken Sie beim Angeln etwas davon?

Bis jetzt noch nicht so stark bzw. nur vereinzelt. Aber wenn es so weiter geht, wird eine Veränderung nicht ausbleiben. Fische wie die Bachforelle wird es dann, wenn überhaupt, wahrscheinlich nur noch in höheren Lagen geben. Karpfen, Schleie oder Welse werden sich wohl besser vermehren. Das kann dann wieder andere Auswirkungen haben: Gewässer könnten trüber werden, Sichträuber hätten es dadurch schwerer. Und das geht so weiter. Alles hängt miteinander zusammen. Ich hoffe, dass es nicht soweit kommt, glaube aber leider, dass hier die Politik eingreifen muss. Ich wünschte mir allerdings, dass wir Menschen es mit Vernunft und mit gesunden Menschenverstand alleine schaffen würden. Aber ich sehe an mir selbst, wie schwierig das teilweise ist und Verhaltensmuster tief verankert sind.

Letze Frage: Welche Praxistipps können Sie Angel-Anfängern mit auf den Weg geben?

Setzt euch am Anfang kleine Ziele, damit ihr nicht zu schnell frustriert werdet. Misserfolge gehören zum Angeln dazu. Ohne sie wäre der Erfolg nichts wert und nur halb so schön. Lernt euer Gewässer und den Zielfisch Schritt für Schritt besser kennen. Fragt auch mal alte Hasen, aber probiert auch vieles selber. So lernt ihr immer etwas dazu, und das wird sich auf den eigenen Erfolg auswirken. Aber nie vergessen: der Weg ist das Ziel! Die Challenge! Deswegen wird einen dieses Hobby auch ein Leben lang begleiten. Es gibt so viele Wege und damit kann es nie langweilig werden.

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